Sie hat die Liebe ihres Lebens verloren. Traurig sitzt Carmen Giger (49) im Haus in Zürich-Seebach. Es ist der Ort, an dem es am Montagmittag zur Tragödie kam. H. R. Giger († 74) verlor auf der steilen Treppe das Gleichgewicht und stürzte vor den Augen seiner Ehefrau. Dabei zog sich der berühmteste Surrealist der Schweiz tödliche Verletzungen zu. «Seither weine ich Tag und Nacht. Ich kann noch immer nicht glauben, dass Hans-Ruedi nicht mehr zu mir zurückkommt», sagt sie. Leise fügt sie an: «Dabei ging es ihm die letzten Wochen sehr gut. Wir hatten noch so viele Pläne. Er wollte noch nicht gehen!»
Die vergangenen Tage haben Carmen Giger gezeichnet – und an ihrer Kraft gezehrt. Doch jetzt will sie für ihren geliebten Mann stark sein. «Das Wichtigste ist, dass seine Kunst weiterlebt», sagt sie. «Sein Vermächtnis ist das Museum in Greyerz. Darum werde ich mich jetzt intensiv kümmern. Eine Stiftung soll den Fortbestand sichern.» Das sei sie ihrem Hans-Ruedi schuldig. 18 wundervolle Jahre haben sie miteinander verbracht. «Ich weiss noch genau, warum ich mich in ihn verliebt habe», sagt sie. «Er hatte so viel Charisma. Und er war ein herzensguter Mensch. Zart und fast etwas schüchtern.» Kunst habe in ihrer Liebe immer eine grosse Rolle gespielt. Für H. R. Giger war Carmen die Muse.
Aber es gab viel mehr, das sie verband. «Wir waren keine Frühaufsteher», so die Witwe. «Wir haben die Nacht geliebt. Es ist dann viel ruhiger, alle anderen schlafen. Für uns war es wie Magie.»
Halt findet die Witwe bei ihrer Mutter und bei Freunden. «Sie sind für mich da und unterstützen mich.» Der schwerste Gang steht Carmen Giger noch bevor. «Wir müssen Hans-Ruedi zu Grabe tragen und uns von ihm verabschieden.» Von ihrem Mann behält sie ein letztes Andenken. «Er hat seiner Mutter nach ihrem Tod eine Haarlocke abgeschnitten. Das fand ich schön. Nun behalte auch ich eine Haarlocke von ihm. Damit bleibt er irgendwie bei mir.» Unvergesslich ist für sie auch sein Ritual nach dem Aufstehen – eine Rundfahrt auf seiner selbst gebauten Eisenbahn im Garten.
Mit H. R. Gigers Tod hat die Welt einen einzigartigen Künstler verloren. International berühmt wurde er mit seinen extraterrestrischen Landschaften und den Figuren, die er für die Filme «Alien» (1979) und «Species» (1995) erschaffen hatte. 1980 wurde er sogar mit einem Oscar geehrt.
Beigesetzt wird Hans-Ruedi Giger am 25. Mai auf dem Friedhof in der Nähe seines Museums in Greyerz FR. Fünf Tage später wird er auch im Zürcher Fraumünster verabschiedet. «Hans-Ruedi ist viel zu früh gestorben», sagt Carmen. «Wir haben nie darüber gesprochen, wie er sich seine Beerdigung wünscht.» Ihr grösster Wunsch: «Es genau so zu machen, wie er es gewollt hätte.»