Lisa Christ zu Schönheitsidealen, Frauenbeziehungen und Sexismus in der Comedyszene
«Könnte mein Leben lang schreien, und trotzdem gäbe es Ungleichheiten»

Lisa Christ, Satirikerin und bekannte Stimme der Schweizer Comedyszene, kehrt zurück – mit ihrem Soloprogramm «Ideal». Im Blick-Gespräch thematisiert sie gesellschaftliche Normen, ihre persönliche Entwicklung und den Kampf für Gleichstellung in der Unterhaltungsbranche.
Publiziert: 19:56 Uhr
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Lisa Christ gehört zu den erfolgreichsten Satirikerinnen der Schweiz. Die Autorin, Kabarettistin und ehemalige SRF-Comedy-Moderatorin wurde 2025 mit dem Salzburger Stier ausgezeichnet.
Foto: Claude Hurni

Darum gehts

  • Lisa Christ präsentiert ihr neues Programm «Ideal» mit dem Thema gesellschaftliche Idealbilder
  • Christ spricht offen über ADHS, Long Covid und ihre Beziehung mit einer Frau
  • 2025 gewann sie den renommierten Salzburger Stier
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Patricia BroderRedaktorin People

Lisa Christ (35) ist eine der polarisierendsten und markantesten Stimmen der Schweizer Comedyszene. Mit ihrem letzten Bühnenprogramm «Love*» verarbeitete sie eine Trennung, fand gleichzeitig eine neue Liebe – und wurde 2025 mit dem renommierten Salzburger Stier ausgezeichnet. Nun meldet sich die Solothurnerin zurück: Am 10. und 11. Oktober feiert sie in Basel Premiere mit ihrem neuen Solostück «Ideal», das sie quer durch die Deutschschweiz führt. Im Interview mit Blick spricht Christ über Schönheitsideale, ihre Beziehung mit einer Frau und darüber, wie es um die weibliche Comedyszene in unserem Land steht.

Blick: Ihr neues Programm heisst «Ideal» – wer Sie kennt, ahnt, dass es dabei um mehr geht als um Ihre eigenen Ideale.
Lisa Christ: Ja. Ich habe mich gefragt, welche Idealbilder in unserer Gesellschaft existieren. Gerade auch die unausgesprochen, aber prägenden. Das Verrückte dabei ist: Viele davon entsprechen gar nicht unseren Werten, und trotzdem richten wir uns danach. Norm und Ideal überschneiden sich oft, widersprechen sich aber auch. Ich wollte diesem Phänomen auf den Grund gehen und den Spiegel vorhalten.

Wie präsentieren Sie diesen Spiegel dem Publikum?
Indem ich Popkultur, Frauenbilder und Schönheitsoperationen thematisiere. Aber auch über kleine Alltagsmomente, die plötzlich «ideal» wirken. Es gibt Anekdoten, Rollenwechsel, sogar Songs. Mein Auftritt ist eine Mischung aus Sketches, Lyrik und politischer Satire. Und ich bringe dabei auch persönliche Erinnerungen aus meiner Kindheit ein.

In «Love*» thematisierten Sie Ihre gescheiterten Beziehungen zu Männern. Seit drei Jahren sind Sie mit einer Frau zusammen und halten die Beziehung aus der Öffentlichkeit heraus – warum?
Mir war wichtig, meine neue Liebe erst einmal für mich selbst zu leben. Es geht dabei nicht darum, etwas zu verheimlichen, sondern um Selbstakzeptanz. Gleichzeitig habe ich realisiert, wie sehr heteronormative Erwartungen in meinen früheren Beziehungen mein Denken geprägt haben. Denn es ist auch 2025 noch nicht selbstverständlich, dass alle Beziehungen als gleichwertig gesehen werden. Ich kann je nach Situation nicht einfach mit meiner Partnerin Händchen halten, ohne blöd angequatscht zu werden. Dieses Ungleichgewicht will ich sichtbar machen und thematisiere es deshalb auf der Bühne. Dazu kommt, dass meine Partnerin nicht mit ihrer Beziehung in der Öffentlichkeit stehen mag, und das respektiere ich.

Sie sprechen offen über ihre ADHS-Diagnose und ihre Long-Covid-Erkrankung. Wie geht es Ihnen heute?
Es geht mir gut. Die Phase mit Long Covid hat mir meine Grenzen gezeigt. Ich halte heute manches privat. Und das, was ich teile, teile ich sehr gezielt – und freue mich dabei über den Austausch mit meiner Community. Social Media ist für mich längst zu einer eigenen Bühne geworden, die mein künstlerisches Arbeiten ergänzt und beeinflusst. Gerade bei Themen wie «Skinny Tok» oder den Schönheitsidealen lässt sich beobachten, wie tief Social Media ins reale Leben hineinwirkt.

