«Im Schatten der Burg» ist ein spannender Fantasy-Reisser von Marion Zimmer Bradley (†69). Spannung ist beim gleichnamigen Living-History-Projekt auf SRF 1 nach der ersten von drei Wochen hingegen Mangelware. Die sechsköpfige Familie Dietschi müht sich auf einem Bauernhof bei der Neu-Bechburg im Solothurnischen redlich ab, das Leben vor 500 Jahren zu meistern. Der Tenor bei vielen Zuschauern und Fachleuten: Die Zeitreise ist zum Gähnen langweilig. Die einzige echte Aufregung war bisher das temporäre Verschwinden der drei Geissen.
Warum wurde die Realität nicht stärker thematisiert?
Zudem haben die Protagonisten kaum Profil. Das Presse-Echo ist ebenfalls überschaubar. Fazit: Weshalb lebt die Familie so isoliert von der Aussenwelt und weshalb wurden damalige Realitäten nicht stärker thematisiert? In einer Glosse in der «Solothurner Zeitung» schrieb Wolfgang Wagmann: «Dietschis haben es gut. Keine am Galgen baumelnde Leichen. Keine Siechenhäuser mit Leprakranken. Kein Risiko, morgens mit der Pest aufzustehen und abends daran zu sterben.»
Historiker verfolgen das Projekt speziell aufmerksam, so zum Beispiel Nanina Egli (36), die unter anderem für das Stapferhaus in Lenzburg AG tätig ist. Über die breit diskutierte Rolle des Publikums, das per Online-Voting in die Geschehnisse eingreifen darf, sagt sie: «Ein Landvogt ist dezidiert undemokratisch. Deshalb wundere ich mich, dass das Publikum demokratisch entscheidet. Warum lässt man das Publikum stattdessen nicht Gott spielen? Das hätte besser zur Zeit gepasst, denn damals erwartete man ja, dass Gott in unser Leben eingreift. Die Leute fürchteten sich vor dem drohenden Weltuntergang.»
Homepage spannender als Sendung
Grundsätzlich findet sie, dass viele spannende Alltagsaspekte ausgeblendet wurden. «Damals gab es Dinge, die uns aus heutiger Sicht unglaublich erscheinen, etwa Gerichtsprozesse gegen Tiere und vieles mehr», sagt sie. «Die Sendung zementiert ein langweiliges Bild von Geschichte, wie aus dem Bildungsfernsehen der 1970er-Jahre. Dabei ist Geschichtsforschung oft ein regelrechtes Abenteuer und macht Spass.» Schade findet sie, dass die Angst spürbar sei, die Zuschauer zu überfordern. «Wer einschaltet, interessiert sich und will etwas lernen», ist sie überzeugt. Ein Lob spricht sie für die Homepage aus, die «vielfach spannender ist als die Sendung selber». Die Quote ist auf Wellenfahrt. Beim letzten bekannten Stand am Donnerstag schauten 283'000 zu (erstmals unter 300'000; Marktanteil 40,8 Prozent). Vor allem wenn man den grossen Zusatzaufwand im Vergleich zu einer normalen «Schweiz aktuell»-Sendung berücksichtigt, ist der Effekt bescheiden.