Spukt hier der Geist von Janis Joplin (†27)?
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Janis Joplin:Spukt hier der Geist von Janis Joplin (†27)?

Unsere Autorin verbrachte eine Nacht im Hotel, wo die Rock-Ikone starb
Eine Nacht mit Janis Joplin

Das 50. Woodstock-Jubiläum rückt Janis Joplin wieder 
ins Scheinwerferlicht. 
Unsere Autorin verbrachte 
eine Nacht in dem Hotel, 
wo die Sängerin verstarb. 
 Ein unheimliches Erlebnis.
Publiziert: 28.07.2019 um 09:03 Uhr
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Aktualisiert: 29.07.2019 um 11:37 Uhr
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Janis Joplin im Zimmer 105 des Landmark Hotels in Los Angeles.
Foto: Getty Images
Siggi Bucher

In diesem Pool planschen? Kaum vorstellbar, nicht mehr. Im Wasser schwimmt so einiges, doch keine Hotelgäste. Der Poolboden ist mit einem grünbraunen Film überzogen. Janis Joplin, Jimi Hendrix und Jim Morrison ­haben dieses Schwimmbecken im Hotel Highland Gardens, das zu ­jener Zeit noch The Landmark ­Motor Hotel hiess, geliebt, erzählt Hotelmanagerin Marie (72). Poolpartys, Zimmerpartys, Flurpartys habe es gegeben, laute Musik, Alkohol, Sex und Drogen. Ein intensi- ves Leben. Alle drei ­Musiklegenden starben im Alter von 27 Jahren und ­gehören deswegen in der Musikszene zum Club 27.

Das Hotel aus den 50ern hat sich seitdem wenig ­verändert. Die Zeit scheint hier stehen geblieben zu sein und die 70er-­Jahre erst gestern geendet zu ­haben. Unweit des Hollywood ­Boulevard in Los Angeles ­gelegen, dem Walk of Fame, dem Sunset Strip und dem Sunset Sound Studio, in dem Joplin zwei Tage vor ­ihrem Tod den Song «Mercedes Benz» aufgenommen hatte, war es eine ­beliebte Absteige für Musiker. Jetzt ist es ein Ort, an dem ruhe­lose Seelen zu Hause sind, wenn man dem ­Hotelpersonal und einigen ­Hotelgästen glauben möchte. Janis Joplin hatte zwischen 1968 und 1970 regelmässig hier gewohnt, ­immer im Zimmer 105, in dem sie am 4. Oktober 1970 an einer Überdosis ­Heroin gestorben ist.

Zimmer mit Ausblick auf den Dealer

«Warum gerade dieses Zimmer?», frage ich Marie. Immerhin liegt es im Parterre, direkt an der stark ­befahrenen Franklin Avenue. Genau deswegen, erklärt sie. Janis hat von diesem Zimmer aus ihren Drogendealer kommen sehen, das war ihr wichtig. Wenn er Verspätung hatte, verliess sie ihr Zimmer, ging durch die Lobby, öffnete die doppelflügelige Glastür des Haupteingangs, trat nach draussen, blieb auf der Eingangstreppe stehen und schaute ungeduldig die Franklin hinab. So ging das hin und her, bis er mit dem Stoff auftauchte.

Mein Hin und Her in diesem Hotel lag noch vor mir. Monate zuvor hatte ich ein Zimmer gebucht, wenn möglich Zimmer 105, das von Janis Joplin. Mal sehen, hiess es damals, das wird schwierig, heisst es bei meiner Ankunft. «Wir sind ausgebucht.» Einzig das Küchenstudio mit Bett wäre noch verfügbar, meint der Hotelangestellte Sean (32) und zeigt mir den Raum, in dem es riecht, als hätte sich darin ein Geschwader Hobbyköche ausgetobt. Sean lächelt den Gestank weg, und dabei fällt ihm noch ein weiteres Zimmer ein, eins, das nur selten vermietet wird, lässt er mich wissen. Als wir es betreten, schlägt mir Modergeruch entgegen. Es ist stickig. Sean schaltet die Klima­anlage ein, zieht die Vorhänge zurück, und sofort wird klar, warum dieses Zimmer wenig zum Einsatz kommt. Denn eigentlich ist es schon bewohnt – von daumen­nagelgrossen Käfern, die aus der scheppernden Klimaanlage flüchten. Ein paar liegen dahingerafft auf dem Teppich, die feingliedrigen Beinchen starr wie Antennen nach oben ­gestreckt. Einer krabbelt die Wand hinunter, macht wohlwissend einen Bogen um ein Spinnennetz und springt oder fliegt, so genau lässt sich das nicht sagen, auf das Kingsize-Bett. Keine Angst, du kannst das Bett haben, hier schlafe ich auf keinen Fall.

Blutspritzer und Spritzen

Sean zeigt mir noch ein Zimmer. Überall das gleiche Bild, ich ent­decke sogar eine gebrauchte ­Spritze unter einem Bett und Blutspritzer an der Wand. Das Hin und Her endet kurz vor Mitternacht. Erstaunlicherweise doch noch in Zimmer 105. Jetzt ist es frei, es ist sauber, aber es spuke darin, wird mir prophezeit. Schritte, Singsang und Getrommel seien nachts zu hören. Um ruhig schlafen zu können, so wird mir geraten, soll ich eine Flasche Southern Comfort, Joplins Lieblingsbourbon, in ihren ehemaligen Kleiderschrank stellen. Ich möchte nichts mehr riskieren und renne in den nächsten ­Liquor Store. Wer den wohl trinken wird, frage ich mich, als ich den Bourbon zu den anderen, hauptsächlich geleerten Flaschen stelle. Im Schrank entdecke ich ein Witchboard, um Geister heraufzubeschwören, Zeichnungen, die Janis darstellen, Fotos und Zeitungsausschnitte von ihr. Der Kleiderkasten, ein Schrein, ist vollgeschrieben mit Nachrichten für die berühmte Blues- und Soul-Sängerin. We miss you, love you, we will never forget you.

