Mehr als zehn Jahre rockt Gölä schon das Musik-Business in der Schweiz. Nun setzt der 40-Jährige zu einem neuen Höhenflug an: In der Jury der Casting-Show «MusicStar» zeigt sich der harte Berner von seiner gemütlichen Seite. Die Gölä-CD «Z’ Läbe fägt» hat sich fast 90000-mal verkauft. Und im Dezember füllte er zweimal das Zürcher Hallenstadion. In den Aargauer BBM Studios schneidet er die beiden Live-Auftritte gerade zu einer DVD. Über Mittag nahm er sich trotzdem Zeit für ein Interview mit SonntagsBlick. Dabei gab er nicht nur Überraschendes zu seiner Herkunft preis. Sondern auch über Freud und Leid eines «MusicStar»-Jurors.
Neuerdings herrscht Rauchverbot bei den «MusicStar»-Aufzeichnungen: Begreifst du diesen Entscheid?
Gölä: Irgendwie schon. Da schauen schliesslich Kiddies zu, und das Schweizer Fernsehen hat Angst, dass sich jemand beschwert. Verlogen ist es trotzdem.
Warum?
Rauchen, Trinken und Musik gehen für mich einfach Hand in Hand und gehören in einen Club. Als ich aufwuchs, war das jedenfalls so.
Als Jury-Mitglied hast du aber Vorbildfunktion.
Schon, aber nach der Show läuft am Bildschirm mit grosser Wahrscheinlichkeit ein Film, in dem die Schauspieler rauchen, saufen und einander totschlagen. Von daher ist es eben doch schizophren.
Warum hast du nicht protestiert?
Weil ich nicht auf Diva machen will. Ich bin so erzogen worden, dass ich einen Chef akzeptiere, wenn er bestimmt worden ist. Damit meine ich jetzt nicht Roman Kilchsperger, sondern den «MusicStar»-Leiter Sven Sarbach. Abgesehen davon, wäre mit mir ja auch etwas nicht in Ordnung, wenn ich durchdrehen würde, nur weil ich zwei Stunden nicht rauchen darf.
Wie verstehst du dich mit den beiden anderen Juroren Fabienne Heyne und Roman Kilchsperger?
Ganz ehrlich: Jeder von uns macht seinen Job. Klar, wir unterhalten uns, aber nach der Sendung gehen wir jetzt nicht unbedingt zusammen ins Pub. Wir sind drei Einzel-Juroren, nicht ein Trio.
Ist das nicht so was wie Ironie des Schicksals: Ausgerechnet der bodenständige Gölä landet in einer Glitzer-Castingshow?
Wenn man mir vor zehn Jahren gesagt hätte, dass ich das tue, hätte ich einiges dagegen gewettet. Aber jetzt muss ich sagen: Mir macht es Spass. Und es kommt gut.
Nicht alle teilen diese Meinung. BLICK fand zum Beispiel, die Show sei so provinziell wie die Kandidaten.
Na und? Je provinzieller, desto besser – das ist doch genau das Konzept! Diesen Glamour-Mist gibts sonst überall. Richtig gute Musik spielt sich sehr oft in der Provinz ab – und nicht an einem Cüpli-Anlass.
«MusicStar» ist aber nicht gerade ein Format, das in erster Linie gute Musiker sucht. Es geht doch primär um Unterhaltung.
Das stimmt auch wieder. Grundsätzlich geht es um die Einschaltquoten, und um nichts anderes. Was aus den Kandidaten wird, interessiert später keinen Menschen. Dort sehe ich meine Aufgabe: Ihnen zu sagen, wie es wirklich ist. Denn das tut sonst niemand.
Nach welchem Massstab beurteilst du die Kandidaten?
Mir geht es nur um die Stimmen und nicht um irgendein Herumgehüpfe. Was die für Klamotten haben oder was für eine Frisur, ist mir schnuppe. Von mir aus kann ein 200-Kilo-Schiff dort oben stehen. Solange ich von der Stimme Gänsehaut kriege, ist das egal.
