Sein Gesicht zeigt die Rundungen derer, die ihre Kindheit noch nicht ganz hinter sich gelassen haben, doch der Blick von Lucas Chiche verrät eine ältere Seele. Die Öffentlichkeit hat den jungen Genfer 2022 kennengelernt, als er als Zehnjähriger im französischen TV-Sender France 2 das Final der Sendung «Prodiges» (Wunderkinder) erreichte – als Pianist, der klassische Musik spielt. Seither ist er mit dem Orchestre de la Suisse Romande in der Genfer Victoria Hall aufgetreten, ebenso in der Carnegie Hall in New York und der Tchaikovsky Concert Hall in Moskau.
Als Vierjähriger begann Lucas, Klavier zu spielen, auf dem Klavier, das seine Mutter Evgenia Vojakina für sich gekauft hatte. Als Musikerin spielt sie Gitarre, singt, komponiert und schreibt Lieder, hauptsächlich in Russisch, ihrer Muttersprache – auch Lucas spricht Russisch. «Er hat sofort eine Leidenschaft dafür entwickelt», sagt sie. Mit sechs begann der Junge sein Studium am Konservatorium in Genf, wo er noch immer zwei Unterrichtsstunden pro Woche bei Mladen Tcholitch, Professor und Dekan der Keyboardklasse, besucht. Seine Schulausbildung absolviert Lucas an der internationalen Schule Ecolint in Genf. Er mag Französisch, Naturwissenschaften, Geschichte und Geografie besonders gern: «Zahlen sind nicht so mein Ding.»
Lucas ist das jüngste Kind einer siebenköpfigen Patchworkfamilie. Nur noch er und sein Bruder Andrej leben bei ihren Eltern in Genf. Vater Nicolas ist eine wichtige Stütze in Lucas' Leben, er investiert viel in die Logistik, die es braucht, damit sein Sohn seiner Leidenschaft nachgehen kann. Zu den Leidenschaften, die Vater und Sohn teilen, gehört das Tauchen. Lucas: «Ich mag das Gefühl, etwas Erhabenes zu berühren und sich frei zu fühlen. Das gibt mir ein Gefühl von Harmonie und tiefer Ruhe.»
Lucas sitzt an seinem Flügel in der Stube. Die Noten sprudeln nur so aus ihm heraus, er spielt den ersten Satz von Robert Schumanns «Carnaval». In einer Pause sagt er: «Wenn mir langweilig ist, setze ich mich ans Klavier.» Auf dem Notenblatt hat er mit Bleistift Anmerkungen notiert – grosse, wütende Kreise, Pfeile. «Mache ich Fehler, markiere ich die Stellen und spiele die Partien, bis sie sitzen.» Sein Mops Ophelia sitzt am Fussende des Hockers.
Fünf Stunden am Tag am Klavier
Lucas' Hände sind Gold wert, doch nicht versichert – obwohl er eine Vorliebe für spezielle Experimente hat. Vor drei Jahren gab er, nach Anleitung eines Youtube-Tutorials, Guetsli in einen Mixer. Und steckte seine Finger hinein, um die Masse gut zu vermischen – während sich die Klingen drehten. Mutter Evgenia brachte ihn in die Kindernotfallstation, wo die Schnittwunde am Zeigfinger genäht wurde. Seine Mutter ermahnt ihn, wenn sie sieht, dass er zu heftig mit einem Ball hantiert. «Wenn mich die Schule anrief, hatte ich immer Angst, dass es diesbezüglich ein Problem gab.» Nun sagen die Anrufer immer gleich: «Kopf und Hände sind in Ordnung.»
Vier bis fünf Stunden am Tag übt Lucas am Klavier – ausser an den zwei Tagen nach einem grossen Konzert und in den Ferien. «Schon nach einem Tag fehlt es mir.» Seine Mutter ergänzt: «Am Anfang haben wir versucht, in den Ferien ein Klavier zu finden, aber das war oft schwierig. Und schliesslich hat sein Lehrer gesagt, wir sollen es lassen.» Evgenia begleitet ihren Sohn auf Schritt und Tritt – ein Vollzeitjob.
Einer seiner Freunde ist David Chen, auch er Pianist. Bei einem Konzert von Lucas im Genfer Théâtre du Léman spielten sie vierhändig die «Fantasie in f-Moll» von Schubert. Auf ihrem Youtube-Kanal Fortissimo produzieren die beiden humorvolle Sketche und Interviews mit klassischen Musikern. Lucas: «Ich träume davon, Martha Argerich zu interviewen.»
Eine Alternative zu einer Karriere als Pianist kann sich Lucas nicht vorstellen. «Ohne das Klavier wäre ich nicht hier.» Bevor er sich jedoch ausschliesslich seiner Leidenschaft widmen kann, will er das internationale Abitur machen. Danach wird er seine Musikausbildung perfektionieren. In der Schweiz, in Europa, in Moskau oder in den USA. Sein nächstes Konzert wird Lucas in Moskau geben. Aber der Ort ist ihm im Grunde genommen egal. Das Einzige, was zählt, ist, dass er spielen und seinem Publikum ein Maximum an Emotionen vermitteln kann. Auf seinem Nachttisch liegt eine Biografie des Komponisten Franz Liszt. Evgenia, ein Rock- und Pop-Fan, seufzt. «Selbst wenn er Sport treibt, hört er Klassik.» Lucas: «Weil sie genauso interessant ist wie die aktuelle Musik, wenn nicht sogar interessanter.» Die einzige Ausnahme ist seine Mutter, die er gerne singen hört.
«Ich will nicht Wunderkind genannt werden, ich bin keines mehr.» Die meisten seiner Diplome und Medaillen sind in seinem Schrank. «Ich bin ein Musiker, der sich entwickelt. Es gibt noch so viel, an dem ich arbeiten und das ich lernen muss.» Sein Traum? In der New Yorker Carnegie Hall zu spielen. «Aber in der grossen Halle!» Und ein guter Musiker zu werden, der von Musik und Reisen lebt und mit seinem Hund glücklich ist. Auf die Frage, warum er ein guter und nicht ein grosser Musiker sein will, antwortet er: «Natürlich will ich ein grosser Musiker sein. Aber das ist nicht meine Entscheidung, sondern die des Publikums.»
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