Blick: Herr Gredig: In 35 Ausgaben «Gredig direkt» haben sie 35 verschiedene Persönlichkeiten jeglicher Couleur begrüssen dürfen. Welche Begegnung hat sie auch noch am heimischen Küchentisch beschäftigt?
Urs Gredig: Da gibt es zwei. Einerseits das Gespräch mit der deutschen Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die ehemals mächtigste Frau der Welt ist dann plötzlich einfach eine Frau, die dir für ein Interview gegenübersitzt.
Aber dann eben doch Angela Merkel.
Sie ist sehr dezidiert und bestimmt – aber mit Menschlichkeit und Wärme. Ausserdem war sie sehr gut vorbereitet. Sie hat sich vor unserem Interview beispielsweise alte Sendungen angesehen. Das macht natürlich Spass – und ist ein Kompliment.
Sie haben noch ein zweites Gespräch angetönt.
Das war mit Caroline Darian (Tochter des französischen Vergewaltigers Dominique Pelicot, Anm. d. Red.). Sie hat ein Buch über ihre wahnsinnige Familientragödie geschrieben – das hat mich am meisten gefordert. Einerseits war es natürlich die französische Sprache, andererseits die Thematik. Du sprichst mit einem Opfer und musst die Tonalität ganz genau treffen. Eigentlich ist jede Frage ein krasser Eingriff in die Privatsphäre. Aber das ist ja genau das Spannende ...
... weil?
... ich jeweils auch nicht weiss, was das mit mir macht, wie ich reagiere. Ich habe aber ein tolles Team, mit dem ich jedes Gespräch nachbespreche. Und selbstverständlich: Bei Themen und Personen, die besonders nachhallen, ist meine Frau meine erste Ansprechpartnerin.
Urs Gredig (55) liebt die Abwechslung. Denn die hart erarbeitete Stelle als Moderator der «Tagesschau»-Hauptausgabe gab er nach drei Jahren überraschend wieder ab, um als Korrespondent aus Brüssel (Belgien) zu berichten. Nach einem Abstecher zum «Club» wechselte er später gar für einige Zeit zum mittlerweile eingestellten Finanzsender CNN Money. Seit Anfang 2020 ist er zurück am Leutschenbach und führt neben «10 vor 10» auch durch seinen wöchentlichen Talk «Gredig direkt». Urs Gredig ist verheiratet und hat mit seiner Frau zwei Kinder.
Urs Gredig (55) liebt die Abwechslung. Denn die hart erarbeitete Stelle als Moderator der «Tagesschau»-Hauptausgabe gab er nach drei Jahren überraschend wieder ab, um als Korrespondent aus Brüssel (Belgien) zu berichten. Nach einem Abstecher zum «Club» wechselte er später gar für einige Zeit zum mittlerweile eingestellten Finanzsender CNN Money. Seit Anfang 2020 ist er zurück am Leutschenbach und führt neben «10 vor 10» auch durch seinen wöchentlichen Talk «Gredig direkt». Urs Gredig ist verheiratet und hat mit seiner Frau zwei Kinder.
Nachgehallt hat auch Ihr Gespräch mit dem deutschen Liedermacher Konstantin Wecker. Ende November enthüllte eine Recherche der «Süddeutschen Zeitung», dass Wecker als 63-Jähriger eine Beziehung zu einer 15-jährigen Schülerin hatte. Nur wenige Wochen zuvor hatte er bei Ihnen in der Sendung sein neues Buch promotet. Ist Ihnen das um die Ohren geflogen?
Es ist mir sehr wichtig, zu betonen: Zum Zeitpunkt des Interviews hatte ich keinerlei Kenntnis darüber. Andernfalls hätten wir das selbstredend angesprochen – oder uns grundsätzlich überlegt, ob wir ihn einladen sollen. Diese Enthüllungen haben mich sehr erschrocken – zumal es in seinem Buch ja auch um sein wildes Leben geht. Das war im Nachhinein unglücklich ...
... aber?
