Im März 1958 versuchte Will Quadflieg, mich dringend zu kontaktieren, wie man in dem Telegramm nachlesen kann, das mich schliesslich im Hotel Lancaster in Paris erreichte. Erst hatte er es erfolglos bei meiner Mutter in Zürich versucht, dann im Münchner Hotel Königshof, aus dem ich bereits ausgecheckt hatte. Die Schnitzeljagd endete in Paris, wo ich zu der Zeit den Film «Le Joueur» mit Gérard Philipe drehte.
«Lieselottchen rufe mich bitte an 86 03 54 Hamburg Grüsse Will Quadflieg» – lautete die Nachricht an mich.
«Lieselottchen» und «Mamma Lisa»
Mit Quadflieg hatte ich meine ersten Bühnenerfahrungen gesammelt. Als ich 1949 die Chance bekam, am Schauspielhaus Zürich zu spielen, griff ich sofort zu, auch wenn es nur eine kleine Rolle war, besser gesagt zwei. Für «Faust II» suchte man die Besetzung für zwei Knabenrollen, Euphorion und ein Wagenlenker. Zum Ensemble gehörte neben Gustav Knuth auch Will Quadflieg, damals schon ein grosser Schauspielstar, der mir, dem Neuling, der Anfängerin, Mut machte, wenn etwas schiefging, und mir gute Ratschläge gab, wenn ich mal nicht weiterwusste. Bei den Proben zu «Faust II» kam es zu der schon legendären Anekdote, die ich gern erzähle. Regie führte Leonard Steckel, Stecki genannt, der wegen seiner cholerischen Anfälle gefürchtet wurde. Manche nannten ihn «Stecki der Schreckliche». Man konnte es ihm nur schwer recht machen. Als ich einmal während einer Probe nicht sofort das umsetzte, was Stecki verlangte, brüllte er aus dem Zuschauerraum: «Merken Sie sich das endlich mal, Sie Arschloch! Ein Wahnsinn, dass man Sie engagiert hat!» Das sass. Schweigen. Und ich seelenruhig: «Zu meinem Arschloch können Sie du sagen!» Und er fiel vor Lachen fast vom Stuhl. Im Sommer 1957 spielte ich erneut mit Will Quadflieg Theater, «Emilia Galotti», bei den Salzburger Festspielen. Was genau der Grund war, warum mich Will im März 1958 so dringend sprechen wollte und mir dieses Telegramm schickte, kann ich mit Gewissheit nicht mehr sagen. Aber ich glaube, er wollte mich damals für ein weiteres Theaterprojekt gewinnen, welches jedoch letztlich nicht zustande kam.
Über 50 Kinofilme und annähernd zwei Dutzend Fernsehproduktionen: Keine Schweizer Schauspielerin prägt mit ihrem Gesicht die Filmwelt so wie Liselotte Pulver. Im deutschsprachigen Kino der 1950er- und 1960er-Jahre ist sie einer der populärsten Stars, die bekannteste Schauspielerin aus der Schweiz. Berühmt machen sie 1955 Rollen wie das Vreneli in «Uli der Pächter» an der Seite von Hannes Schmidhauser oder die der Titelfigur in «Ich denke oft an Piroschka».
Am 11. Oktober 1929 als drittes Kind von Fritz Eugen Pulver und seiner Ehefrau Germaine in Bern zur Welt gekommen, macht sie die Handelsschule und arbeitet nach dem Diplom 1948 zunächst als Model. Nach Unterricht bei Margarethe Noé von Nordberg, der Mutter der Filmdarsteller-Familie Schell, lässt sich Lilo Pulver an der damaligen Schauspielschule Bern vollends zur Mimin ausbilden. Es folgen Bühnen-Engagements fürs Stadttheater Bern und das Schauspielhaus Zürich, danach erste Filmauftritte.
Mit ihrer frech-fröhlichen Mimik ist Pulver schon bald auf burschikose Frauenrollen abonniert wie im Spielfilm «Das Wirtshaus im Spessart» (4) von 1958, wofür sie den Deutschen Filmpreis als beste Hauptdarstellerin erhält. Ebenfalls für Furore sorgt ein Jahr zuvor die Komödie «Die Zürcher Verlobung», in dessen TV-Remake von 2007 Lilo Pulver einen Cameo-Auftritt hat – ihre letzte Szene vor einer Kamera. Von 1978 bis 1985 prägte und beglückte sie eine ganze Fernseh-Generation in der deutschen Ausgabe der «Sesamstrasse».
