«Respekt ist mir wichtiger als das perfekte Pronomen»
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Chris/Nadia Brönimann:«Respekt ist mir wichtiger als das perfekte Pronomen»

Trans Frau Nadia Brönimann spricht am 7. November vor der Menschenrechtskommission in Genf. Sie fordert: Keine Transition vor 18 Jahren.
«Geschlechtsanpassungen verkommen zum woken Lifestyle»

Die bekannteste Schweizer trans Frau Nadia Brönimann wird am 7. November vor dem Grossen Rat der Menschenrechtskommission in Genf für ihr Anliegen einstehen: Transition nicht bei Minderjährigen durchzuführen.
Publiziert: 03.11.2024 um 00:41 Uhr
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Aktualisiert: 03.11.2024 um 08:36 Uhr
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Die bekannteste Schweizer trans Frau Nadia Brönimann nennt sich heute Chris/Nadia.
Foto: Thomas Meier

Auf einen Blick

  • Nadia Brönimann ist im Prozess der Detransition
  • Sie kritisiert frühe medizinische Eingriffe bei Jugendlichen
  • Zahl der Operationen stieg von 248 auf 525 (2019–2022)
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Nadia Brönimann (55) ist die bekannteste trans Frau der Schweiz. Mittlerweile nennt sie sich Chris/Nadia und ist im Prozess der Detransition. Der emotionalen und äusserlichen Annäherung an ihr ursprünglich männliches Geschlecht. «Nadia wurde für mich immer mehr zur gespielten, geschminkten Rolle, die mit meinen Empfindungen nur noch wenig zu tun hatte. Nun gebe ich Chris mehr und mehr Platz. Wohin meine Reise führt, weiss ich noch nicht.» Die kurzen Haare und der Verzicht auf Make-up sind für sie ein Ausdruck ihres Prozesses. «Seit meinem Outing, mich nicht mehr nur als Frau zu identifizieren, obwohl ich dies körperlich nach wie vor bin und Stand jetzt auch vorerst bleibe, hört man mir überraschenderweise vermehrt zu. Dies freut mich, denn es ist wichtig.»

Die Geschlechtsanpassung von Christian zu Nadia, die operativ vor 26 Jahren stattfand, bereut sie. Dadurch polarisiert sie. «Für Aktivisten innerhalb der Transcommunity bin ich ein Feindbild, werde als transphob beschimpft.» Entsprechend werde sie ausgegrenzt und boykottiert. Sie sagt aber: «Ich bleibe unbeirrt, denn ich setze mich für eine Thematik ein, die von enormer Wichtigkeit und Dringlichkeit ist, damit zukünftig Jugendliche bestmöglich vor Fehlentscheidungen bewahrt werden.» Hier sei erwähnt, ihr ist es egal, mit welchem Pronomen sie angesprochen wird. Wir verwenden in Absprache mit ihr das Weibliche. Medizinisch ist sie eine operierte trans Frau. Und genau um das geht es ihr. Um medizinische Massnahmen für Geschlechtsangleichungen, die ihrer Meinung nach bei uns viel zu früh vorgenommen werden.

Brustamputationen bei 24 Minderjährigen

Gemäss Bundesamt für Statistik ist zwischen 2019 und 2022 die Zahl der geschlechtsangleichenden Operationen von 248 auf 525 gestiegen, das ist mehr als doppelt so viel. 24 Personen, die sich im Jahr 2022 einer Mastektomie (Brustamputation) unterzogen, waren minderjährig.

Darüber wird Brönimann auch am 7. November vor dem Grossen Rat der Menschenrechtskommission in Genf sprechen, wozu sie eingeladen wurde. «Ich fordere, dass Hormone zur Geschlechtsangleichung nicht an Minderjährige verschrieben werden dürfen, medizinische Eingriffe schon gar nicht.» Die pubertäre Entwicklung soll unversehrt durchlaufen werden, Jugendliche hätten ein Recht darauf. «Ich prangere das affirmative und experimentelle System in der Schweiz an, bei dem die Selbstdiagnose junger Menschen ausschliesslich und unreflektiert bejaht wird. Es fehlt eine gründliche, medizinische, geistige und seelische Abklärung.»

