Iranische Dragqueen Danial Aboudi (19) lebt heute in der Schweiz
«Um frei zu sein, gab ich alles auf»

Seine Liebe zu Männern und Frauenkleidern wurden Danial Seyed Aboudi im Iran zum Verhängnis. Deshalb entschied er sich, aus seiner Heimat nach Europa zu flüchten.
Publiziert: 23.02.2020 um 11:49 Uhr
|
Aktualisiert: 24.02.2020 um 08:05 Uhr
Teilen
Anhören
Kommentieren
1/8
Drei Stunden braucht Danial Seyed Aboudi, um sich in Gigi Lou zu verwandeln.
Foto: Teo Nos
Michel Imhof

Danial Seyed Aboudi (19) hat in seinen jungen Jahren schon viel erlebt. Im Alter von 15 packte er seine Sachen und zog von seinem Zuhause im Iran aus. Grund: das Versteckspiel um seine Andersartigkeit. Der Sohn einer Doktorin und eines Ingenieurs steht sowohl auf Frauen als auch auf Männer und verkleidet sich ab und zu gerne als Dragqueen. Zu viel für seine iranische Familie. «Um frei zu sein, gab ich alles auf», meint Seyed Aboudi heute.

Vor vier Jahren fasste er bei einem von seinen Eltern vorgeschriebenen Besuch beim Psychologen den Entschluss, alles in seiner Heimat hinter sich zu lassen. «Ich sagte meiner Therapeutin, dass ich auch schon mit Männern geschlafen habe. Das war keine gute Idee.» Im Iran werden sexuelle Handlungen mit gleichgeschlechtlichen Partnern mit dem Tod bestraft. Trans zu sein ist hingegen legal – wird aber als Krankheit angesehen.

Das streng muslimische Land verzeichnet sogar die zweithöchste Anzahl an geschlechtsangleichenden Massnahmen weltweit – direkt nach Thailand. «Deshalb werden viele Homo- und Bisexuelle dazu überredet, ihr Geschlecht anzupassen. Viele davon landen nachher in Depressionen», sagt Seyed Aboudi.

Mit dem Schiff von der Türkei nach Griechenland

Dem wollte er sich nicht ergeben. Gemeinsam mit seinem besten Freund Reza (damals 16, heute 20) entschloss er sich, nach Europa zu fliehen. Sein Vater begleitete die beiden bis zum Schlepper in die Türkei, der die beiden nach Griechenland brachte. «Mein Papa zahlte meine Flucht. Und war wohl auch froh, dass ich die Familienwürde nicht beschmutze und weg bin.» Ein Boot brachte die zwei Freunde auf die griechische Insel Lesbos. Das sei ein traumatisierendes Erlebnis gewesen: «Rund eineinhalb Stunden mit 60 Menschen auf einem Boot, das für etwa 25 Personen gebaut wurde. Die meisten Mitfahrer murmelten muslimische Gebete, die man eigentlich vor dem Tod ausspricht.»

Erst rund ein Jahr später, nachdem der Englisch, Französisch, Arabisch und Persisch sprechende Junge in Athen in einem Flüchtlingszentrum als Sprachlehrer arbeitete, zog es ihn in die Schweiz. «Das war Rezas Idee, ich wollte eigentlich nach London. Gut, habe ich auf ihn gehört.» Der junge Mann wurde in verschiedenen Flüchtlingszentren untergebracht, bis er sich in Freiburg niederliess. «Diese Stadt wurde meine Heimat. Ich hatte nie wirklich ein Zuhause, in dem ich mich wohlfühlte. Das ist jetzt anders.» Gemeinsam mit einer Freundin wohnt er in einer WG und arbeitet als Künstler und Schauspieler.

Heute tritt er als Dragqueen auf

Mittlerweile tritt Seyed Aboudi auch regelmässig als Dragqueen Gigi Lou auf, in Zürich betreibt er jeden Monat die «Category is»-Party im Schwulenclub Heaven. «Frauenkleider faszinierten mich schon immer. Aber im Iran durfte ich das nie zeigen.» Heimlich zog er die Klamotten seiner Schwester an, jetzt könne er seine Liebe zur Verwandlungskunst voll und ganz ausleben. Um zu Gigi Lou zu werden, brauche er rund drei Stunden, die Kostüme kreiert er zur Hälfte selbst.

Auf Instagram unterhält der Iraner über 16'000 Menschen. Die Zahl stammt zu einem Grossteil noch von seiner Flucht: «Ich hatte zu dieser Zeit viele Abonnenten aus dem Iran, die sich für meine Geschichte interessierten», erzählt er. «Damals waren es 20'000 Follower. Aber als ich nur noch Dragqueen-Bilder hochgeladen habe, schrumpfte die Zahl meiner Abonnenten. Auch ein paar wüste Kommentare gab es. Trotzdem blieben ein paar persische Fans. Eine Chance, die Menschen dort zum Umdenken zu bewegen.»

Vorerst will er nicht in seine Heimat zurückkehren

Für seine Heimat erhofft er sich eine Öffnung der Gesellschaft: «Die iranische Regierung steht nicht für die Einwohner. Ich hoffe, dass irgendwann alle Iraner so leben dürfen, wie sie es für richtig halten.» Denn eines ist für den Künstler klar: «Solange die Gemeinde von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transmenschen kein Gesicht im Iran hat, werde ich nicht dorthin zurückkehren.»

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.
Teilen
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?