... es ist nicht so, dass wir ein Versäumnis oder einen Fehler gemacht hätten. Was die «Süddeutsche Zeitung» recherchiert hat, wirft einfach einen grossen Schatten auf einen Künstler, der viel Gutes getan und sich politisch sehr engagiert hat.
Nur wenige Wochen später war ESC-Star Nemo bei Ihnen zu Gast. Eine weitere Person, die für sehr viel Gesprächsstoff sorgt – und polarisiert.
Genau das sind die spannendsten Gäste! Ich habe da eine wichtige Grundprämisse: Ich will jeder Person auf Augenhöhe begegnen. Dazu gehört – wie auch bei Nemo –, dass ich in jedes Gespräch ohne Vorbehalte gehe. Klar ist: Auch Nemo musste sich bei «Gredig direkt» der persönlichen Kritik stellen. Nemo hat aber auch viel von seinen Träumen und persönlichen Kämpfen gesprochen.
Vielerorts wurde gefordert, dass man Nemo mit seiner Haltung zu Israel und der Teilnahme des Landes am ESC nicht noch mal eine Bühne geben sollte.
Uns ist bewusst, dass nicht alle Gäste unserem Publikum passen. Wir hören aber auch von vielen Seiten, dass es schön ist, dass wir diese Art der Auseinandersetzung in einem Talkformat anbieten.
Stars wie Nemo stehen wie wenige andere für Wokeness – davon gäbe es zu viel bei den öffentlich-rechtlichen Sendern, sagen viele. Wie sehen Sie das?
In erster Linie ist es wichtig, dass wir diese Diskussion überhaupt führen. Bei SRF herrschen überall dieselben publizistischen Leitlinien, die eine politische Ausgewogenheit vorgeben.
SRF ist also nicht zu links?
Die Gästeliste bei «Gredig direkt» belegt, dass wir punkto Balance sehr gut unterwegs sind. Wir hatten ja nicht nur Nemo, sondern beispielsweise auch SVP-Bundesrat Albert Rösti in der Sendung. Auch eine Alice Schwarzer, die Ur-Feministin, kann sich bei uns kritisch zum Thema Transgeschlechtlichkeit äussern. Für uns ist es wichtig, dass wir das ganze Spektrum von Themen, Meinungen und Gästen abdecken. Und das gelingt uns meiner Meinung nach sehr gut.
Im März steht der SRG die Halbierungsinitiative in die Tür, die Diskussionen um den Service public nehmen unweigerlich Fahrt auf – der Ausgang der Abstimmung ist noch nicht abzuschätzen. Haben Sie Angst?
Natürlich bewegt mich das Thema. Alle im Haus merken, worum es jetzt geht. Es mag seltsam klingen, aber: Ich sorge mich nicht primär um mein eigenes Format – sondern ganz grundsätzlich. Das beste Argument gegen die Initiative ist jedoch, der Bevölkerung ein qualitativ hochwertiges Programm zu bieten. Das kann ich mit meinem Engagement beeinflussen – damit unser Publikum sieht und spürt, welchen Wert und Nutzen SRF hat.
Wo ist die SRG angreifbar?
Das kann ich so nicht beantworten. Ich kann auch nicht für alle unsere Formatinhalte sprechen. Es liegt in der Natur der Sache, dass einige mehr interessieren als andere. Unsere Stärke ist es aber ja genau, dass wir über gewisse Themen berichten können, die in anderen Medien vielleicht keinen Platz mehr finden.
Urs Gredig, was nehmen Sie aus Ihren vielen Gesprächen fürs nächste Jahr mit?
Eine gewisse Gelassenheit, eine gewisse Hoffnung – und Mut. Da bleibt mir Büne Huber beispielsweise in bester Erinnerung. Er ist ein Mensch, der immer mehr gibt, als er nimmt. Oder die Entwicklungshelferin Lotti Latrous, die mir bewiesen hat: Wenn wir geben, werden wir eigentlich reicher.
«Gredig direkt – Menschen 2025»: Der grosse Jahresrückblick wird am Freitag, 26. Dezember 2025, um 20:10 Uhr auf SRF 1 ausgestrahlt.