Böhse Onkelz sind ganz lieb
«Wir haben uns Legenden-Status erarbeitet»

Sie spielten mit den Rolling Stones, treten regelmässig vor 100’000 Fans auf. Die Böhsen Onkelz zählen zu den erfolgreichsten Bands deutscher Zunge. Gitarrist Matthias «Gonzo» Röhr (56) über ihren Riesenerfolg und den rechten Ruf, der ihnen bis heute anhaftet.
Publiziert: 04.06.2018 um 14:45 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 14:25 Uhr
Onkelz-Gitarrist Matt «Gonzo» Röhr: «Wir sind eine Rockband mit einem Aussenseiter-Status, den wir pflegen.»
Foto: CHRISTIAN THIELE
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Interview: Dominik Hug

Seit ihrem Comeback 2014 sind die Böhsen Onkelz grösser denn je! Gitarrist Matt «Gonzo» Röhr erklärt, warum das so ist. Und weshalb sie sich heute nicht mehr als politische Band sehen.

BLICK: Bald vier Jahrzehnte rocken Sie mit den Böhsen Onkelz. Was treibt Sie an?
Gonzo: Die Lust, Musik zu machen und der Spass, noch etwas bewegen zu können. Das ist unsere Berufung. Umso schöner ist es, dass die Nachfrage der Fans nach so vielen Jahren noch vorhanden, ja seit unserer Wiedervereinigung 2014 sogar gestiegen ist.

Davor haben Sie zehn Jahre Pause gemacht. Wie haben Sie die Zeit verbracht?
Ich lebte mit meiner Familie sieben Jahre in Uruguay. Ich machte aber auch Radio in Brasilien und nahm in den USA ein paar Platten auf. Die Onkelz waren zu jener Zeit für mich komplett abgehakt. Doch dann näherten wir uns wieder an.

Kritiker motzten, zum Onkelz-Comeback sei es bloss aus kommerziellen Gründen gekommen. Richtig?
Unsinn! Das würden unsere Fans doch gleich durchschauen. Wir haben uns nie verkauft, auch nie angebiedert. Wir stehen für absolute Ehrlichkeit. Während der Jahre, in denen wir uns vom Musikbusiness verabschiedet hatten, sind wir regelrecht mit Fanpost bombardiert worden. Irgendwann begannen wir uns ernsthaft mit dem Gedanken an eine Wiedervereinigung zu beschäftigen. Wir konnten unsere Freundschaft wiederbeleben, was dafür das Wichtigste war. Aufs Geld sind wir längst nicht mehr angewiesen.

Heute füllen Sie Stadien. Warum sind Sie gefragter denn je?
Wir haben inzwischen auf weiteren Ebene ein Alleinstehungsmerkmal: Seit unserer Skin- und Punkphase machen wir mit einer grossen Ernsthaftigkeit Metal-Musik. Bei uns gab es nie eine peinliche Phase. Wir liessen uns nie vom Mainstream vereinnahmen. Wir sind eine Rockband mit einem Aussenseiterstatus, den wir pflegen. Dadurch haben wir uns Legendenstatus erarbeiten können. An unseren Konzerten stehen mittlerweile Generationen vor der Bühne. Sie schätzen unsere Authentizität.

Ganz anders sind die Castingstars, die Sie in Ihrem Lied «Superstar» als «Einfaltspinsel» und «Retorten-Stars» besingen. Warum so grausam?
Mir tun Castingstars leid. In diesen Shows werden Träume und Sehnsüchte in jungen Menschen geweckt, die nie erfüllt werden können. Horror! Sobald ein Castingstar in der Hit-Maschinerie nicht mehr funktioniert, wird er ausgetauscht – und zwar gnadenlos.

Ihre Vergangenheit ist umstritten. Sie werden noch heute von vielen in die rechte Ecke gesteckt. Wie sehr nervt Sie das
Überhaupt nicht mehr. Das liegt schon so weit hinter uns. Da gibt es nichts mehr zu erklären, zum Thema wurde schon alles gesagt. In den 90er-Jahren war es allerdings schon so, dass uns dieser ewige Nazi-Vorwurf gestunken hat. Deshalb zogen wir damals alle nach Irland. Wir wollten uns von diesem vorherrschenden Meinungsdiktat in Deutschland befreien.

In neueren Liedern wie «Deutschland im Herbst» oder «Ohne mich» nehmen Sie Stellung gegen politischen Extremismus, vor allem von Seiten Rechtsextremer. Machen Sie das, weil Sie wegen Ihrer Vergangenheit eine besondere Verantwortung haben?
Wir waren schon immer eine Working Class Band und deshalb sozialkritischer als andere. Aber anderseits sehen wir uns heute nicht mehr als politische Band. Weil wir uns in unseren Anfangstagen eben auch arg die Finger verbrannt haben, sind wir diesbezüglich entsprechend sensibilisiert.

Aber eine Meinung zu Rapper Farid Bang und Kollegah, die mit ihren antisemitischen Äusserungen am Echo für einen Skandal sorgten, haben Sie schon?
Ich bin kein grosser Echo-Fan, aber mich hat schon gewundert, dass als Folge des Skandals jetzt die gesamte Veranstaltung aufgelöst wurde.

Darf Kunst alles?
Nein, es gibt natürlich Grenzen. Kunst darf nicht alles, vor allem nicht, wenn die Aussagen so platt getroffen werden wie das Farid Bang und Kollegah getan haben. Hier ging es doch nur um Effekthascherei und Aufmerksamkeit erregen. Und das finde ich noch verwerflicher, als wenn es einer aus einer wirklichen Überzeugung heraus sagt. Dann ist er einfach nur dumm.

Für einen Skandal sorgte 2009 auch Ihr Sänger Kevin Russell, als er einen Unfall baute und Fahrerflucht beging. Wie sehr hat Ihnen dieses Drama geschadet?

Ich weiss es nicht, die Onkelz gab es damals ja nicht, und ich war in Südamerika. Wir sprechen aber noch heute über den Unfall. Kevin hat sich seit dem Gefängnis wirklich gebessert. Den Drogen hat er komplett abgeschworen, Alkohol trinkt er nur noch selten. Er hat aus seinem Riesenfehler gelernt.

Was bereuen Sie?
Schwierig zu sagen. Man kann ja im Leben eigentlich nichts rückgängig machen. Es gibt verschiedene Dinge, die wir wohl besser gelassen hätten. Anderseits haben genau diese Dinge ja auch zur Entwicklung unserer Persönlichkeit beigetragen. Und die ist eigentlich ganz okay herausgekommen. Sie sehen, ich versuche stets, auch dem Negativem etwas Gutes abzugewinnen.

Im Jahr 2000 drehte der Schweizer Surrealist H.R. Giger das Video zu Ihrem Song «Dunkler Ort». Welche Erinnerungen haben Sie?
Nur gute. Wir drehten in seinem Museum in Gruyère FR. Abends hat er uns zum Fondueessen eingeladen. Er meinte, dass man nach jedem Eintauchen einen Schnaps trinken muss. Was wir natürlich alle brav getan haben (lacht). War jedenfalls ein sehr angenehmer Abend und eine schöne Erfahrung, ihn kennenzulernen.

Nie einen Plan B gehabt für Ihr Leben?
Nein. Ich habe mit 13 meine erste Gitarre bekommen, habe mich sehr schnell für Blues und Rock interessiert. Dem Vater zuliebe machte ich trotzdem eine Lehre. Aber für mich war schon damals klar: Ich werde Musiker. Zum Glück hats funktioniert.

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