Schweizer «Tatort» scheitert an überrissenen Ambitionen
Züri brännt, Publikum pennt

Die Bilanz zum ersten «Tatort» aus Zürich fällt zwiespältig aus. Die neuen Ermittlerinnen sind mit Anna Pieri Zuercher und Carol Schuler stimmig besetzt. Das Drehbuch von «Züri brännt» wirkt überambitioniert, die Regie für einen Pilotfilm zu salopp.
Publiziert: 18.10.2020 um 21:41 Uhr
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Aktualisiert: 27.02.2021 um 19:44 Uhr
Tessa Ott (Carol Schuler) verhört den ehemaligen Polizeichef Karl Alpiger (Hans Hollmann), beobachtet von Kollegin Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher).
Foto: Sava Hlavacek
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Jean-Claude Galli

Die Schlussminuten sind sinnbildlich für den ersten Zürcher «Tatort»: In «Züri brännt» ist der Täter niemand Geringeres als der abtretende Kripo-Chef persönlich. Und natürlich jagt er sich in der Schlussszene die letzte Kugel des Abends gleich selbst in den Kopf. Wenn die das Pulver bereits in der Premiere buchstäblich verschiessen und notabene auch gleich den besten Schauspieler opfern, Roland Koch (61), stellt sich der erschöpfte Zuschauer zu Recht die bange Frage, was in den nächsten Folgen und Jahren noch kommen soll.

Dass dieses Ende eine Anspielung auf den allerersten Schweizer «Tatort» von 1990 sein könnte, als sich Mathias Gnädinger (1941–2015) als Kommissar und Täter das Leben nahm, bleibt eine Vermutung. Und das meiste, was uns die Drehbuchautoren Stefan Brunner (44) und Lorenz Langenegger (40) servieren, ist ähnlich verworren und übermotiviert: Statt die neuen Ermittlerinnen – Anna Pieri Zuercher (41) als Isabelle Grandjean und Carol Schuler (33) als Tessa Ott – ernsthaft vorzustellen und eine Identifikation zu ermöglichen, werden sie rasch in ein vorhersehbares und klischiertes Divenduell verwickelt. «Wir wollen das Herz des deutschen Publikums erobern», sagte SRF-Fiktionsleiter Urs Fitze (63) im Vorfeld. Doch wie kann man jemanden gernhaben oder ihn zumindest verstehen, wenn man ihn gar nicht kennt?

Keine Einführung, Dialogflut und kaum Änderung in Sicht

Ohne eigentliche Einführung wird das Duo mit einem «Cold Case» aus dem Zürich der 1980er-Jahre konfrontiert und dabei gleich noch der ambitionierte Ansatz verfolgt, die damaligen Jugendunruhen von Grund auf zu erklären. Und später entpuppt sich der Fall als delikate Polizei-Insiderstory. Etwas viel für eine allererste Episode mit neuem Personal und neuer Kulisse.

Ein Pilotfilm unterliegt erzählerischen Grundsätzen, die Regisseurin Viviane Andereggen (35) nicht so recht befolgen mag. Das ist ihre Entscheidung, bringt aber für die Zukunft weiteren Erklärungsbedarf. Dazu kommt die Dialogflut, die wirkt, als hätte sie ihrer Bildsprache misstraut. Kurzfristige Veränderungen sind übrigens nicht in Sicht: Die zweite Folge («Schoggiläbe») – ebenfalls unter ihrer Regie – ist bereits abgedreht und folgt im Frühling 2021.

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