Darum gehts
- Zurich Pride: Prominente setzen sich für Sichtbarkeit trotz verschärfter weltweiter Lage ein
- Queerfeindliche Rhetorik wird mit Aufstieg rechtspopulistischer Parteien wieder salonfähig
- In den USA wurden über 900 queerfeindliche Vorfälle in 12 Monaten dokumentiert
Diesen Samstag wird in Zürich wieder gefeiert, demonstriert und getanzt: Die Zurich Pride zieht jedes Jahr Zehntausende in die Stadt. Bunte Fahnen werden geschwenkt, Glitzer weht durch die Luft und Beats wummern durch die Gassen. Doch dieses Jahr wird der sonst so stolze und fröhliche Protestumzug getrübt. Es liegt eine Schwere über der Parade, die sich nicht einfach wegtanzen lässt.
Denn die weltweite Lage für LGBTQ-Menschen – insbesondere für trans und nichtbinäre Personen – hat sich 2025 dramatisch zugespitzt. In den USA wurden in den vergangenen zwölf Monaten über 900 queerfeindliche Vorfälle registriert, rund die Hälfte davon richtete sich gezielt gegen trans Personen. Die Trump-Regierung verschärft diesen Kurs: Trans Menschen wird der Zugang zu medizinischer Versorgung verwehrt, der Militärdienst untersagt, queere Inhalte werden aus dem Bildungssystem gestrichen.
Pride-Veranstaltungen verboten
In Grossbritannien entschied das oberste Gericht vor kurzem, der Begriff «Frau» sei ausschliesslich biologisch zu definieren – ein juristischer Affront gegen trans Frauen. In Ungarn und Georgien sind Pride-Veranstaltungen verboten und die Rechte der LGBTQ-Community werden zunehmend eingeschränkt. Auch in der Schweiz ist Akzeptanz weder selbstverständlich noch garantiert, wie Diffamierungen an der Pride St. Gallen 2023 zeigen.
«Ich ging immer davon aus, dass es irgendwann einen Backlash geben könnte und alles, was wir an gesellschaftlichem Fortschritt erreicht haben, nicht mehr selbstverständlich sein würde», sagt Moderator Patrick Rohr (57) zu Blick. «Dass der Backlash so schnell und heftig kommen würde, hätte ich allerdings nicht erwartet. Ich finde es zum Beispiel sehr traurig und beschämend, dass Firmen, die sich erst gerade noch grosszügig für Gleichstellung und Diversität eingesetzt haben, plötzlich in vorauseilendem Gehorsam und aus Angst vor der US-Regierung eine Pride nicht mehr unterstützen.»
«Dürfen auf Hetze nicht reinfallen»
Auch für Politikerinnen und Kulturschaffende aus der Schweizer LGBTQ-Szene ist die Teilnahme am Protestumzug dieses Jahr Pflicht. «Ich nehme an den Prides und CSDs teil, weil es wichtiger denn je ist, dass es keinen falschen Weg gibt, eine Frau zu sein», sagt Aktivistin und SP-Nationalrätin Anna Rosenwasser (35). «Ich bin unglaublich gerne eine frauenliebende Frau, und ich stehe Schulter an Schulter mit trans Frauen! Momentan wird viel Empörung generiert mit Falschbehauptungen, vor allem über trans Menschen. Wir dürfen auf diese Hetze nicht reinfallen.»
Léa Spirig (45), künstlerische Leiterin Casinotheater Winterthur, fordert: «Wir müssen weiter laut bleiben und freudig durch den Regenbogentag tanzen. Gerade in Zeiten, da wir queere Menschen wieder vermehrt angegriffen, herabgewürdigt und unsichtbar gemacht werden, ist es zentral, dass wir alle zusammenstehen, uns zeigen und uns auch vor vulnerablere Personen aus unserer Community stellen. Hass – auch homophober – ist nie eine Meinung.»
Mit dem Aufstieg rechtspopulistischer Parteien rund um den Globus wird queerfeindliche Rhetorik wieder salonfähig. Schwule, lesbische, trans und nichtbinäre Menschen, deren Leben über Jahre hinweg sichtbar und sicherer geworden war, sehen sich erneut zur Zielscheibe gemacht.
«Wir hören nicht auf, laut zu sein»
Dieses beklemmende Gefühl beschäftigt auch Sängerin Tiziana Gulino (28): «Sichtbarkeit ist wichtiger denn je. Wir müssen zusammenhalten und stark bleiben, um uns die Freude am wahren Ich und die grenzenlose Liebe unserer Regenbogenfamilie nicht nehmen zu lassen.» Dieser Meinung ist auch Dragqueen Gossipa (39): «Wir lassen uns nicht zurück in den Schatten drängen – wir sind nicht zu viel. Wir sind genau richtig und wir hören nicht auf, laut zu sein!»
Chris-Nadia Brönimann (56), bekannteste trans Person der Schweiz sieht in der aktuellen Krise auch eine Chance. «Wenn wir alle zusammenhalten. Egal ob queer oder nicht, ob cis oder trans und eine konstruktive Auseinandersetzung miteinander haben, dann sind wir eine Menschheitsfamilie, die sich in dieser wunderbaren Vielfalt feiern darf.» Gerade in Zeiten von Krieg und düsteren Nachrichten tue ein kraftvoller, lebensbejahender Event gut, findet Eventveranstalter Reto Hanselmann (43): «Nirgendwo sonst spürt man so viel Wärme, Vielfalt und Lebensfreude. Es ist schön, an der Pride ein sichtbares Zeichen für Zusammenhalt, Toleranz und Liebe zu setzen.»
Model Tamy Glauser (40) erklärt abschliessend: «Ich wünsche mir, dass alle endlich mal begreifen, dass Homosexualität etwas ganz Natürliches und von der Natur so Vorgesehenes ist. Sonst würde es uns nicht geben. Ausserdem kann man nicht abstreiten, dass wir die Welt bunter und vielfältiger gestalten. Und wer hat den bitteschön etwas gegen Farben?»