Schönheitsideale sind auch ein Thema, dem Sie auf den Zahn fühlen.
Ja, früher hatten wir weibliche Stars, die unterschiedlich aussahen, heute sehen alle gleich aus: gleiche Filler, gleiche Lippen, ein Kardashian-Gesicht. Natürlich denke ich: «Your body, your choice.» Und Schönheitsideale waren immer da, aber wie inflationär sie heute gelten – schon bei sehr jungen Menschen –, das sehe ich als problematisch. Irgendwann sehen Kinder komplett anders aus als ihre operierten Eltern. Und ich frage mich: Wohin führt das?

2023 haben Sie mit einigen Kolleginnen strukturellen Sexismus beim SRF angeprangert. Hat sich die Situation für weibliche Comedians heute verbessert?
Das Bewusstsein für Diversity ist besser geworden. Doch viele Kolleginnen kämpfen immer noch, um überhaupt eingeladen zu werden. Frauen, die auf der Bühne Raum einnehmen, gelten schneller als aggressiv. Beim SRF hat sich nach dem offenen Brief damals etwas bewegt, doch letztlich entscheidet das Geld. Und wenn die Politik nach rechts rutscht, werden Gelder anders verteilt, und es wird zuerst bei der Kultur und bei liberalen Formaten gespart.

Persönlich: Lisa Christ

Die gebürtige Oltnerin Lisa Christ tritt seit 2007 im gesamten deutschsprachigen Raum auf und wurde zahlreich ausgezeichnet. 2016 und 2018 stand sie im Finale der deutschsprachigen Meisterschaften im Poetry Slam, 2016 erhielt sie den Kulturförderpreis des Kanton Solothurn für Literatur. 2018 erschien Ihr erstes Buch «Im wilden Fruchtfleisch der Orange». Von 2019 bis 2021 moderierte die Satirikerin die SRF-Fernsehsendung «Comedy Talent Show». Im Mai 2025 wurde sie mit dem Salzburger Stier ausgezeichnet. Christ lebt in Zürich. 

Lisa Christ wurde im Mai 2025 mit dem Salzburger Stier ausgezeichnet.
Claude Hurni

Die gebürtige Oltnerin Lisa Christ tritt seit 2007 im gesamten deutschsprachigen Raum auf und wurde zahlreich ausgezeichnet. 2016 und 2018 stand sie im Finale der deutschsprachigen Meisterschaften im Poetry Slam, 2016 erhielt sie den Kulturförderpreis des Kanton Solothurn für Literatur. 2018 erschien Ihr erstes Buch «Im wilden Fruchtfleisch der Orange». Von 2019 bis 2021 moderierte die Satirikerin die SRF-Fernsehsendung «Comedy Talent Show». Im Mai 2025 wurde sie mit dem Salzburger Stier ausgezeichnet. Christ lebt in Zürich. 

In den USA wurde der Comedian und Moderator Jimmy Kimmel nach seinen Äusserungen zum Attentat auf den rechtskonservativen Charlie Kirk kurzzeitig abgesetzt. Beunruhigt Sie das?
Ja, ich frage mich schon, wie lange das noch gut geht. In Deutschland ist die AfD stark, in den USA wird Satire abgesetzt, sobald sie unbequem wird. Meinungsfreiheit ist kein Naturgesetz. Aber ich habe auch Hoffnung: Viele Künstlerinnen und Künstler positionieren sich klar liberal. Wir müssen dranbleiben.

Sie sind eine der feministischsten Satirikerinnen des Landes. Werden Sie nicht müde, Kämpfe immer wieder neu führen zu müssen?
Doch. Ich könnte mein Leben lang dasselbe schreien, und trotzdem gäbe es noch Ungleichheiten. Das braucht einen langen Atem. Ich wiederhole mich nicht mehr ständig, weil es auch für mich langweilig würde. Aber Gleichstellung bleibt ein Prozess. Wir gehen zwei Schritte vor, machen einen zurück. Doch nur schon meine Existenz bringt mich dazu, weiterzumachen. Ich möchte einfach mich selbst sein können. Und ich wünsche mir, dass alle Menschen als freie, vollwertige Menschen leben dürfen – egal, mit welchem Körper, egal, mit welcher Liebe. Für viele ist schon das eine Provokation.

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