Ein Glas Weisswein und eine Andouillette, die französische Wurstschlemmerei schlechthin, verzehrte Claude Monet (1840–1926) täglich zum Frühstück. «Und ich versuche es Grand-papa gleich zu tun», sagt Philippe Piguet (60). Der klein gewachsene Franzose wirbelt durch die heute eröffnete Ausstellung des Impressionisten in der Fondation Beyeler in Basel.
Die Schönheit des Seins
«Schaut, diese Seerosen. Sie sind purer Sex», sagt der Kunstkritiker und intimste Kenner seines weltberühmten Ahnen. Mannshoch erstreckt sich das monumentale Gemälde meterlang. Piguet erklärt: «Den Sinn für die Sinnlichkeit hatte Monet von Grand-maman.» Pikant: Alice Hoschedé lebte zeitweise mit ihrem ersten Mann Ernest Hoschedé, dem grössten Förderer Monets und dem Maler selbst unter einem Dach. Welches Kind, welcher Mann am Ende zeugte? Unwichtig. Piguet: «Alice jüngstes Kind Jean-Pierre Hoschedé ist garantiert von Monet.» «Sie zelebrierten halt das ‹plaisir d'être› – die Schönheit des Seins», sagt Philippe Piguet.
«Kunst, die gemeinhin als schön gilt: Ist das angesichts der Weltlage mit Trump und anderen Katastrophen überhaupt angebracht?», fragt der Chef der Fondation Beyeler, Sam Keller (51), beim Rundgang und zitiert Monets Epochenfreund Friedrich Nietzsche (1844–1900): «Wir haben sie, damit wir nicht an der Wahrheit zugrunde gehen.»
Die Sehnsucht nach der Langsamkeit gab es schon damals
Claude Monet, der König der Impressionisten, verwandelte Leinwände in leuchtende Wasserlandschaften, umstrich mit warmen Farben die Schönheit der Natur, während die Menschheit sich zwischen Industrialisierung und erstem weltumspannendem Krieg nach Langsamkeit und dem Ursprünglichen sehnte. «Darum ist Monet aktueller denn je!», sagt Piguet. Ein Bild müsse keine Opfer zeigen, um politischer Sprengstoff zu sein, sind sich die beiden Kunstliebhaber einig.
Seiner Zeit voraus war der Maler allemal: Verliebt in die Frau seines Mäzens, lebte er in aller Selbstverständlichkeit in einer Patchwork-Familie, fand im Kultivieren seines Gartens die persönliche Erfüllung und war auf der ewigen Suche nach dem Sinn. «Monet war der erste Hipster», sagt sein Urenkel schmunzelnd. Mit Bart, Pinsel und ‹beaucoup d’amour›.