Musik
Odd Beholder hinterfragt die schweizerische «Kultur des Schweigens»

Der elektronische Pop von Odd Beholder soll Trost spenden in einer helvetischen Kultur des Schweigens, sagt sie selbst. Nun hat die Musikerin zu sechs ihrer Songs Kurzfilme veröffentlicht, inspiriert von den «Tschägättä» der Lötschentaler Fasnacht.
Publiziert: 07.11.2024 um 10:07 Uhr
Die Musikerin Daniela Weinmann tritt als Odd Beholder auf. In Anlehnung an die befreiende Tradition etwa der Lötschentaler Fasnacht veröffentlicht sie derzeit Kurzfilme zu ihren elektonischen Popsongs, mit denen sie sich gegen die "Kultur des Schweigens" in der Schweiz zur Wehr setzt.
Foto: MICHAEL BUHOLZER
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SDASchweizerische Depeschenagentur

«Meine Musik ist ein bisschen wie eine Therapie oder ein bequemer Pullover. Sie spendet Trost. Sie gibt mir die Sicherheit, die ich brauche, um düstere Texte zu schreiben oder solche, die schwere Themen ansprechen», sagt Daniela Weinmann alias Odd Beholder im Gespräch mit Keystone-SDA.

Als Künstlerin engagiere sie sich gegen die in der Schweiz verbreitete Kultur des Schweigens, so Weinmann. Dieses Land sei von einer beklemmenden Atmosphäre geprägt: «Man muss sich an Regeln halten, sei es etwa im Verhalten oder in der Kleidung.» Was ausserhalb der Norm oder «bizarr» erscheint, wird schlecht angesehen, wie sie in ihrem Song «Dogs Like Me» singt, der 2023 auf dem Album «Feel Better» erschienen ist.

Der Song ist eines von sechs Stücken, die Odd Beholder mit je einem Kurzfilm ins Bild setzt. Jede Woche erscheint einer der Clips auf Social Media, die Veröffentlichung begann Ende Oktober und läuft noch bis zum 21. November. Das Konzept der Videos wurde mit dem Künstler Lukasz Polowczyk ausgearbeitet, Regie führte Raya Al Souliman.

Die Geschichten der Kurzfilme drehen sich um einen Teenager, eine junge Frau, die in einer Schweizer Kleinstadt lebt. Sie fühlt sich im eigenen familiären und sozialen Umfeld fremd, und mit ihrer eigenen Identität hadert sie.

Die Aufnahmen entstanden in Brig. Für Weinmann ist dies ein Ort zwischen Tradition und Moderne, er biete eine Art «Clash» zwischen den beiden.

Weinmann selber ist in einer «sehr langweiligen» Agglomeration in der Region Zürich aufgewachsen. «Alles ist praktisch, alles ist auf Arbeit ausgerichtet. Aber es gab kein Gemeinschaftsgefühl und keine Rituale, die die Menschen verbinden», so die Musikerin.

Am Ende jedes Films erscheint eine maskierte Figur, inspiriert von den «Tschägättä», wie die «Monster» des Lötschentals heissen. Die im Aargau lebende Musikerin interessiert sich für lebendige Traditionen, sieht sich aber nicht als Teil davon: «Ich habe eine beobachtende Position, die eine schöne Tradition sowohl ehren als auch kritisch betrachten will.»

Solche Ausnahmezeiten seien «nicht unbedingt für alle ein sicherer Ort, wenn man an das gewalttätige Verhalten einiger Teilnehmer denkt oder an die Mengen an Alkohol, die dort konsumiert werden».

Während der Fasnachtszeit dürften sich die Menschen so verhalten, dass sie «nicht der Norm entsprechen», sagt die Künstlerin weiter. Aber eben nur dann. Gleichzeitig, kritisiert sie, gebe es immer noch eine mangelnde Akzeptanz von Transgender-Personen in der Schweiz.

Ausserdem habe die SVP und ihr nahestehende Kreise Schweizer Bräuche und Traditionen für sich beansprucht, um sie ihrem konservativen Weltbild anzupassen.

Bald wird hier klar, für die Musikerin Odd Beholder und ihre Kunst ist das visuelle Element wichtig. Es komplettiert ihr Schaffen zu einem Gesamtwerk, das über die reine Popmusik hinausgeht.

Das zeigt sich etwa mit ihrer aktuellen Single «Dahlia» - einer melancholischen Dream-Pop-Ballade, die ein Manifest ist für die Befreiung der weiblichen Sexualität: Im Auftrag der Regisseurinnen Agnès Tiberghien und Lumi Lausa komponierte Weinmann die Musik für ihren gleichnamigen Kurzfilm. Eine willkommene Umdrehung der Arbeit für eine Künstlerin, die mit den MTV-Clips der 1990er Jahre aufgewachsen ist.

Weinmanns Arbeit endet aber nicht mit dem Kreativen. Sie engagiert sich bei «Music Declares Emergency». Die Vereinigung von Kunstschaffenden und Organisationen ruft zu sorgsamerem Umgang der Musikbranche mit der eigenen Umweltbelastung auf.

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