Tagesschau-Legende Heiri Müller
«Wir brauchen kein Viagra, wir haben uns sehr gern»

Heiri Müller (63) spricht über die Liebe zu seiner Frau Ruth (56). Nach 17 Jahren Ehe ist sie noch grösser. Aber auch anders.
Publiziert: 23.04.2010 um 20:19 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 01:07 Uhr
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Von Peter Padrutt (Text) und Susi Bodmer (Fotos)

Es ist kurz vor halb acht und wir sitzen hier gemütlich am Greifensee. Ärgert es Sie, dass Sie die «Tagesschau» verpassen?
Heiri Müller: (schaut auf seine Uhr und lacht) Wir haben noch fünf Minuten Zeit für unser Gespräch. Nein, im Ernst, an so einem schönen Frühlingsabend verpassen wir nichts.
Ruth: Weisst du noch, Heiri? Früher haben wir die Sendung immer zusammen im Kennedy-Schaukelstuhl angeschaut.

Und jetzt tun Sie das nicht mehr?
Heiri: Ich habe inzwischen andere Prioritäten. Ich bin abends oft noch in meinem Gärtchen, das ich hege und pflege. Oder ich schaue mir täglich um halb acht die Kochsendung von Sarah Wiener auf Arte an.

Und was kocht Heiri Müller?
Ruth: Seine Schnecken sind ausgezeichnet.
Heiri: Ich habe in dieser spannenden Sendung gelernt, dass man oft zu üppig, zu viel anrichtet. Gestern gab es bei uns knackige Spargeln und Reis – fertig!

Die «Tagesschau» schauen Sie sich nicht mehr an?
Da erfahre ich, dass es in Afrika nichts Gutes gibt. Dabei hat es so viele liebe Menschen dort – wie Ruth. Es sind auch nicht alle Regierungen so schlecht, wie oft dargestellt wird.

Ruth, was machen Sie abends um 19.30 Uhr?
Ruth: Dann telefoniere ich oft mit meinem Vater. Er ist ein jung gebliebener alter Mann und lebt in einem kleinen Dorf im Nordosten von Nigeria. Er hat es bis zum Parlamentarier geschafft, läuft heute in schönen, farbigen Gewändern herum. Auch mit meinen fünf Brüdern und meiner Schwester spreche ich jede Woche mehrmals.
Heiri: Wenn Ruth telefoniert, ist das spannend. Sie gestikuliert, debattiert, wälzt Probleme. Manchmal ruft sie ihrem Sohn aus erster Ehe in den USA an. Ich habe eine «World Citizen» zu Hause. Dank Ruth bin ich mit der ganzen Welt verbunden.

Heiri Müller, Sie stehen seit der Pensionierung oft auf der Bühne. Hand aufs Herz, Ruth: Liebt er seine Musik mehr als Sie?
Ruth: Schon mich.
Heiri: Aber sicher.

Sie haben sich durch die Musik kennengelernt?
Ruth: Ja, er war mein Gitarrenlehrer, aber nicht lange.
Heiri: Zuerst fielen mir ihre schönen langen Finger auf. Kennengelernt haben wir uns in Nigeria auf dem Fussballplatz der amerikanischen Schule von Jos. Ich war 26 und Dozent – sie 18, eine himmlische Fee. Eines meiner Lieder fängt auch so an: «Auf dem Tschuttiplatz han ich sie gseh ...»

Und dann haben Sie sich aus den Augen verloren.
Heiri: Genau. 21 Jahre später habe ich zufällig erfahren, dass sie in den USA lebt und inzwischen geschieden ist. Ich habe ihr eine Karte geschrieben. Dann hast du was sehr Mutiges gemacht, Ruth. Weisst du noch?
Ruth: Ja, ich rief dich an!

Warum taten Sie das?

Ruth: Ich erinnerte mich, dass Heiri gut aussah. Zudem hatte er mir als Mädchen imponiert: Er schämte sich nicht, mit einer der wenigen Schwarzen an der Schule zusammen zu sein.
Heiri: Ich nehme heute Ruths Hautfarbe gar nicht mehr wahr. Ich habe in Afrika verlernt, schwarz oder weiss zu unterscheiden. Aber Ruth erlebt traurige Sachen.
Ruth: Als ich jung war, fragten mich Männer oft: «Wie viel verlangst du?» Auch heute erlebe ich noch Rassismus.

Wie äussert sich das?
Ruth: Vor zwei Wochen war ich in einem überfüllten Zug unterwegs. Dann musste ich aussteigen. Ich zwängte mich an einem älteren Schweizer Paar vorbei. Die Frau sagte: «Das ist diese Art von Leuten, die den ganzen Zug verpesten!» Das hat mich wütend gemacht.