Den internationalen Durchbruch feiert sie 1961 in Billy Wilders Hollywood-Produktion «One, Two, Three», worin sie als «Fräuleinwunder Ingeborg» im gepunkteten Kleid auf dem Tisch den legendären Säbeltanz vollführt und den sowjetischen Agenten den Kopf verdreht. Nicht nur denen, sondern auch ihrem zukünftigen Ehemann Helmut Schmid (1925–1992), der ebenfalls im Film mitspielt. Die beiden sind von 1961 bis zu Schmids Tod verheiratet und bekommen 1962 den Sohn Marc-Tell (57) und 1968 Tochter Mélisande († 21). Liselotte Pulver lebt heute zurückgezogen in einem Berner Altersheim.
Daniel Arnet
Über 50 Kinofilme und annähernd zwei Dutzend Fernsehproduktionen: Keine Schweizer Schauspielerin prägt mit ihrem Gesicht die Filmwelt so wie Liselotte Pulver. Im deutschsprachigen Kino der 1950er- und 1960er-Jahre ist sie einer der populärsten Stars, die bekannteste Schauspielerin aus der Schweiz. Berühmt machen sie 1955 Rollen wie das Vreneli in «Uli der Pächter» an der Seite von Hannes Schmidhauser oder die der Titelfigur in «Ich denke oft an Piroschka».
Am 11. Oktober 1929 als drittes Kind von Fritz Eugen Pulver und seiner Ehefrau Germaine in Bern zur Welt gekommen, macht sie die Handelsschule und arbeitet nach dem Diplom 1948 zunächst als Model. Nach Unterricht bei Margarethe Noé von Nordberg, der Mutter der Filmdarsteller-Familie Schell, lässt sich Lilo Pulver an der damaligen Schauspielschule Bern vollends zur Mimin ausbilden. Es folgen Bühnen-Engagements fürs Stadttheater Bern und das Schauspielhaus Zürich, danach erste Filmauftritte.
Mit ihrer frech-fröhlichen Mimik ist Pulver schon bald auf burschikose Frauenrollen abonniert wie im Spielfilm «Das Wirtshaus im Spessart» (4) von 1958, wofür sie den Deutschen Filmpreis als beste Hauptdarstellerin erhält. Ebenfalls für Furore sorgt ein Jahr zuvor die Komödie «Die Zürcher Verlobung», in dessen TV-Remake von 2007 Lilo Pulver einen Cameo-Auftritt hat – ihre letzte Szene vor einer Kamera. Von 1978 bis 1985 prägte und beglückte sie eine ganze Fernseh-Generation in der deutschen Ausgabe der «Sesamstrasse».
Den internationalen Durchbruch feiert sie 1961 in Billy Wilders Hollywood-Produktion «One, Two, Three», worin sie als «Fräuleinwunder Ingeborg» im gepunkteten Kleid auf dem Tisch den legendären Säbeltanz vollführt und den sowjetischen Agenten den Kopf verdreht. Nicht nur denen, sondern auch ihrem zukünftigen Ehemann Helmut Schmid (1925–1992), der ebenfalls im Film mitspielt. Die beiden sind von 1961 bis zu Schmids Tod verheiratet und bekommen 1962 den Sohn Marc-Tell (57) und 1968 Tochter Mélisande († 21). Liselotte Pulver lebt heute zurückgezogen in einem Berner Altersheim.
Daniel Arnet
Will Quadflieg nannte mich «Lieselottchen», für Otto – O. W. Fischer – war ich die «Mamma Lisa». Das gefiel ihm besser als Lilo. Otto nannte mich immer Lisa. Als er mir im Oktober 1962 einen Brief schrieb, bereitete Artur Brauner gerade unseren nächsten gemeinsamen Film vor, «Frühstück im Doppelbett», der im folgenden Jahr gedreht werden sollte. Wer die Regie übernehmen sollte, war noch nicht entschieden. Axel von Ambesser war im Gespräch und Brauners Favorit. Und auch ich wollte unbedingt mit ihm arbeiten, hatte ich doch gerade erst «Kohlhiesels Töchter» mit ihm gedreht und die besten Erfahrungen gemacht. Otto sah das völlig anders und präferierte Rudolf Jugert, einen damals ebenfalls sehr bekannten Regisseur, mit dem Otto bereits gearbeitet hatte.
