«Cirque du Soleil»-Casting in Belp BE
Ring frei für die Show-Karriere

Der berühmte Cirque du Soleil suchte am Samstag neue Artisten und zwar in Belp im Berner Mittelland. Besonders begehrt sind die Schweizer Ringturner.
Publiziert: 14.12.2015 um 19:02 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 21:31 Uhr
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Francis Buchi, einer der Bewerber, an den Ringen. Im Hauptberuf arbeitet er im Büro.
Foto: Peter Mosimann
Von Attila Albert (Text) und Peter Mosimann (Fotos)

Der Weg zum Ruhm hat den Charme einer Schulsportstunde: Liegestütze, Klimmzüge, Seilklettern, Sprünge. Die Bestnote verspricht einen Platz auf der Bühne im Scheinwerferlicht.

Der berühmte Cirque du Soleil (21 Shows weltweit) suchte am Samstag neue Artisten. Sonst finden die Castings in Las Vegas (USA), Montreal (Kanada), Paris oder London statt – diesmal in Belp im Berner Mittelland.

«Nur in der Schweiz finden wir die Ringturner, die uns so wichtig sind», sagt Talentscout Philippe Agogué (51), «diese Sport­art ist ziemlich einzigartig.» Die Gründe sind historisch: Der deutsche Exilant Adolf Spiess, ein Turnlehrer, entwickelte 1842 in der Schweiz die Schaukelringe, eine bis heute attraktive, aber seltene Variante des Sports.

40 junge Schweizer, allesamt Amateure aus anderen Berufen, kamen auf Einladung in die Sporthalle Neumatt. Die Türen waren verschlossen, kein Schild wies auf die Gäste hin. Agogué war extra aus Frankreich gekommen, flog am Folgetag schon weiter nach Moskau.

Flavia Imfeld (23) aus Sarnen, eigentlich Studentin der Physiotherapie, kämpfte sich durchs Vorturnen: Fitness­parcours mit fünf Tests für Kraft, Balance, Ausdauer, Ringe, Sprünge. «Ich trainiere viermal pro Woche zwei bis vier Stunden. Es wäre so toll, wenn es klappen würde», sagt sie.

Francis Buchi (24) arbeitet als Sponsorenbetreuer beim Hockey Club Lausanne und trainiert seit fast 20 Jahren Kunstturnen. Der Cirque du Soleil fordert auch ihn heraus: Er muss, wie alle, auch spontan vor der Gruppe vortanzen – unter anderem mit einem anderen Mann.

In jeder Runde fällt für einige Bewerber der Vorhang. Elek­triker Tim Aebi (21) aus Solothurn, der mit sieben Jahren seine erste Cirque-Show sah und seitdem vom Theater träumt, ist «nicht der richtige Typ». Web­entwickler Jeremy Willi (22) aus Genf hat «nicht sauber genug geturnt».

«Mit solchen Enttäuschungen muss man früh umgehen lernen», sagt Andreas Gasser (34), einer der lokalen Organisatoren und selbst langjähriger Turner. «Der Cirque ist anspruchsvoll, neben der Fitness entscheiden auch psychologische Stärke und Ausdauer.»

Jeder Bewerber wird bei jedem Schritt gefilmt, das Mate­rial kommt später mitsamt Biografie in die Artisten-Datenbank des Cirque du Soleil. Am Morgen war die Halle noch eisig kalt, am Nachmittag tanzen und improvisieren die verschwitzten jungen Sportler. Und plötzlich liegt tatsächlich ein Hauch von Theatermagie in der Luft.

16 Bewerber schaffen es am Ende, Flavia und Francis sind darunter. Sie wissen noch nicht, in welcher Show sie der Cirque du Soleil einsetzen wird. Doch eines Tages, das spüren sie nun, wird die Bühne ihnen gehören.

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