Kommt so was oft vor?
Ruth: Leider immer wieder. Am meisten erstaunt es mich, wenn man mir, wie kürzlich, ein gut angezogener Business-Mann im Tram plötzlich «Negerschlampe» nachruft. Ich arbeite übrigens im Back Office einer Bank.
Heiri: Manchmal merke ich, dass Ruth abends deprimiert ist. Manchmal will sie über solche Vorfälle mit mir reden – manchmal kann sie es auch nicht.
Ruth: Ja, aber ich muss sagen, dass es auch sehr viele gute Schweizer gibt. Wir haben wunderbare Nachbarn und ich mag die Leute hier im Dorf.
Heiri: Das Schlimme ist, dass Leute so etwas nie sagen würden, wenn ich dabei bin. Mein Statement gegen Rassismus ist, dass ich auf jeder meiner CDs ein afrikanisches Lied habe.
Ruth: Weisst du, Heiri, mir tut es viel mehr weh, wenn Menschen dumme Sprüche über dich machen. Dass du ein Bünzli seist oder in deinem Alter keine Musik mehr machen sollst.

Wie ist Ihre Liebe nach 17 Jahren Ehe?
Ruth: Als wir heirateten, war sicher alles aufregender. Aber heute ist die Liebe tiefer.
Hat sich die Sexualität verändert?
Ruth: Wir sind irgendwie gute Freunde geworden, das ist auch sehr wertvoll.
Heiri: Die Sexualität hat sich schon verändert. Ich spüre mein Alter. Da schliesse ich alles ein: Die Energie, die Potenz – vieles geht zurück. Ich empfinde das Schwinden der sexuellen Energie schon auch als Verlust.

Aber es gibt doch eine einfache Lösung: Viagra.
Heiri: Ich brauche kein Viagra. Ich finde, man soll akzeptieren, dass im Alter die sexuelle Energie einfach abnimmt. Ich kann ja auch nicht mehr rennen wie mit 30. Aber das heisst nicht, dass ich und Ruth uns nicht sehr gern haben.

Aber Sie sprechen von einem Verlust. Etwas fehlt.
Heiri: Ich habe einen Weg gefunden, meine Melancholie über die reduzierte sexuelle Kraft in meinen Liedern auszudrücken. Aber sag, Ruth, fühlst du dich
zu wenig geliebt, wenn ich in einem Song von den Gefühlen zu einem jungen Mädchen erzähle? Wir streiten ja manchmal über solche Texte.
Ruth: Ich denke dann, es ist nur die Fantasie eines älteren Mannes. Aber früher war ich eifersüchtiger auf dich. Zum Glück warst du noch nicht Sänger!
Heiri: Ja, als «Tagesschau»-Moderator wurde ich halt umschwärmt, war auch beruflich oft mit rassigen Frauen zusammen. Für Ruth war es nicht immer einfach, das einzuordnen.

Sie haben keine Kinder.
Ruth: Ich war schon 39, als wir wieder zusammenkamen.
Heiri: Und ich hatte Angst, ein alter Vater zu sein. Zudem hatten wir in meiner Familie einen Fall eines Kindes mit Down-Syndrom. Meine Grossmutter war 40, als sie nochmals schwanger wurde. Das Kind war mein Onkel, lebte lange mit uns zusammen.

Heute ist die Musik Ihr Kind, Heiri Müller?
Heiri: Sie ist schon sehr wichtig. Manchmal bin ich etwas traurig, dass ich weniger für Konzerte gebucht werde. Früher konnte ich vom «Tagesschau»-Bonus profitieren. Es gibt immer noch Leute, die mich nicht als vollwertigen Musiker akzeptieren. An den Konzerten blüht das Publikum aber dann richtig auf!
Ruth: Wenn ich Heiri auf der Bühne als Sänger und Performer sehe, bin ich stolz!

Man spürt, dass Sie sich gut mögen, da gibt es viel Halt. Wie ist das in zehn Jahren?
Heiri: Ich mache mir manchmal Gedanken, was mit Ruth passiert, wenn ich nicht mehr lebe. Ich habe ihr gesagt, sie soll dann nach Afrika zurückkehren. Ich weiss nicht, ob sie hier in der Schweiz alleine glücklich wäre.

Werden Sie das, Ruth?
Ruth: Ich bin in der Schweiz schon stark verwurzelt. Und ich möchte mir so was gar nicht vorstellen. Heiri ist das Wichtigste in meinem Leben.

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