«Von Herrn Jürgens diktiert in seiner Abwesenheit»
Wie ich schon sagte, Otto war ein Freigeist, konnte aber auch ein Querkopf sein, der mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg hielt. Er schrieb mir: «Ich lehne Ambesser ab (was Brauner ausdrücklich bekannt war). Ich mag Ambesser nicht, ebenso wenig wie er mich mag, und für so eine charmante Seifenblase müsste doch gute Stimmung im Atelier sein. […] Ich habe mehr als guten Willen gezeigt, d. h. mich wochenlang bereits mit meinen Texten sowie denen des ‹Naturburschen› beschäftigt, der auch eine sehr gute Rolle werden müsste. […] Wenn Du eine Lösung siehst, ruf mich an […].» Und versöhnlich endet Otto mit «in alter Bewunderung bin ich Dein, Mütter respektvoll liebender Otto».
Am Ende setzte sich von Ambesser durch, und unter seiner Regie entstand eine wunderbar beschwingte Komödie. Ganz Profi liess sich Otto bei den Dreharbeiten nichts von seinem Ärger im Jahr zuvor anmerken.
Einen regen Austausch von Briefen und Telegrammen gab es mit Curd Jürgens, von ihm und unserer Freundschaft habe ich bereits erzählt. Beide waren wir ständig in der Welt unterwegs, er noch viel mehr als ich. Aber wann immer wir wussten, dass der andere gerade in derselben Stadt war, haben wir uns verabredet. Nachdem die Aussenaufnahmen für «Gustav Adolfs Page» beendet waren, zog das komplette Team nach Wien, wo im Atelier weitergedreht wurde. Mich hatte man im Hotel Sacher eingebucht. Dort erhielt ich ein Telegramm von Curd mit einer Einladung zu Cocktails um 18:30 Uhr im Sacher. UAWG – um Antwort wird gebeten. Ich sagte natürlich zu.
Oftmals diktierte Curd seine Korrespondenz einer Sekretärin, die diese dann in seinem Auftrag verschickte. «Von Herrn Jürgens diktiert in seiner Abwesenheit, von seiner Sekretärin signiert», war auf dem Briefkopf zu lesen. Handschriftliche Briefe von Curd waren daher etwas Besonderes, und sie waren immer ungewöhnlich, enthielten versteckte Andeutungen, Verklausulierungen, waren mit Chiffren und Zeichnungen gespickt.
«Liebste Liselotte, jeden Morgen muss ich an Dich denken»
Ach, Heinz … Wie sehr habe ich ihn gemocht, diesen wunderbaren Menschen, einzigartigen Schauspieler und lebensklugen Mann. Mit seinem pfiffigen Blick brachte Rühmann Generationen von Kinogängern zum Lachen. Er war von kleiner Statur, füllte aber jeden Raum, egal welcher Grösse, sobald er ihn betrat. Das ist es, was einen «Star» wirklich ausmacht. Wenn man ihn selbst fragte, was in unseren Beruf wichtig sei, worauf es wirklich ankomme, lautete seine Antwort: «Disziplin! Ohne Disziplin geht nichts.»
Über Jahrzehnte standen wir in Kontakt und schrieben uns regelmässig. Von Heinz kamen zumeist Karten mit nur wenigen Sätzen, aber jedes Wort hatte Gewicht. Bestes Beispiel sind die Zeilen, die er mir im Juni 1989 schrieb, damals war er bereits 87 Jahre alt.
«Liebste Liselotte, jeden Morgen, wenn ich aufstehe, muss ich an Dich denken, nehme mir vor, zu schreiben, und wenn es so weit ist, kann ich es nicht. ‹Schreib das›, sagte meine Frau. Und so kann ich Dich jetzt nur in den Arm nehmen. Wir sind bei Dir, Dein alter Heinz!»
Im Juni 1989 war unsere Tochter Mélisande gestorben. Die Worte des Freundes taten mir gut.
Zum Jahreswechsel 1988/1989, am 28. Dezember, erhielt ich eine Karte mit diesen Worten: «Liebe Lachwurzen, liebste Liselotte, ich bin zweimal abgestürzt und konnte nicht weiterfliegen, weil die Maschine kaputt war! Aber ich musste sofort mit einer anderen weiterfliegen, das macht man so! Alles Liebe und bald wieder, über die Welt und überhaupt, Dein alter Heinz.» Auch das war Rühmann, seine Wünsche fürs neue Jahr. Weiterfliegen, auch wenn man abgestürzt ist. Nicht aufgeben …
Fliegen – das war Rühmanns grosse Leidenschaft. Bis ins hohe Alter sass er im Cockpit, und erst mit 80 Jahren gab er seinen Flugschein ab. Sein erstes eigenes Flugzeug hatte er sich von seiner Gage für «Die Drei von der Tankstelle» gekauft. Fliegen, sagte er, das bedeute für ihn das Losgelöstsein von der Erde, das Erhobensein in eine Atmosphäre, in der man sich frei fühle, zugehörig zu den Elementen.