Brönimann geht es um ganzheitliche Abklärungen nach den medizinischen und juristischen Regeln. «Geht es wirklich um das dringliche, dauerhafte Bedürfnis einer Geschlechtsanpassung, oder stehen andere psychische Probleme im Vordergrund?» Es gibt keine Studien, die belegen, dass dieser Schritt jemanden heilen kann. «Vieles kann den Wunsch nach einer Transition auslösen, auch der falsche Beweggrund. Leider gibt es heute keinen Widerspruch, wenn bereits ein zwölfjähriges Kind sagt, es sei im falschen Körper und wolle eine Anpassung. Ab 14 Jahren braucht es keine Einwilligung der Eltern zur Verabreichung von Hormonen und Pubertätsblockern. Niemand darf dies verweigern, nicht einmal infrage stellen. Es ist zwar eine Psychotherapie angedacht, jedoch zeigt die Praxis ein anderes Bild. Viel zu schnell wird zu medizinischen Massnahmen geraten.»

Chaosjahre der Pubertät müssen geschützt werden

Für Brönimann ist es absurd, «dass Tattoos und Piercings nicht ohne elterliche Zustimmung bei Minderjährigen gemacht werden dürfen. Aber einen medizinisch und psychisch so weitreichenden Schritt einer Geschlechtsangleichung kann man vorher ohne elterliches Okay machen. Das finde ich verantwortungslos». Eltern müssen in den Prozess integriert werden, da sie ihr Kind am besten kennen und wissen, ob es schon als Kleinkind Transgedanken hatte. «Sollte dies der Fall sein, kann dieser Weg der Richtige sein.»

Ihr geht es um die Chaosjahre der Pubertät, die von Eltern, Fachleuten und der Gesellschaft geschützt werden müssen. «Da passiert doch so viel in einem Menschen. Es ist die Zeit des Wandels und der Entdeckung der Sexualität. Eine Berg-und-Tal-Fahrt der Gefühle, eine Zeit des Experimentierens, dies gehört zur Pubertät. Teenager können die Komplexität und Tragweite einer Transition in dieser Phase noch gar nicht begreifen.» Worüber in Foren viel zu wenig diskutiert werde und bei der Aufklärungsarbeit ungern gesprochen würde, «sind mögliche starke Schmerzen, ein Leben lang Medikamente zu sich nehmen und eventuelle neue psychische Probleme und körperliche Beschwerden».

Dann müssen die Alarmglocken läuten

Für Brönimann stellt die Social-Media-Welt – durch die Wiederholungen des Algorithmus – dabei eine grosse Gefahrenquelle dar. Jugendliche werden so ständig in ihrer Selbstdiagnose, trans zu sein, bestätigt. «Geschlechtsanpassungen verkommen so zum woken Lifestyle», sagt sie und ergänzt: «Für diesen Satz werde ich einen riesigen Shitstorm bekommen, aber bitte schreiben Sie ihn, ich stehe dazu.» Es müssten bei allen die Alarmglocken läuten, wenn ein 14-jähriges Kind, das nie Anzeichen gab, plötzlich verkündet, trans zu sein.

Gemäss Brönimanns eigener Erfahrung und Gesprächen mit Fachleuten gebe es viele Faktoren, die zu einem vermeintlichen Transgefühl führen können. Sie ist überzeugt: «Kein Mensch wird im falschen Körper geboren. Es sind Familie, Erziehung, das Umfeld, Begegnungen und Erlebnisse, die uns prägen. Lasst uns darüber und miteinander reden. In der Community, mit Fachleuten, aber auch in der Politik.»

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