Mit ihren Rastalocken und der unverkennbaren Stimme begeisterte sie 2009 bei der SRF-Castingshow «MusicStar». Da ahnte niemand, welch grauenhafte Vergangenheit die stets fröhliche Michelle Halbheer (28) überstanden hatte: Sie ist die Tochter einer drogenabhängigen Mutter!
Meine Mutter, ihre Drogen und ich
«Ich wuchs zwischen blutigem Spritzenbesteck und einem leeren Kühlschrank in einer verlausten Wohnung auf», sagt sie. «Mit elf hatte ich zwölf Kilo Untergewicht.» Jetzt hat Halbheer mit «Platzspitzbaby – Meine Mutter, ihre Drogen und ich» ihre Biografie veröffentlicht. «Ich konnte nicht länger schweigen. Noch heute leben rund 4000 Kinder bei suchtkranken Eltern. Und wie bei mir damals schauen alle weg! Ich will das Tabu brechen», erzählt die Dentalassistentin.
Halbheers Mutter ist heute 52, HIV-positiv und noch immer schwerstsüchtig. In den 90er-Jahren verkehrte sie erst auf dem Platzspitz und später am Letten – damals die Orte der offenen Drogenszene in Zürich. «Ich erinnere mich mit Angst, wie ich als Fünftklässlerin mitten in der Nacht bei der Langstrassen-Unterführung stundenlang wartete. Mami war in einem der Häuser verschwunden, um einen Schuss zu organisieren», erinnert sie sich.
Der Pakt
Michelle war bei der Scheidung ihrer Eltern der Mutter zugesprochen worden. Die Behörden hätten in ihrem Leben nur versagt, sagt Halbheer. «Ich will mit meinem Buch verhindern, dass auch nur ein weiteres Kind so aufwachsen muss wie ich.» Hassen kann Michelle die Frau, die ihr die Kindheit stahl, trotz allem nicht. «Mein Mami, das mich als Baby pflegte, liebe ich», sagt Halbherr. «Ich verachte die Suchtkranke, die sie geworden ist.»
Drogen waren auch in Michelles Leben kurz präsent. Mit 18 habe sie an Partys mit Pillen experimentiert. «Aber als ich im Spiegel Mamis Augen sah, war ich geheilt.» Denn Michelle schloss mit ihrer Mutter einen Pakt. «Ich dürfe nie Heroin oder Kokain konsumieren, sie würde dafür nie mehr einen Selbstmordversuch machen.» Das habe ihnen das Leben gerettet.