Es wird eine ruhige halbe Nacht für mich, doch dann kann ich es auch hören. Ein rhythmisches Trommeln, ­begleitet von ­etwas, das sich wie ein gedankenverlo­renes Summen anhört. Die Geräusche kommen aus einem Schrank, ­genauer von einem Boiler, der den Eindruck macht, als hätte er seine besten Tage zu Joplins Zeiten gehabt.

Der Nachtportier meidet Zimmer 105

Es ist jetzt vier Uhr morgens. In der Hotellobby finde ich Nicholaus (37). Dem zwei Meter grossen und 160 Kilo schweren Nachtportier überkommt Panik beim Gedanken, einen Fuss ins Zimmer 105 zu setzen. Niemals, für kein Geld der Welt würde er dort übernachten, schwört er. Er habe schon Gäste ­gesehen, die mitten in der Nacht mit bleichen Gesichtern aus dem Hotel gestürmt seien. Kleider seien verstreut gewesen, Koffer zurück­gelassen, ein Witchboard habe wie weggeworfen in der Zimmerecke gelegen. Janis war dafür bekannt, Sicherheitsleute nicht zu mögen, ­erzählt Nicholaus. Jedes Mal, wenn er 105 betrete, fühle er, wie unsichtbare Hände ihn aus dem Zimmer stossen würden. Oder er sehe aus dem Augenwinkel eine Frau mit ­langen Haaren, die grinsend im Bett sitze. Haare, wie Janis sie hatte.

Manchmal stehe dieselbe Erscheinung in der Eingangshalle. Die Lichter würden dann flackern, und die Glastür des Hoteleingangs würde sich wie von Geisterhand öffnen. «Geh zu Bett, Janis!», würde er dann rufen, damit der Spuk nachlasse. Er fordert mich auf, die geschlossene Glastür im Auge zu behalten, und garantiert mir, je mehr wir über ­Janis reden, desto grösser werde ihre Präsenz. Und dann würde ich schon sehen, was er meine. Zwei Wochen nach dem Tod von Jimi Hendrix und zehn Monate bevor Jim Morrison gestorben sei, weiss Nicholaus aus Erzählungen seiner Vorgänger, habe Janis bis in die ­frühen Morgenstunden auf ihren Dealer gewartet. In Zimmer 105, in der Lobby, vor dem Hotel, bis er schliesslich kam und sie sich einen Schuss setzen konnte. Ihren letzten. Ich schiele zur Glastür – sie ist nach wie vor geschlossen –, und ich behalte auch die Hände des Nacht­portiers im Auge. Ich möchte ihm nicht auf den Leim gehen.

Entdeckt vom Road-Manager

Nicholaus erzählt weiter. Anschliessend sei Janis zurück in die Lobby gekommen, um Zigaretten aus dem Automaten zu holen. Dass sie nach einer Überdosis noch dazu fähig war, führte lange zu Spekulationen über ihre Todesursache. ­Zurück in Zimmer 105, stürzte sie und starb. Die Zigarettenpackung in der einen verkrampften Hand, das Wechselgeld in der anderen. Laut Polizeibericht wurde sie zwölf Stunden nach ihrem Tod von ihrem Road-Manager John Cooke gefunden. Nicholaus zeigt zur Glastür, die sich jetzt mit einem hollywoodreifen Knarren öffnet. Die Lichter flackern. Egal, wie oft er die Tür daraufhin schliesst, sie öffnet sich wieder und wieder von selbst.

Als ich in 105 zurückgehe, um meine Kamera zu holen, um das Glastür-Phänomen auf Video festzuhalten, ist der Kleiderschrank ­geöffnet. Ich wundere mich darüber und schliesse ihn.

Immer wieder die Frau mit langen Haaren 

Unterdessen ist es hell geworden, der Nachtportier wird von seiner Kollegin Jamie (49) abgelöst. Auch sie hat Spukhaftes erlebt. Während einer Nachtschicht habe sie drei Mal eine Frau mit langen Haaren aus dem Augenwinkel wahrgenommen. Sie erinnere sich, dass es ­dabei stets totenstill wurde und dass sich die Frau schneller bewegt ­habe, als ein Mensch rennen ­könne. Doch jedes Mal, wenn sie auf­geschaut hatte, war niemand zu sehen. Und dann zeigt mir ­Nicholaus noch eine Aufzeichnung einer Überwachungskamera des Hotels. Eine schwarz gekleidete Gestalt ist zu erkennen. Sie steht starr in der dunklen, offenbar stets abgeschlossenen Wäschekammer und wirft ihren eigenen Schatten. Auch das filme ich, sonst glaubt mir das keiner.

Als ich in 105 zurückkehre, ist der Kleiderschrank abermals ­geöffnet, obwohl niemand im Zimmer war. Zeit zu gehen. Thank you for the night, Janis.

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