In der letzten Folge warst du erstaunlich zahm.
Ich habe mir im Vorfeld gut überlegt, ob ich das Arschloch spielen und grosse Sprüche klopfen soll – oder fair, aber langweilig sein. Und, ganz ehrlich: Ich bin viel lieber langweilig.
Provinziell, langweilig, nett: Ist Gölä zum Bünzli geworden?
Absolut. Ich mag es gemächlich, habe gern meine Familie um mich, meine Katzen und Hunde. Ich mähe gern den Rasen, jäte oder fische: Ich bin ein stolzer Provinzler.
Du bist eigentlich Zigeuner, in deinen Adern fliesst Zigeunerblut!
Ja, das ist so, ich bin ein Zigeuner. Aber wer von uns ist schon reinrassig?! Ich sage immer: Wir sind alle reinrassige Bastarde.
Woher sind deine Vorfahren?
Aus dem Ostblock. Mein Urgrossvater war so einer, der kam und ging, wie es ihm passte. Mal war er in der Schweiz und arbeitete, dann verschwand er wieder für längere Zeit, kam zurück, erzählte nichts und arbeitete weiter, als wäre nichts geschehen. Er war – wie ich – tätowiert, deshalb nahm man an, er habe als Matrose angeheuert und sei zur See gefahren.
Wenn man diese Story hört, muss man sofort an «Uf u dervo» denken. Hast du deine Sehnsucht nach der Ferne geerbt?
Die liegt wohl in meinen Genen. Das Wilde, das Freisein: Dieser Lebensstil ist das Grösste für mich. Ich bin schon während meiner Schulzeit immer abgehauen und musste von der Polizei gesucht werden. Eine Sehnsucht, die nie aufgehört hat.
War nicht leicht für deine Eltern.
Bestimmt nicht. Ich war in der Schule unangepasst, habe nie begriffen, warum ich in diesen «Knast für Kinder» muss. Mein Vater hat mich zwingen müssen, in eine Lehre zu gehen. Damals hasste ich ihn dafür. Heute bin ich ihm dankbar.
Du nennst dich einen autoritären Vater. Dürfen deine beiden Buben «MusicStar» gucken?
Der Jüngere ist erst fünf, bei ihm kommt das sowieso nicht in Frage. Der Zwölfjährige hat letztes Mal zugeschaut. Obwohl ich eigentlich der Meinung bin, dass er um diese Zeit im Bett sein sollte.
Dann wird zu Hause beim Znacht über die Sendung gefachsimpelt?
Nein, ich bin nicht einer, der abends nach Hause kommt und erzählt. Sehr zum Leidwesen meiner Freundin, übrigens.
Die arbeitet als Redaktionsleiterin «Quiz und Spiele» beim Schweizer Fernsehen. War sie es, die dir geraten hat, bei «MusicStar» mitzumachen?
Überhaupt nicht. Wenn schon, war das der damalige «MusicStar»-Chef Toni Wachter, der mich mit einigen Bierchen bestochen hat.
Du erwähntest vorhin deine Ahnen. Heute wird über die Ausdehnung der Personfreizügigkeit nach Rumänien und Bulgarien abgestimmt. Was ist deine Meinung?
In dieser Angelegenheit überlasse ich das Urteil lieber jenen, die wirklich wissen, worum es geht. Und das tue ich nicht. Denn obwohl ich immer laut predige, man solle abstimmen gehen, muss ich zu meiner Schande gestehen: Ich selber gehe nie.
Als Weltenbummler müsstest du ja für offene Grenzen stehen?
Grenzen gibt es ohnehin nicht. Wir Menschen ziehen sie selbst, im Lauf der Zeit verändern sie sich ständig. Wir müssen uns als Einheit begreifen, wie ein Pilz oder ein Ameisenhaufen. Denn wir sind alle Erdenbürger.
«MusicStar»-Juror gipfelt.
«MusicStar»-Juror gipfelt.