Helmut Schmid und Helmut Schmidt
Aus der Politik hielt ich mich zumeist raus und vermied es, mich öffentlich politisch zu äussern. Nicht weil ich keine Meinung hatte, aber ich fühlte mich nicht dazu berufen. Dennoch gab es hier und da Begegnungen mit Politikern und Politikerinnen. Mit Hans-Dietrich Genscher waren mein Mann und ich gut befreundet, aber das hatte keine politischen Hintergründe. Hans-Dietrich und wir verstanden uns einfach gut. Nur einmal suchte ich von mir aus die Nähe zu einem Staatsmann. Und das war Konrad Adenauer. Damals war er aber schon nicht mehr im Amt. Adenauers Persönlichkeit, seine Geschichte, sein Werdegang faszinierten mich. Am 20. Juli 1966 empfing uns der ehemalige deutsche Bundeskanzler in seinem Bonner Büro. Er war damals schon über 90 Jahre alt, strahlte aber eine ungeheure Jugendlichkeit aus. Eingefädelt hatte das Treffen der damalige Fraktionschef Rainer Barzel, der Adenauer auf meinen Wunsch, ihn kennenzulernen, ansprach und dessen Einwilligung erhielt. Am 12. Juli schrieb Barzel mir: «Er ist gern bereit, Sie zu empfangen und Ihnen seine Memoiren mit seiner Widmung zu überreichen. Sein Büro hat die Anweisung, alles zu arrangieren, wenn Sie sich melden, gnädige Frau.»
Acht Tage später war alles arrangiert. Worüber redet man mit einem Bundeskanzler a. D., wenn nicht über Politik? Zum Beispiel über die Schweiz. Adenauer berichtete von seinen früheren Urlauben in meiner Heimat. Die Eidgenossen hätten es aber nicht gern gesehen, wenn er von dort aus als Kanzler seine Regierungsgeschäfte tätigte, wegen ihrer Neutralität. Wir unterhielten uns über meine Filme, von denen Adenauer den einen oder anderen kannte. Und wir sprachen über Politiker und warum viele von ihnen so wenig Humor hätten. Dabei lachte Adenauer selbst am meisten. Ich war von ihm sehr beeindruckt, voller Respekt vor seiner Lebensleistung. Ein knappes Jahr später, im April 1967, hörte ich im Radio die traurige Nachricht von seinem Tod.
Später lernte ich auch Bundeskanzler Helmut Schmidt kennen. Ihm und seiner Frau Loki begegnete ich gelegentlich bei öffentlichen Veranstaltungen. Loki war eine Frau, die über die Gabe verfügte, mit ihrer natürlichen Art die Herzen der Menschen zu öffnen. Für viele Frauen wurde sie zu Recht zu einem Vorbild. Als Helmut Schmidt 1974 die Nachfolge von Willy Brandt antrat, schickte ich ihm meine besten Wünsche für seine Amtszeit. Und aus dem Bonner Kanzleramt kamen prompt ein paar Dankesworte.
Es kam immer wieder zu nicht ganz ernst gemeinten Verwechslungen von Helmut Schmidt, dem Kanzler, mit Helmut Schmid, meinem Mann. Einmal, bei einem Empfang, standen mein Mann und ich gleich neben dem Bundeskanzler, und die anderen Anwesenden klopften Sprüche. Wer denn nun wer sei bei den beiden Helmuts … Der Bundeskanzler grinste in die Menge und sagte im schönsten Hamburgisch: «Schmidt mit ‹t›! Das ist der Unterschied!»
Copyright © 2019 by Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg
Liselotte Pulver (mit Peter Käfferlein und Olaf Köhne), «Was vergeht, ist nicht verloren. Drehbuch meines Lebens. Lilo Pulver öffnet ihr Privatarchiv», Hoffmann und Campe Verlag, 2019, 232 Seiten, 31.90 Franken; das Buch kommt am 4. September in den Handel
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