Sie bricht ein Tabu! Stolz steht Christine Brügger (68) in ihrer Galerie in der Berner Altstadt vor bunten Gemälden, die aussehen, als hätten sie Picasso oder Matisse gemalt. Es sind Werke des weltbekannten Kunstfälschers Wolfgang Beltracchi (63). «Die Bilder sind fantastisch», schwärmt Brügger. «Es gibt heutzutage nicht viele Maler, die so viele verschiedene Techniken beherrschen wie er.»
Doch der gebürtige Deutsche hatte genau dieses Talent lange missbraucht: Mehr als drei Jahrzehnte malte Beltracchi im Stil der grössten Künstler aus vier Jahrhunderten und kassierte mit seinen Fälschungen Millionen – bis er 2010 wegen einer zu modernen Farbe bei einem angeblichen Werk des Malers Heinrich Campendonk (1889–1957) aufflog. Seither ist der Fälscher im offenen Vollzug in Köln (D) – und Persona non grata in der deutschen Kunstszene. Dort gebe es gegen ihn eine Art Ausstellungsverbot, erlassen vom Verband der deutschen Galeristen, erklärt Brügger. Sie hingegen sei von Beltracchi viel mehr fasziniert denn brüskiert. «Ich habe von ihm gelesen und wollte ihn unbedingt kennenlernen», sagt sie zu ihren Beweggründen. «Seine Präzision ist verblüffend. Und schliesslich schreibt er ja heute korrekt seinen Namen drunter. Deshalb habe ich den Künstler einfach angerufen.»
Beim Treffen in Beltracchis Atelier in Köln habe die Chemie zwischen ihnen dann sofort gestimmt – und Beltracchi zu einer Ausstellung Ja gesagt. Nun hängen die Gemälde in der Handschrift weltbekannter Künstler in Brüggers Galerie. Kostenpunkt: 9500 bis 146 000 Franken. «Ein echter Beltracchi hat seinen Preis», findet die Expertin. «Und die Leute sind auch bereit, diesen zu bezahlen. Schon vor Eröffnung der Ausstellung stapelten sich bei mir die Anfragen.» An der Vernissage am Sonntagabend sei sie dann förmlich überrannt worden. «Es war der Wahnsinn. 700 Leute kamen», so Brügger. «Die Hälfte der Bilder ist verkauft oder reserviert.»
Nur einer blieb dem Anlass fern: Wolfgang Beltracchi. Der Fälscher befindet sich noch bis zum 9. Januar 2015 im offenen Vollzug, darf nicht ins Ausland reisen. Einzig Gattin Helene (61), die nur vier Jahre sitzen musste, war vor Ort. Beltracchi selbst wurde per Skype aus seinem Atelier zugeschaltet, bevor er zurück in die Zelle musste.
In fünf Wochen kommt Beltracchi aus dem Knast. Und will auch auf freiem Fuss nur eines tun: «Malen, malen, malen. Da ich nichts mehr besitze, kann ich mir die Bequemlichkeit nicht mehr erlauben», erklärt er. Bereuen tue er übrigens keines seiner Bilder. «Ich liebe jedes zutiefst. Ich bereue nur die falsche Unterschrift.»