SRG-Manager über ESC
Ist Nemo eine Mimose, Herr Walden?

Der Nahostkonflikt hat den ESC von Malmö überschattet. Eine interne Untersuchung ging Missständen nach. Erstmals nimmt SRG-Manager Bakel Walden Stellung und kündigt für Basel Safe Spaces an.
Publiziert: 20.10.2024 um 12:54 Uhr
Wer Nemo kritische Fragen stellt, muss damit rechnen, dass Nemo das Interview abbricht.
Foto: IMAGO/Jessica Gow/TT
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Auf einen Blick

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Raphael RauchBundeshausredaktor

Herr Walden, ist Nemo eine Mimose?
Bakel Walden: Nein. Nemo hat eine klare Meinung, und das ist wichtig. Dass bei den ESC-Teilnehmenden Emotionen klar spürbar sind, ist völlig okay. Die Anspannung ist sehr hoch, gerade im Finale.

Die israelische Sängerin Eden Golan wollte Nemo zum Sieg gratulieren, doch Nemo wandte sich von ihr ab. Wer Nemo hierzu kritische Fragen stellt, muss damit rechnen, dass Nemo das Interview abbricht.
Nemo kann Interviews führen, wie Nemo will. Aus Sicht des ESC ist wichtig: Wie gehen wir in einer polarisierten Welt voller geopolitischer Konflikte miteinander um? Wie schaffen wir es, Brücken zu bauen? Da ist der ESC eine besondere Chance, eben diese Brücken durch Musik zu bauen und Menschen zusammenzubringen.

Haben Sie Hemmungen, Nemo zu kritisieren?
Es ist doch albern, mit dem Finger auf andere zu zeigen und zu sagen: Der hat das gemacht und die hat das gemacht. Wir kehren vor unserer eigenen Haustür und schauen: Welche Fehler haben wir als Eurovision in Malmö gemacht – und was muss in Basel besser laufen?

Nemo sagte zu Blick: «Ich finde, die Menschen, die den ESC organisieren, haben auch die Verantwortung, Dinge aufzuklären. Das kann nicht auf die Künstler*innen abgeschoben werden.»
Eine dänische Kollegin hat die Vorfälle von Malmö untersucht. Der Bericht ist vertraulich, weil die Menschen nur unter Zusicherung von Vertraulichkeit Klartext reden. Wir nehmen unsere Verantwortung wahr und haben bereits erste Massnahmen beschlossen. Malmö war ein tolles ESC-Finale – aber ein paar Dinge dürfen sich nicht wiederholen.

Was darf sich nicht wiederholen?
Wir müssen besser kommunizieren: vor, während und nach dem ESC. Wir haben künftig ein eigenes Krisenmanagement, stärken die Kommunikation und arbeiten sehr eng mit dem SRG-Projektteam zusammen. Wir von der EBU machen den Wettbewerb, die SRG mit Basel zusammen den Event. 

War die Entscheidung richtig, den niederländischen Sänger Joost Klein vom Finale auszuschliessen?
Ja. Unser Verhaltenskodex ist eindeutig, und er bringt nur dann etwas, wenn wir konsequent handeln. Joost Klein hat sich gegenüber einer Kamerafrau unangemessen verhalten und sich damit disqualifiziert. 

Wenn Sie alles richtig gemacht haben: Warum zögern die Holländer, nächstes Jahr teilzunehmen?
Die Niederlande warten ab, welche Konsequenzen wir aus Malmö ziehen, und haben gebeten, die Anmeldefrist zu verlängern. Die EBU hatte mit den niederländischen Kollegen sehr konstruktive Gespräche, und wir würden uns sehr freuen, wenn sie nächstes Jahr wieder dabei wären.

Ein Kritikpunkt lautet: Es gibt für die Künstler keinen Safe Space. Obwohl sie das Rampenlicht suchen, wollen sie nicht ständig gefilmt werden.
Wir haben als ESC eine Fürsorgepflicht und werden das Thema Wohlbefinden künftig verstärkt anschauen. In Basel wird es Rückzugsräume geben, wo nicht gefilmt werden darf und sich die Künstlerinnen und Künstler in Ruhe erholen können.

Wird in Ihrem Verhaltenskodex stehen, dass Künstler andere Künstler nicht mobben dürfen? Manche haben sich gegenüber der israelischen Künstlerin schäbig verhalten.
Ich appelliere an den gesunden Menschenverstand. Wir erwarten einen fairen, respektvollen Umgang miteinander und ein neutrales, unpolitisches Verhalten während der drei Minuten auf der Bühne und im Umfeld der Shows. 

Wer definiert, was politisch ist? Warum ist die Regenbogenfahne erlaubt, nicht aber eine gelbe Schleife, die die Befreiung der israelischen Geiseln fordert?
Ich verstehe Ihren Punkt, aber wenn wir auf der Bühne alles zulassen würden, würde der ESC in ein paar Jahren auseinanderbrechen. 

Aber der ESC ist so oder so hochpolitisch. Nicole hat mit «Ein bisschen Frieden» 1982 den ESC gewonnen.
Der ESC steht für Meinungsfreiheit. Die Künstlerinnen und Künstler können sich zu allem äussern und auch vor der Halle demonstrieren. Aber auf der Bühne braucht es gewisse Regeln.

Basel hat in der ESC-Bewerbung den Zionistenkongress erwähnt. Basel gilt als Geburtsstadt der zionistischen Bewegung. Was werden Sie tun, damit Israel-Hasser das nächstes Jahr nicht ausschlachten?
Wir achten darauf, den ESC so neutral wie möglich zu gestalten. Antisemitismus hat auf dem ESC nichts zu suchen.

Wie wollen Sie das Dilemma lösen: ein unpolitischer ESC in sehr politisierten Zeiten?
Wir wollen einen ESC, bei dem alle mit Herzblut dabei sind. Wir können während des ESC die vielen Kriege und Konflikte auf der Welt nicht lösen. Aber es ist ein starkes Statement, wenn wir fair, friedlich und respektvoll miteinander umgehen.

Verraten Sie uns, wer den ESC moderieren und ob Céline Dion kommen wird?
Die konkreten Planungen der Shows stehen noch nicht fest. Es wird sicherlich viel Überraschendes geben. Aber ich war von Céline Dions Auftritt und der gesamten Eröffnungsshow der Olympischen Spiele in Paris begeistert. 

Nach dem ESC-Finale in Basel verlassen Sie die SRG. Warum hat die neue SRG-Direktorin Susanne Wille ein Problem mit Ihnen?
Susanne und ich haben kein Problem und sind sogar freundschaftlich verbunden. Nach zwölf Jahren habe ich Lust, etwas anderes zu machen.

Kaum zu glauben.
Ich weiss (lacht). Niemand glaubt, dass man die SRG freiwillig verlassen kann, aber bei mir ist es wirklich so.

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