Dr. Thomas Cerny über seinen Patienten Kurt Felix
«Akzeptieren, dass man den Krebs nicht ganz wegbringt»

Publiziert: 10.04.2010 um 23:55 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 00:09 Uhr
Interview: Hannes Britschgi

Nach fünf Jahren ohne Rückfall gilt ein Krebspatient als geheilt. Bei Kurt Felix ist der Krebs nach sieben Jahren zurück. Warum?
Thomas Cerny:
Es ist nicht der übliche Rückfall. Der Krebs war, kaum spürbar, immer noch da. Wir haben vor sieben Jahren gesehen, dass er bereits weit fortgeschritten war. Man musste akzeptieren, dass man ihn nicht ganz wegbringt. Wir wussten aber, dass der Tumor mit regelmässigen Therapien sozusagen als chronische Erkrankung zu behandeln war.

Sie konnten ihn nicht besiegen, aber zähmen.
Genau. Das Ziel war, das Wachstum des Tumors zu kontrollieren, um Kurt Felix eine gute Lebensqualität gewähren zu können.

Kurt Felix leidet an der ganz seltenen Krebsart Thymom. Was heisst das?
Der Thymus ist ein Organ hinter dem Brustbein, in der Brusthöhle. Dieses Organ benötigen wir vor allem als Kinder, damit unser Immunsystem lernen kann, was Aussenwelt und was eigene Welt ist, was die eigene Blutgruppe ist und was eine fremde. Dieses Organ verkümmert im Erwachsenenalter, kann aber in seltenen Fällen auch Ursprung bösartiger Tumore werden. Das ist bei Kurt Felix leider vor Jahren bereits passiert.

Wie konnte Kurt Felix diesen Tumor bemerken?
Der Tumor kann nicht nach vorn wachsen, weil das Brustbein eine natürliche Barriere bildet. So wächst er halt im weiten Brustraum Richtung Herz, um die Lungen herum, und beansprucht immer mehr von dem Raum, in dem die Lunge aufgehängt ist. Er verdrängt sie, meist ohne Symptome zu produzieren. Der Mensch kann auch mit einem Lungenflügel leben. Deshalb kann es eben sehr lange dauern, bis der Patient etwas merkt. Kurt Felix hat sogar nichts gespürt. Dann hat eine Routineuntersuchung die Krankheit zutage gebracht.

2003 entdeckte man bei Kurt Felix den Tumor – leider so spät, dass zwei Operationen und vier Chemotherapien notwendig wurden. Warum mussten Sie so massiv mit Chemotherapien eingreifen?
Wenn man sieht, dass man operativ keine Heilung erreichen kann, dann versucht man den Tumor kleiner zu machen und am weiteren Wachstum zu hemmen. Zum Glück hat Kurt Felix sehr gut auf die Chemotherapie angesprochen. Bei den beiden Operationen haben wir damals gesehen, dass wir selbst bei einem sehr grossen Eingriff keine Chance hatten, alles zu erwischen. Die Alternative war dann eben vorerst die Chemotherapie.

Hatten Sie Angst, dass Kurt Felix mit Metastasen rechnen musste?
Das ist bei jedem bösartigen Tumor so. Aber ein Thymom bleibt in der Regel lange auf den Brustraum begrenzt. Wenn eine Fernmetastasierung kommt, dann sehr spät. Ein Thymom wie bei Kurt Felix gehört glücklicherweise zu den Tumoren, die eher langsam wachsen.

Wie sehen Sie die Chancen für Kurt Felix?
Der Tumor drückt nach sieben Jahren im Moment unglücklicher- weise auf eine Nervenstelle. Das ist eine indirekte Folge des Tumors, eine lokale Komplikation. Deshalb müssen wir einen guten Weg finden, damit Kurt Felix diese Komplikation überwinden kann.

Welche Beschwerden muss Ihr Patient zurzeit ertragen?
Er hatte heftige Schmerzen, eben weil der Tumor auf eine Nervenstelle drückt. Es geht nicht darum, mit einer heroischen Operation den Tumor zu entfernen, sondern die aktuelle Komplikation zu entschärfen. So wie es im Moment aussieht, werden wir das chirurgisch und mit Strahlentherapie behandeln und später wieder medikamentös begleiten.

Es ist also der gleiche Tumor, den Sie seit Jahren therapieren, beobachten, in Schach halten.
So ist es. In diesem Sinne ist es auch nicht unerwartet. Wir wussten: Mit jedem Jahr, das wir gewinnen und in dem Kurt Felix eine gute Lebensqualität geniessen kann, ist schon viel erreicht. Das war und bleibt auch jetzt das Ziel.

«Der Krebs ist zurück» ist medizinisch gesehen eigentlich eine falsche Botschaft.
Rein medizinisch gesehen ist es eine falsche Schlagzeile, aber das, was die Leute verstehen. Für uns steht in solchen Situationen die Lebensqualität des Patienten im Zentrum, nicht primär nur die Quantität. Bei Kurt Felix haben wir auf beiden Seiten viel erreichen können.

Kurt Felix hat immer wieder auf die grossartige Leistung seiner Ärzte hingewiesen. Wie können Sie ihm heute helfen?
Ich bin zuversichtlich, dass wir die bestmögliche Lösung finden. Wir sind sieben Jahre weiter. Er hat in dieser Zeit gut leben können. Natürlich zehrt eine solche Krankheit an den Kräften. Aber jede Phase mit Operation und Radiotherapie birgt auch Risiken.

Was steht jetzt an?
Es hängt viel davon ab, ob wir operieren müssen. Das wird sich in den nächsten Tagen entscheiden. Kommt es zur Operation, dann braucht es anschliessend eine Erholungsphase. Es kann in dieser Phase auch Unerwartetes auftreten. Wir hoffen es nicht, aber es wäre naiv zu glauben, eine solche Operation wäre eine Bagatelle.

Ist der Lebenswille wichtig?
Die erfolgreiche Bewältigung einer Krankheit ist abhängig davon, ob der Patient aktiv ist und clever mit seinem Schicksal umgeht. Dieses sogenannte Coping kann den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen. Wenn jemand so vital, vielseitig kreativ ist und so gut von der Partnerin begleitet wird wie Kurt Felix, dann ist das ein Segen.

Seine Frau Paola hat ihn in seinen schwierigsten Stunden enorm unterstützt. Sind Liebe und Geborgenheit medizinisch gesehen von Bedeutung?
Absolut! Ich bin überzeugt: Dass die beiden ein geniales Team sind, hat dazu beigetragen, dass die aktuellen Komplikationen nicht schon nach zwei, drei Jahren auftraten. Kurt Felix hat eine tolle Umgebung, solide Freunde und ist auch als Patient sehr professionell. Darum bin ich zuversichtlich für die kommende Zeit.

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