Darum gehts
- Ostern ist für die reformierte LGBTQ-Pfarrerin Priscilla Schwendimann «das wichtigste christliche Fest»
- Glaube als Widerstand und Kraft in Krisenzeiten
- Religions-Hype bei Generation Z und Alpha, Tausende junge Gläubige sind begeistert
Ostern verbinden viele mit bunt bemalten Ostereiern und süssen Schoggihasen. Doch für Priscilla Schwendimann (32), lesbische, reformierte Pfarrerin und erste LGBTQ-Pfarrerin von Zürich, ist das Fest einiges mehr. «Ostern ist für mich das wichtigste christliche Fest, weil es zeigt, dass der Tod nicht das letzte Wort hat», sagt Schwendimann zu Blick. «Diese tröstende Botschaft trägt mich durch die dunkelsten Zeiten. Sie bedeutet: Es geht weiter, selbst wenn alles verloren scheint.»
Aufgewachsen im Glauben, dass die christliche Religion Homosexualität ablehnt, hat Priscilla Schwendimann den Glauben an Gott nie verloren, im Gegenteil. Sie sieht in Gott einen Verbündeten für uns alle, «der uns immer zuhört, der uns immer sieht und liebt – auch dann, wenn wir es nicht mehr erwarten». Ostern sei das beste Beispiel für diese bedingungslose Liebe. «Denn Ostern ist keine romantische Erzählung von Auferstehung, sondern eine Geschichte von Verrat, Schmerz und Resilienz», so die Theologin. «Jesus stirbt auf brutalste Weise. Alle Hoffnung scheint verloren – und dann, drei Tage später, aufersteht er. Diese Geschichte, Ostern, hat Sprengkraft.»
«Glaube ist kein Wohlfühlprogramm, sondern ein Widerstand»
Besonders in Zeiten, in denen Minderheiten durch rechtspopulistische Regierungen angegriffen würden, sende die Erzählung eine wichtige Botschaft. «Kürzlich sagte eine trans Person zu mir: Weisst du, Ostern, das ist eigentlich meine Geschichte. Verurteilt für etwas, das ich gar nicht getan habe.» Ostern sei der Feiertag für alle, die sich an den Rand gedrängt fühlen, so die Pfarrerin. «Für alle, die weiter hoffen und an sich glauben, obwohl alles gegen sie spricht.» In einer Welt, in der psychische Belastungen steigen, autoritäre Tendenzen zunehmen und viele Menschen sich einsam fühlen, sei dies zentral: «Glaube ist kein Wohlfühlprogramm, sondern ein Widerstand. Eine Kraft, die gerade in Krisenzeiten Hoffnung stiftet. Und diese Hoffnung kommt nicht aus mir selbst. Sie wird mir von Gott geschenkt. Das macht sie stark.»
Diese Kraft im Glauben spreche aktuell auch viele junge Menschen an, erklärt Schwendimann. «Einsamkeit ist die grösste Krankheit unserer Zeit. Und ich meine nicht Alleinsein. Sondern das Gefühl, nicht gesehen, nicht gehört zu werden. Gerade junge Menschen leiden unter dieser Beziehungslosigkeit.» Dies sei der Grund, warum Junge, die mit Social Media, Klimakrise und Zukunftsangst aufwachsen, sich aktuell wieder vermehrt dem Glauben zuwenden. «Bei Generation Z und Generation Alpha stellen wir einen regelrechten Religionshype fest. Inmitten des Individualismus und Egoismus wünschen sie sich Klarheit, Grenzen und Gemeinschaft. Sie suchen nach etwas, das sie trägt. Strukturen, auf die sie vertrauen können», so die Theologin. «Wenn du heute mit einem 16-Jährigen sprichst, hörst du Sätze wie: ‹Ich will die Bibel lesen.› Das ist doch abgefahren und wunderschön.»
Kirche soll Jungen mehr zutrauen
Doch für den Religionsboom der Jungen sei die reformierte Kirche aktuell nicht gerüstet. Zu schwerfällig und kompliziert seien die Strukturen, warnt Schwendimann. «Wenn eine 19-Jährige sich erst für vier Jahre in einer Kirchenpflege verpflichten muss, bevor sie etwas bewegen darf, ist sie längst wieder weg.» Die junge Seelsorgerin weiss, wovon sie spricht. Mit ihrer erfrischenden, direkten Art begeisterte Priscilla Schwendimann viele Jahre lang Tausende junge Gläubige auf ihrem Youtube-Kanal, auf dem sie vermeintliche Tabuthemen wie Homosexualität und mentale Gesundheit in einem christlichen Kontext besprach. «Ich bekam jede Woche viele Nachrichten von jungen Menschen, die dankbar waren, dass ich mich für eine Verbindung von Glauben, christlichen Werten, aber auch mentaler Gesundheit einsetzte», sagt die Pfarrerin.
Die staatliche Kirche müsse jungen Menschen mehr zutrauen und mehr zuhören – und vor allem: ihnen Räume schaffen, fordert Priscilla Schwendimann: «Ich meine damit nicht nur Events, sondern Beziehungsmomente, Pizzaabende. Offene Gespräche. Präsenz auf Social Media – professionell, authentisch, nicht peinlich.» Für die Zukunft wünscht sich die Pfarrerin von der reformierten Kirche mehr Mut und mehr Innovation. «Wenn wir jungen Menschen nicht zeigen, wofür wir stehen, verlieren wir sie. Und mit ihnen auch die Zukunft unserer Kirche und das wäre schade.» Denn gerade das Osterfest führe einem die Kraft Gottes deutlich vor Augen, erklärt Priscilla Schwendimann abschliessend. «Der Glaube, dass Gott mich sieht und mich liebt – unabhängig von Leistung oder Herkunft – ist für mich ein Wunder und eine Quelle von unerschöpflicher Kraft.»