Darum gehts
- Lisa Brühlmann führt Regie und spielt auch selber in ihrem neuen Film mit
- «When We Were Sisters» basiert auf persönlichen Erfahrungen und behandelt Patchwork-Familien
- Der Genfer Schauspielstar Carlos Leal verkörpert Brühlmanns Filmpartner
Seit ihrem Grosserfolg «Blue My Mind» ist die Zürcher Regisseurin Lisa Brühlmann (44) international gefragt und hat gerade die Netflix-Serie «Something Very Bad Is Going to Happen» abgedreht. Nun startet ihr neuster Spielfilm «When We Were Sisters» in den Schweizer Kinos. Er zeigt die Sommerferien einer Schweizer Patchwork-Familie auf Kreta in den 1990er-Jahren. Monica und Jacques führen eine Fernbeziehung und haben beide eine Teenager-Tochter, Valeska und Lena. Während sich die Jugendlichen langsam anfreunden, entzweit sich das Paar mehr und mehr.
Brühlmann hat dabei nicht nur Regie geführt und das Drehbuch geschrieben. Sie spielt auch die Rolle von Monica, die sich stellenweise als richtige Nervensäge entpuppt. «Monica ist tatsächlich ein zwiespältiger, konfliktbeladener Charakter», sagt Brühlmann. «Doch gerade weil sie so abgründig ist, finde ich sie spannend. Sie hat sehr viel Liebe in sich und will alles richtig tun. Gleichzeitig ist sie voller Selbstzweifel. Jeder Mensch hat seinen Rucksack, sie einen besonders schweren. Verantwortung übernimmt sie kaum. Sie ist sehr unreif und kindlich, kindlicher als ihre Tochter. Doch ich habe mir Mühe gegeben, auch ihre positiven Seiten zu zeigen.»
Von der eigenen Vergangenheit inspiriert
Für den Inhalt hat sich Brühlmann von ihrer eigenen Vergangenheit inspirieren lassen. «Die Figuren sind erfunden, die Geschichte ist fiktional. Doch natürlich ist sie auch gefärbt von meinen eigenen Erlebnissen als Teenager mit Jahrgang 1981. Es ist immer persönlich, etwas zu schreiben. Ich habe das Drehbuch aus der Perspektive eines Teenagers verfasst und es mit meinen eigenen Erfahrungen als Mutter kombiniert. Doch der Film funktioniert auch, ohne zu wissen, was davon wirklich passiert ist und was nicht.»
Ihr Werk sieht Brühlmann als eine Ode an die Kraft der Freundschaft. «Manchmal ist Freundschaft stärker als Familie. Ich zum Beispiel bin ohne Vater und Geschwister aufgewachsen. Meine Freundschaften waren deshalb immer enorm wertvoll für mich und sind es bis heute.»
«When We Were Sisters» beleuchtet auch die schwierigen Seiten eines Patchwork-Familienmodells. «Ich habe als Teenager selber Patchwork-Situationen erlebt und lebe heute auch getrennt von meinem Ex-Mann», sagt Brühlmann. «Deshalb wäre ich vorsichtig, wenn es um das Thema ‹Zusammenziehen mit einem neuen Partner› geht. Kinder bevorzugen eher das klassische Familienmodell, weil sie es kennen und sicherer finden. Andere Beziehungsformen sind eine grössere Herausforderung, doch sie stärken auch ihre Widerstandskraft. Wenn sich Eltern trennen, ist dies immer ein schmerzhafter und anspruchsvoller Prozess. Plötzlich sind da neue Geschwister und eine veränderte Wohnsituation. Wichtig ist, darin auch das Positive zu sehen.»
«Ein künstlerisches Abenteuer»
Ihre Doppelrolle als Regisseurin und Schauspielerin war für Brühlmann eine echte Herausforderung. «Im Ganzen war diese Aufgabe eine grosse Belastung, aber auch ein künstlerisches Abenteuer. Ich bin dankbar dafür, hat schlussendlich alles geklappt. Doch nun gleich wiederholen wollen würde ich das nicht.»
Der Entscheid, Monica selber zu spielen, war das Resultat eines längeren Prozesses. «Ich habe von Anfang an damit geliebäugelt. Aber ich zögerte, weil ich schon lange nicht mehr vor der Kamera gestanden war. Als ich das Drehbuch schrieb, kam ich gerade von einer anstrengenden Regiearbeit für einen BBC-Vierteiler zurück und freute mich auf ein kleineres Projekt in der Schweiz. Und dann merkte ich, Monica ist in meinem Alter und spricht mich von der künstlerischen Seite her sehr an. Die Frage ‹Soll ich oder nicht?› beschäftigte mich lange. Dann machte ich von mir selber Testaufnahmen und zog einen Coach bei. Meinen Entscheid habe ich nie bereut.»
Brühlmann hat ein Gespür für Talente
Für ihren Spielfilm-Erstling «Blue My Mind» hat Brühlmann 2017 Luna Wedler (25) entdeckt, nun stellt sie mit Paula Rappaport (19) als Valeska und Malou Mösli (15) als Lena wiederum zwei vielversprechende junge Talente vor. Auf die Frage, woher ihr diesbezügliches Gespür komme, sagt Brühlmann: «Ich schaue bei Castings immer besonders genau hin. In anderen Bereichen habe ich oft Mühe, mich zu konzentrieren, hier habe ich einen Hyper-Fokus. Aber ich hatte in all diesen Fällen auch Glück, dass es diese Menschen überhaupt gab. Ich bin auch nicht allein, sondern habe immer Castingagentinnen dabei. Bei ‹Blue My Mind› war auch mein damaliger Kameramann bei allen Castings dabei und sah auch, dass Luna herausstach. Und solche Talente stechen wirklich heraus.»
Bereits ein alter Bekannter ist der Genfer Schauspielstar und frühere Rapper Carlos Leal (55), der Brühlmanns Filmpartner Jacques verkörpert. «Er schwirrte uns schon früh im Kopf herum. Lustig war: Für meine Recherchen las ich auch in alten Tagebüchern von mir. Und dort fand ich den Satz: ‹Heute gehen wir ans Sens-Unik-Konzert im HB Zürich.› Beim Casting stellte sich rasch heraus, dass sich Carlos für die Rolle perfekt eignen könnte. Auch weil er einen Vater aus der Romandie spielt und ich eine Mutter aus dem Grossraum Zürich. Er ist ein Glücksfall für den Film.»
«When We Were Sisters» läuft ab sofort in den Schweizer Kinos.