Sie feiern 2015 Ihr Zehn-Jahr-Jubiläum beim Schweizer Fernsehen. «Fensterplatz», «SRF bi de Lüt – Über Stock und Stein» und «Wunderland»: Diese Formate ähneln sich. Wird Ihnen nie langweilig?
Nik Hartmann: Nein. Ich stehe ja nicht seit zehn Jahren am gleichen Quizpult und lächle in die gleiche Kamera. Leute und Landschaft verändern sich, man findet nie zweimal dasselbe vor.
Welches ist der schönste Flecken der Schweiz?
Für mich sind nicht Orte schön, sondern Augenblicke. Das tollste Gefühl überhaupt: Wenn ich in einer Hütte ankomme, es ist drei Uhr, bis zum Nachtessen dauert es noch drei Stunden. Ich bin verdammt dazu, diese Zeit zu geniessen – ohne Handy und Internet. Diese Einfachheit schätze ich, sie ist befreiend. Je höher und ruhiger ein Ort, desto besser.
Haben Sie nie mit Ihrem Image als «Wanderer der Nation» gehadert?
Es gab solche Momente. Dabei ist es ein riesiges Privileg: Ich muss Geschichten nicht hinterherrennen, sondern werde empfangen und erwartet. Die Leute wissen: Wenn wir auftauchen, kommt etwas Schönes dabei heraus, etwas Ehrliches, Echtes. Dann öffnen sie sich.
Sie sind einer der beliebtesten Moderatoren. Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?
Das habe ich mir noch nie überlegt. Das ist es wohl genau: Die Leute merken, dass mir mein Ansehen nicht so wichtig ist. Die Schweiz tickt doch so: Man darf auf keinen Fall zu erfolgreich und selbstbewusst sein. Man soll sich nicht über den Misserfolg anderer freuen. Das versuche ich auch meinen Söhnen Constantin, Frederik und Melchior zu vermitteln.
Welche Werte wollen Sie ihnen sonst noch mitgeben?
Mache andere nicht kleiner, damit du grösser wirst. Meine Söhne sollen sich nicht untereinander vergleichen. Jeder ist individuell und muss anders erzogen werden.
Sind Sie ein strenger Vater?
Meine Frau sagt, ich sei easy, locker – und manchmal inkonsequent. Mit mir kann man gut verhandeln. Die Gefahr: Wir fallen uns ab und zu in den Rücken, ich lasse etwas durchgehen, was vorher bei Carla nicht ging. Das kommt in den besten Familien vor (lacht).
Mit Ihrer Frau Carla sind Sie zusammen, seit Sie 19 sind. Was ist Ihr Ehegeheimnis?
(Überlegt sehr lange) Ich glaube unsere Ehe funktioniert so gut, weil wir uns nie gross Gedanken darüber machen. Wir sind uns in unseren Grundwerten und Vorlieben einig – Zukunft, Kunst, Feriendestinationen, Kulinarisches. Carla managt das KMU Hartmann super. Obwohl: ihre Präzision und Planung machen mich manchmal kribbelig. Ich bin kein Freund langfristiger Planung.
Hatten Sie nie das Gefühl, etwas verpasst zu haben?
Eine Zeit lang schon. Heute bin ich nicht mehr auf der Suche.
Wonach sehnten Sie sich denn früher?
Ich wollte immer mehr, weiterkommen. Ich habe mich beispielsweise nur mit älteren Leuten umgeben, von denen ich dachte, sie bringen mich beruflich weiter. Heute bin ich nicht mehr das junge Talent. Meine Kinder dürfen jetzt entdecken.
Haben Sie Mühe mit dem Alter?
Nein. Aber ich bin in den letzten drei Jahren mehr gealtert als in den zehn davor. Es gab eine extreme Werteverschiebung. Ich bin jetzt viel gelassener, ruhiger.
Sind Sie gläubig?
Nicht mehr als andere. Meine Familie ist katholisch, ich Protestant. Ich finde als Besucher ein Kloster eine tolle Einrichtung und bin ein respektvoller Christ.
Sie beten also nicht vor dem Essen. Gibt es bei den Hartmanns andere heilige Familienrituale?
Wir legen extrem viel Wert auf Rituale und eine Tagesstruktur, vor allem wegen Melchior, der zerebral behindert ist. Essenszeiten werden strikt eingehalten. Die Kinder wissen genau, wie lange sie aufbleiben und noch im Bett lesen dürfen.
Melchior ist bald im Schulalter. Wie geht es jetzt mit ihm weiter?
Er kommt im Sommer in die erste Klasse in der Sonderschule, wo er viele Therapien hat. Melchior ist ein grosser Junge. Bevor wir ihn hatten, dachte ich, ein behindertes Kind sei der Anfang vom Ende.
Und heute?
... ist er ein Geschenk! Klar, unser Familienalltag ist anstrengend, Melchior wird uns ein Leben lang beschäftigen. Ich hoffe fest, dass die Akzeptanz von Menschen mit einer Behinderung in unserer Gesellschaft irgendwann selbstverständlich sein wird. Melchior beeinflusst meine Lebenseinstellung und -philosophie enorm.
Inwiefern?
Ich weiss durch ihn, was wichtig ist im Leben: meine Familie. Er ist auf uns angewiesen. Es gibt Zeiten, in denen man aufgeben will, in denen man nicht mehr kann. Aber solche Momente sind bei uns rar. Wir erleben so viele schöne Momente mit Melchior. Er hat uns ausgesucht, damit wir ihn unterstützen. So muss man das verstehen.
Macht Melchior denn Fortschritte?
Es sind Kleinigkeiten, dir wir als Familie spüren, aber schwer in Worte zu fassen sind. Wir bieten Melchior alle Zeit und Möglichkeit der Welt, damit er seinen Willen entwickeln kann. Diese Woche passierte eine kleine Sensation, die uns alle begeisterte. Ihn auch: Er konnte erstmals eine Holzkugel seine Kügelibahn runterlassen.
Wie beeinflusst Melchior Ihre Einstellung bei der Arbeit?
Ich sehe, wie lange er für eine Handlung braucht. Dank ihm nehme auch ich mir mehr Zeit für Menschen und Gespräche. Ich habe jegliche Berührungsängste verloren und fürchte mich nicht mehr vor schwierigen Gesprächen und Situationen. Melchior ist besser als jedes Kommunikations- und Managementtraining.
Was wollen Sie in den nächsten Jahren noch anpacken?
Ich mag Schnaps, weil es etwas Destilliertes ist. Es bleibt nur die Essenz, ist echt und pur. Auch ich will mich noch mehr fokussieren. Und ich finde es sehr inspirierend, mit gescheiten und kreativen Menschen zusammenzuarbeiten.
Und wo sehen Sie sich in 20 Jahren?
Ich schaue daheim im zugerischen Buonas aus meinem Bürofenster und schreibe an einem Theaterstück. Ich plane aber ungern so weit voraus.