Wer wird Europameister?
Alain Sutter: Deutschland oder Spanien. Weil sie von vorne bis hinten ausgeglichen besetzt sind.
Ist es schlimm, nicht mehr selber mitzukicken?
Meine aktive Karriere ist längst vorbei. Und ich weiss auch, dass die 90 Minuten auf dem Platz zwar wunderschön sind, aber auch viele Opfer erfordern. Es ist extrem, was man alles tun muss, um auf diesem Feld stehen zu dürfen. Die Reiserei, Trainings, Hotels...
Wie wichtig ist Ihnen Fussball heute?
Ich hatte nach meinem Karrierenende sieben Jahre lang nichts mit Fussball zu tun. Und es ging mir trotzdem gut. Ich könnte also sehr gut ohne Fussball leben. Aber ich habe das Spiel immer noch sehr gerne.
Wie interessiert ist Ihre Frau Melanie (39) an Fussball?
Nur zwangsläufig – wegen mir! Wir sind ja schon 20 Jahre zusammen. Aber sie ist kein Fan.
Was ist Ihr Liebesgeheimnis?
Man muss den Partner voll und ganz akzeptieren und auch Respekt vor seiner Andersartigkeit haben. Ich habe Melanie gegenüber keinerlei Erwartungen. Und sie hat mir gegenüber keinerlei Verpflichtungen. Jeder Mensch hat andere Bedürfnisse, Wünsche, Sehnsüchte. Und die muss er auch ausleben dürfen. Man darf den Partner nicht verändern wollen. Niemals.
Sie haben einen zehnjährigen Sohn, Taya. Wünschen Sie sich weitere Kinder?
Wir lassen es auf uns zukommen. Ich liebe es, Papi zu sein. Kinder sind fantastisch. Aber wir forcieren nichts.
Sie sind früh mit Ihrer Frau zusammengekommen, haben von Jugend an Spitzensport getrieben. Nie das Gefühl, etwas verpasst zu haben?
Absolut nicht! Denkt man so, lebt man unglücklich. Weil man in jedem Moment seines Lebens Hundert Millionen andere Dinge machen könnte. Wir verpassen ja immer mehr im Leben, als wir tatsächlich erleben. Ich könnte jetzt auch an Strand liegen, schwimmen oder Ski fahren... Wenn man immer nur studiert, was man sonst noch alles machen könnte, kommt man gar nicht mehr zum Leben.
Sie haben keine Träume?
Nein, nur Ziele: Projekte, auf die ich konsequent hinarbeite.
Welche sind das momentan?
Das Trainerdiplom ist ein solches Projekt. Ich habe mich im Winter fürs C-Diplom angemeldet. Der Trainerjob ist sehr komplex, was mich fasziniert.
Wie sportlich sind Sie noch?
Ich jogge ab und zu. Aber ich mache Sport nur noch aus Gesundheitsgründen. Ich war nach meiner Karriere nie mehr in einem Fitnessstudio.
Sind Sie reich?
Ich habe gut verdient, aber nichts im Vergleich zu dem, was Fussballer heute verdienen. Das Leben muss mit Inhalten gefüllt werden – egal, ob man jetzt viel Geld hat oder nicht. Ich habe heute aber die Freiheit, zum Beispiel ein Engagement wie dieses bei GC, sofort zu beenden, wenn es für mich keinen Sinn mehr macht.
Was ist das Schlimmste, was Ihnen passieren könnte?
Die Hoffnung zu verlieren.
Haben Sie sich in den letzten 20 Jahren verändert?
Wäre tragisch, wenn nicht. Doch da man immer 24 Stunden am Tag mit sich verbringt, merkt man das gar nicht so. Seit ich ein Kind bin, warte ich darauf, erwachsen zu werden. Bisher vergebens. Ich bin wohl etwas stabiler geworden, akzeptiere mich heute genau so, wie ich bin. Ich will nichts mehr darstellen, sondern bin nur noch ich selbst.
Wie wichtig ist Ihnen Popularität?
Früher habe ich es gebraucht, erkannt zu werden. Ich genoss die Aufmerksamkeit, sie tat mir sehr gut. Heute mache ich mir darüber keine Gedanken mehr, denn ich weiss, dass ich ohne öffentliche Aufmerksamkeit genauso gut leben kann. Ich war lange genug in Miami, Mallorca, Rom – also völlig weg. Mir fehlt nichts, wenn ich keinen Ruhm mehr habe.
Wie eitel sind Sie eigentlich?
Sicherlich viel weniger, als die meisten glauben.
Ihre neue Föhnfrisur mit Seitenscheitel sorgt wieder für Gesprächsstoff.
Jeder darf von mir denken, was er will. Wenn es heisst, ich sei ein eitler Gockel – na und? Ich kann unmöglich gegen Vorurteile ankämpfen. Denn ich kann Menschen nicht verändern. Ich habe keine Macht über andere Leute. Und niemand hat Macht über mich. Die Leute diskutieren schon über eine ganz normale Frisur, wenn es im Zusammenhang mit mir ist. Das ist ihr gutes Recht. Ich bin, wie ich bin.
Wie sind Sie denn?
Mal steif, mal locker, mal arrogant, mal freundlich, mal schüchtern, mal selbstbewusst, mal vorlaut, mal ruhig – ich bin alles, je nach Situation, in der man mich antrifft. Wobei meine Launen nicht von äusserlichen Umständen abhängig sind, sondern nur von meiner inneren Befindlichkeit. Wenn jemand sagt, der Sutter ist ein arrogantes Arschloch, wird er wohl recht haben. Weil ich in dieser Situation wohl tatsächlich ein arrogantes Arschloch war. Mir ist wichtig, dass ich authentisch und immer ehrlich bin. Ich spiele nie etwas. Bin ich also mal sauer, dann darf ich auch sauer sein.
Bereuen Sie etwas in Ihrem Leben?
Alles oder nichts kann ein Problem sein. Ich bereue nichts. Mein Leben hat mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin. Und dieser Mensch ist völlig okay, finde ich. Es nützt nichts zu hadern, denn ändern kann man die Vergangenheit nicht. Es geht darum, die Gegenwart erfüllend zu gestalten. Ich frage mich auch nie, was ist oder wieso ist es so. Das interessiert mich nicht. Für mich gibt es immer nur eine zentrale Frage: Was mache ich daraus?
Hadern Sie nie?
Nein, denn ich weiss: Das Leben besteht aus Zyklen, es geht dauernd rauf und runter. Nicht jeden Tag scheint die Sonne. Aber oft genug.
Wuchs in Bern auf und spielte für die Schweizer Nati 62 Länderspiele. Klubstationen: GC, YB, Bayern München, Dallas Burn. 1998 musste er wegen eines Knorpelschadens in der Hüfte seine Karriere aufgeben. Sutter hält heute Mandate verschiedener Konzerne und analysiert als Experte die EM-Spiele fürs Schweizer Fernsehen. Im März trat er aus dem Verwaltungsrat von GC zurück.
Wuchs in Bern auf und spielte für die Schweizer Nati 62 Länderspiele. Klubstationen: GC, YB, Bayern München, Dallas Burn. 1998 musste er wegen eines Knorpelschadens in der Hüfte seine Karriere aufgeben. Sutter hält heute Mandate verschiedener Konzerne und analysiert als Experte die EM-Spiele fürs Schweizer Fernsehen. Im März trat er aus dem Verwaltungsrat von GC zurück.