Zum 25. Todestag von Franz Schnyder besucht BLICK den Glunggehof
Er brachte Hollywood ins Emmental

Vor 25 Jahren starb Franz Schnyder (†83), der erfolgreichste Regisseur der Schweiz. BLICK besuchte die Filmkulisse seines grössten Erfolges: Auf dem Bauernhof «Glungge» in Brechershäusern BE wohnt immer noch dieselbe Familie Reinhard, die dem Filmteam Gastrecht gewährte. Senior Walter Reinhard (78) erinnert sich an die Dreharbeiten in den Jahren 1954 und 1955, als der Hof seiner Eltern zu einem Drehort à la Hollywood wurde.
Publiziert: 07.02.2018 um 23:33 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 19:33 Uhr
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Regisseur Franz Schnyder (weisse Mütze) gibt bei Dreharbeiten zu «Ueli der Pächter» Anweisungen an die Schauspieler.
Foto: STR
Matthias Mast/Jean-Claude Galli

Der berühmteste Bauernhof der Schweiz befindet sich im Wyler Brechershäusern bei Wynigen BE. Franz Schnyder (†83) entdeckte das 1681 erbaute Gebäude auf seiner Erkundungstour durch das Emmental, als er auf der Suche nach einem Bauernhaus für die Verfilmung des Jeremias-Gotthelf-Romans «Uli der Knecht» war. Eigentlich hatte er zunächst ein anderes Anwesen für das Roman-Bauernhaus Glungge im Auge. «Doch als er unseren Hof mit dem grossen Dach und dem Vorplatz sah, war es um ihn geschehen», erinnert sich der damals 15-jährige Walter Reinhard (78) an den Tag, als Schnyder bei seinen Eltern anklopfte.

Glungge sollte abgerissen werden

Die Bauersleute und der Filmemacher wurden sich schnell handelseinig, der Reinhard-Hof wurde zur Glungge. «Der Roman-Name wurde zur Wirklichkeit, das war nicht immer einfach», sagt Reinhard. Als die Familie einen Neubau plante, wurde sie beschimpft. «Mein Vater erhielt körbeweise böse Briefe», so Reinhard. Schlussendlich mischte sich die Politik ein: Das Parlament des Kantons Bern entschied, dass die Glungge nicht abgerissen werden darf.

Walter Reinhard (M.), hier mit den Söhnen Peter (l.) und Ueli vor der Glungge.
Foto: zvg

Ueli gibt es noch auf der Glungge

Der Besuch auf der Glungge gleicht einer Reise in die Vergangenheit. Mittlerweile lebt die sechste Generation Reinhard auf dem Hof. Der Vater übergab das Zepter vor über zehn Jahren an Sohn Peter (50). Der ältere Sohn heisst – wie könnte es anders sein – Ueli (51), das ist die berndeutsche Form des von Gotthelf ins Schriftdeutsche übertragenen Vornamens. «In Anbetracht der Filmgeschichte des Hofes ist nur Ueli in Frage gekommen», sagt Senior Reinhard. «Ich bin aber nicht Uli der Knecht, sondern Ueli der Brauer» scherzt Ueli Reinhard, der bei einer grossen Bierfirma arbeitet. 

Salz statt Schnee

Als am Ostermontag 1954 das Filmteam auf dem Hof auftauchte, lag Schnee. Alles war bestens vorbereitet für die Szene, in der Uli, dargestellt von Hannes Schmidhauser (1926–2000), mit dem Pferdeschlitten vorfährt. Doch am darauffolgenden ersten Drehtag war die weisse Pracht verschwunden. Schnyder liess kurzerhand mehrere Lastwagen-Ladungen Salz ankarren. «Dass die Glungge nicht im Schnee lag, sondern im Salz, hat nie jemand gemerkt», kann sich Walter Reinhard noch heute über den ersten Drehtag freuen. 

Schnyder liess Charles Chaplin warten

Auch Charles Chaplin besuchte das Filmset.
Foto: Keystone

Während den Dreharbeiten kamen Hunderte von Schaulustigen auf den Hof, viele nur wegen Lilo Pulver (88), die Gotthelfs Vreneli verkörperte und wegen ihrer Rollen in deutschen Spielfilmen ein grosser Star war. Doch Franz Schnyder liess sich von keinen Stars beeindrucken, auch nicht, als das grösste Genie der Filmgeschichte zu einem Überraschungsbesuch auftauchte. Hollywood-Superstar Charles Chaplin (1889–1977) stand plötzlich vor der Glungge! Doch Schnyder machte keinerlei Anstalten, den Dreh zu unterbrechen, und liess den weltberühmten Berufskollegen warten. «Chaplin schien dies nicht zu stören, er genoss derweil die von meiner Mutter gebackenen Brätzeli und Tirggeli», erinnert sich Walter Reinhard.

Nach dem Top-Hit «Geld und Geist» bliebt der Erfolg aus

Franz Schnyder drehte nach den «Uli»-Episoden noch viele erfolgreiche Filme, der grösste Hit war 1964 «Geld und Geist«, der 2,6 Millionen Zuschauer in die Kinosäle lockte. Es war seine einzige Gotthelf-Adaption in Farbe. «Die 6 Kummer-Buben» mit Linda Geiser (82) war 1968 der letzte Kinofilm des grossen Burgdorfers. Er fiel an den Kassen zwar durch, wurde aber als TV-Serie ein Grosserfolg und auch in die USA verkauft. Sein grösstes Herzensprojekt aber, eine Umsetzung des Lebens von Johann Heinrich Pestalozzi (1746–1827), konnte Schnyder Zeit seines Lebens nicht mehr verwirklichen.

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