Philippe Piguet (60) ist der Urenkel des grossen Malers
«Monet war der erste Hipster»

Er liebte den Genuss, die Frau seines Mäzens und die Seerosen: Warum Claude Monet fast ein Jahrhundert nach seinem Tod noch immer aktuell ist, erklärt dessen Urenkel Philippe Piguet.
Publiziert: 21.01.2017 um 00:06 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 22:55 Uhr
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Seine Ur-Grossmutter Alice sei «die Schlüsselperson des Impressionismus», sagt Philippe Piguet. Sie heiratete Claude Monet (hinten, ein Foto von 1888 -90), nachdem ihr erster Mann und Monets grösser Förderer, gestorben war. Die Liebe der beiden entflammte jedoch Jahre zuvor.
Foto: STEFAN BOHRER
Cinzia Venafro

Ein Glas Weisswein und eine Andouillette, die französische Wurstschlemmerei schlechthin, verzehrte Claude Monet (1840–1926) täglich zum Frühstück. «Und ich versuche es Grand-papa gleich zu tun», sagt Philippe Piguet (60). Der klein gewachsene Franzose wirbelt durch die heute eröffnete Ausstellung des Impressionisten in der Fondation Beyeler in Basel.

Die Schönheit des Seins

«Schaut, diese Seerosen. Sie sind purer Sex», sagt der Kunstkritiker und intimste Kenner seines weltberühmten Ahnen. Mannshoch erstreckt sich das monumentale Gemälde meterlang. Piguet erklärt: «Den Sinn für die Sinnlichkeit hatte Monet von Grand-maman.» Pikant: Alice Hoschedé lebte zeitweise mit ihrem ersten Mann Ernest Hoschedé, dem grössten Förderer Monets und dem Maler selbst unter einem Dach. Welches Kind, welcher Mann am Ende zeugte? Unwichtig. Piguet: «Alice jüngstes Kind Jean-Pierre Hoschedé ist garantiert von Monet.»  «Sie zelebrierten halt das ‹plaisir d'être› – die Schönheit des Seins», sagt Philippe Piguet. 

«Le bassin aux nympheas» (1917-1920) von Claude Monet ist fester Bestandteil der Sammlung Beyeler. «Ich verfolge einen Traum - ich will das Unmögliche», ist eines der berühmten Zitate des Malers.
Foto: GEORGIOS KEFALAS

«Kunst, die gemeinhin als schön gilt: Ist das angesichts der Weltlage mit Trump und anderen Katastrophen überhaupt angebracht?», fragt der Chef der Fondation Beyeler, Sam Keller (51), beim Rundgang und zitiert Monets Epochenfreund Friedrich Nietzsche (1844–1900): «Wir haben sie, damit wir nicht an der Wahrheit zugrunde gehen.»

AM UFER DER EPTE (Öl auf Leinwand, 76 x 96,5 cm) National Gallery of Canada, Ottawa, Gift of the Saidye Bronfman Foundation
Foto: © National Gallery of Canada

Die Sehnsucht nach der Langsamkeit gab es schon damals

Claude Monet, der König der Impressionisten, verwandelte Leinwände in leuchtende Wasserlandschaften, umstrich mit warmen Farben die Schönheit der Natur, während die Menschheit sich zwischen Industrialisierung und erstem weltumspannendem Krieg nach Langsamkeit und dem Ursprünglichen sehnte. «Darum ist Monet aktueller denn je!», sagt Piguet. Ein Bild müsse keine Opfer zeigen, um politischer Sprengstoff zu sein, sind sich die beiden Kunstliebhaber einig. 

Seiner Zeit voraus war der Maler allemal: Verliebt in die Frau seines Mäzens, lebte er in aller Selbstverständlichkeit in einer Patchwork-Familie, fand im Kultivieren seines Gartens die persönliche Erfüllung und war auf der ewigen Suche nach dem Sinn. «Monet war der erste Hipster», sagt sein Urenkel schmunzelnd. Mit Bart, Pinsel und ‹beaucoup d’amour›. 

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