Es war ein fürchterlicher Alptraum. Ich stand am Pult von «10 vor 10». Und blickte in die falschen Kameras, stammelte unverständliches Zeug. Arthur Honegger kam zu mir, legte mir liebevoll die Hand auf die Schulter und sagte: «Es ist halt nicht ganz so einfach, gell?» Dann wachte ich auf. Vielleicht war der Traum die Rache dafür, dass ich den Anchor, den ich doch eigentlich mag, zuvor ein klitzekleinwenig getadelt hatte? Muss so sein.
Die 15-jährige Gymnasiastin Enya Ernst machte es gestern Abend besser. Im Rahmen von «You News 2020», der Schweizer Jugendmedienwoche, durfte sie das SRF-Flaggschiff präsentieren. Und wie sie das machte! «Guten Abend bei «10 vor 10». Schön sind Sie dabei», begrüsste sie das Publikum richtig keck. Die Schülerin aus Rapperswil-Jona wirkte frisch und souverän, versprühte Wille wie die Susanne, und zeigte vor allem Haltung bei den Themen. Es ging um Drogenmissbrauch bei Jugendlichen, Bestellungen in Fernost und den mächtigen E-Sports-Markt.
Nur eine Woche hatte Enya Zeit, sich vorzubereiten. Sie musste lernen, stets in die richtige Kamera zu blicken, vom passenden Prompter zu lesen. Besonders schwierig: Die Kameras bewegen sich auch noch. «Gutes Fernsehen hat extrem viel zu tun mit dem richtigen Rhythmus zu tun», hatte ihr Arthur Honegger erklärt. Wenn sie einmal den Faden verliere, solle sie einfach weiter machen. Das sei das Wichtigste.
Arthur Honegger coachte die Schüler
Angesichts dieser Schwierigkeiten wäre es fast schon bösartig, wenn man nach Patzern bei Enya suchen würde. Sie war ernsthaft, aber nie ernst – auch als sie das Interview mit Verteidigungsministerin Viola Amherd (57) ankündigte, das ein Lehrling führte. Sie telefoniere meistens mit ihrem ganz normalen Handy und unverschlüsselt, verriet die Bundesrätin freimütig. Was man Teenagern nicht so alles erzählt.
Es war gestern nicht so viel los auf der Welt. Die Frage ist trotzdem, warum die 14 Jugendlichen, welche die Sendung gestalteten, nur auf eigene Themen setzten. Weil sie die Aktualität, was man oft hört, nicht interessiert? Die Übungsflüge für Donald Trumps WEF-Besuch in Davos kamen nicht vor, Gretas Streik in Lausanne oder die Neuausrichtung der britischen Labour-Partei auch nicht. Wollte man auf sicher gehen und hatte daher auf vorbereitete Beiträge gesetzt?
Fest steht: Enya machte ihre Sache gut. Die Beiträge kamen formal jung daher – clippig, bunt und frech. Da und dort spürte man das Händchen von Arthur Honegger, der die Schüler coachte. Er war auch noch im Bild zu sehen – natürlich. Aber jetzt höre ich auf, sonst träume ich wieder, dass ich am «10 vor 10»-Pult stehe und kläglich scheitere.