Veronika Jehle (33) leistet Innen- und Aussendienst. Im Spital betreut die Theologin sterbenskranke Menschen. Am Bildschirm ist sie eines der neuen Gesichter beim «Wort zum Sonntag» und thematisiert, was nicht nur den katholischen Kirchenfrauen unter den Nägeln brennt: die Ungleichheit zwischen Frau und Mann.
«Wie will man heute einem Menschen erklären, dass Männer und Frauen gleichwertig, aber trotzdem nicht gleichberechtigt sind?», fragt Jehle vor dem Hintergrund des Frauenstreiks vom 14. Juni. Dies koste die katholische Kirche viel Glaubwürdigkeit, «da können einzelne von uns noch so gute Arbeit leisten».
Wenn die Seelsorgerin beispielsweise einen Sterbenden begleitet, darf sie ihm nicht die letzten Sakramente erteilen. Dafür muss ein aussenstehender Priester beigezogen werden. «Das ist schade für die Menschen, mit denen ich oft viele Wochen verbracht und ein Vertrauensverhältnis aufgebaut habe», sagt Jehle.
«Frauen sollen alle Möglichkeiten haben»
Die gebürtige Österreicherin, die seit über zehn Jahren in Zürich arbeitet, fordert deshalb, dass das System der katholischen Kirche zumindest überdacht wird. «Frauen sollen alle Möglichkeiten haben. Denn Verantwortung und Weihe müssen nicht ans Geschlecht, sondern an die Begabung und Berufung geknüpft sein.»
Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, wird Jehle kommenden Freitag am Frauenstreik teilnehmen, denn sie glaubt an «die Kraft der Bewegung». Am Streiktag wird sie zudem eine «Wort zum Sonntag»-Sendung aufzeichnen.
Und sie ruft mit Kolleginnen und Kollegen zur Nationalen Kundgebung «Zeichen gegen Missbrauch» für Veränderung in der römisch-katholischen Kirche vom 29. Juni auf dem Berner Helvetiaplatz auf. Denn die in letzter Zeit gehäuft ans Licht gekommenen Missbrauchsfälle lösen in ihr tiefes Entsetzen aus. «Die Kirche ist im besten Fall das Gewissen der Gesellschaft», sagt Jehle. «Vor allem ist gerade die katholische Kirche gut darin, moralische Werte zu predigen und viel vom Einzelnen einzufordern.» Wenn sie sich dann selber nicht daran halte, sei das besonders dramatisch und die Glaubwürdigkeit gehe vollends verloren.
«Zweierbeziehungen sind menschlich»
Dem Zölibat allein könne man aber nicht die Schuld an Missbrauchsfällen geben, glaubt die TV-Predigerin. Missbrauch komme ja auch woanders vor. Dennoch unterstützt sie die Idee, dass ein Priester verheiratet sein kann. «Es würde unsere Kirche ein Stück weit menschenfreundlicher machen.» Erfahrungen mit einer eigenen Familie zu haben, sei ein Mehrwert für die Seelsorge, so Jehle. Denn: «In einer Zweierbeziehung zu leben, ist schlichtweg menschlich.»