Sie haben Ihre Tochter Jamileh alleine erzogen. Wie haben Sie das gemanagt?
Noëmi Nadelmann: Ich hatte natürlich meine Hilfen. Allen voran meine wunderbare Mama. Verreiste ich für mehr als ein paar Tage, kam Jamileh mit, immer zusammen mit einer Nanny. In San Diego zum Beispiel schickte ich sie in die Schule.
Was war besonders schwierig?
Noëmi: Organisation und die Auswahl der geeigneten Leute ist alles. Und wehe, die Nanny ist mal krank!
Wie umschreiben Sie Ihren Charakter? Wie den von Jamileh?
Noëmi: Sicherlich sind wir beide empfindsam, auf unterschiedliche Weise. Jedoch sind wir beide auch ziemlich hart im Nehmen.
Noch im August zieht Ihre Tochter nach New York. Wie schwer fällt Ihnen das?
Noëmi: Ich bin sehr stolz auf mein Kind. Sie wurde von der renommierten Parsons The New School for Design aufgenommen. Meine eigene Studienzeit in Amerika gehört zu den besten zwei Jahren meines Lebens. Ich wohnte in einem Studentenheim, habe sehr intensiv gearbeitet und viel Spass und Leichtigkeit erlebt. Diese Kombination wünsche ich meiner Tochter auch.
Jamileh Nadelmann, wie ist es für Sie, so weit weg von zu Hause zu sein?
Jamileh Nadelmann: Ich bin immer mal wieder für ein paar Monate weg, das letzte Jahr lebte ich in London, kam nur für die Ferien nach Hause. Dass mal ich, mal meine Mutter weg ist, damit bin ich aufgewachsen.
Ihre Mutter ist Weltstar, Diva, berühmt und beliebt. Wie erleben Sie sie?
Jamileh: Zu Hause ist sie einfach meine Mutter, meine Vertraute. Da hat der Beruf überhaupt keinen Einfluss. Ich höre sie sehr oft singen, das unterscheidet sie wohl am meisten von anderen Mamis (lacht).
Sie studieren Modedesign, beraten Sie auch Ihre Mutter?
Jamileh: Sie fragt mich immer mal wieder, wie etwas aussieht. Das freut mich sehr.
Noëmi: Von vier Mal sagt sie einmal: Das geht überhaupt nicht.
Sie mussten als Kind oft auf Ihre Mutter verzichten. Hat Sie Ihnen gefehlt?
Jamileh: Ja sehr. Je jünger ich war, desto mehr hat sie mir gefehlt. Je älter ich wurde, desto mehr habe ich verstanden, dass sie wiederkommt. Es war halt so: Mami war weg, und das war hart.
Noëmi: Ich habe ihr immer gesagt, Mami geht «Milchi» verdienen. Bis zur sechsten Klasse habe ich sie überallhin mitgenommen. Habe sogar auf ein hochdotiertes Engagement in Tokio verzichtet, weil ich nicht über Wochen von ihr getrennt sein wollte.
Wenn Sie aneinandergeraten, worum geht es dann?
Noëmi: Es geht weniger um die Themen, sondern um die Art, damit umzugehen. Jamileh sagt immer alles geradeheraus, sie ist eine enorm starke und selbstbewusste Persönlichkeit. Ich bin schnell beleidigt, fühle mich auf den Schlips getreten. Wenn wir streiten, gehe ich ins Zimmer, mache die Türe zu.
Jamileh: Ich klopfe an und will dann diskutieren.
Noëmi: So lernen wir sehr viel voneinander. Ich, mehr zu sagen, was ich denke, Jamileh, manchmal diplomatischer zu sein.
Was machen Sie gerne zusammen?
Jamileh: Filme schauen ist unser Ritual. Obwohl meine Mutter gerne Actionfilme mit Bruce Willis hat. Mir liegen die dramatischen Filme mehr – am besten mit Zeitverschiebung in die Vergangenheit. Wir wechseln uns da gut ab, wann wir welchen Film schauen.
Hat es Sie je gereizt, in die Fussstapfen Ihrer Mutter zu treten?
Jamileh: Nein, ich kenne ja auch den enormen Stress, der damit verbunden ist. Ich bin sicher, dass ich mit dem Druck im Modebereich besser umgehen kann.
Noëmi: Obwohl sie grosses Talent hat, sich in Rollen verlieren kann und mit einer wunderschönen Sopranstimme gesegnet ist. Doch ich verstehe sie. Als meine Tochter hat sie natürlich auch das Leiden einer Sängerin, die Angst um die Stimme, das diffizilste Instrument überhaupt, und Engagements hautnah miterlebt.
Was ist Jamileh für Sie?
Noëmi: Von ihr lerne ich alles, was ich nicht habe oder noch nicht bin. Von keinem anderen Menschen auf der Welt durfte ich so viel lernen, auch meine Defizite aufzuarbeiten.
Wie definieren Sie Ihre Beziehung?
Jamileh: Wir sind unser grösstes Glück und beste Freundinnen.
Bald trennen Sie ein paar Tausend Kilometer. Wann sehen Sie sich wieder?
Jamileh: Keine Ahnung, ich warte noch auf meinen Stundenplan.
Noëmi: Ich hoffe an Weihnachten, bis zum 10. Januar bin ich engagiert. Ab 9. August singe ich die Titelrolle «Aida» auf der Seebühne am Pfäffikersee. Ich werde also jeden Tag üben und üben.
Sie wechseln als Opernsängerin vom leichten ins dramatische Fach. Weshalb?
Noëmi: Wenn eine Opernsängerin Glück hat, wird ihre Stimme mit den Jahren immer schwerer, ist dann bereit für dramatische Partien. Ich habe jetzt in Technik und Muskelkraft investiert. Zudem gibts im dramatischen Fach weniger Konkurrenz. Ich freue mich auf die neuen Rollen, die mich künftig erwarten.