Darum gehts
- Kultregisseur Stephen Frears wird am Filmfestival Genf GIFF ausgezeichnet
 - Frears' Film «The Queen» zeigte Elizabeth II. als Mensch
 - Helen Mirren gewann für ihre Darstellung der Königin einen Oscar
 
Blick: Schreibt das Leben die besten Geschichten? Viele Ihrer Filme beruhen auf wahren Begebenheiten.
Stephen Frears: Das hat sich so entwickelt. Mein erster Film, der auf einer wahren Geschichte beruhte, war ein Fernsehfilm über den Aufstieg von Tony Blair – wie er Vorsitzender der Labour Party wurde. Das war vor etwa zwanzig Jahren.
Wie gehen Sie an solche realen Stoffe heran? Sprechen Sie mit den Menschen, um die es geht?
Nein, meistens nicht. Jeder hat seine eigene Wahrheit und Perspektive. Ich arbeite mit sehr klugen Drehbuchautoren wie Peter Morgan. Sie sprechen mit vielen Leuten, recherchieren gründlich, lesen alles, was es gibt. Dann gebraucht man seinen Verstand und setzt das alles zusammen – so entsteht am Ende eine menschliche Geschichte.
Mit «The Queen» haben Sie ein sehr menschliches Porträt von Elizabeth II. erschaffen. Wie kam es dazu?
Eigentlich wollten die Produzenten einen Film über den Tod von Diana machen. Ich arbeitete wieder mit Peter Morgan zusammen. Er kam dann auf die Idee, dass es eine andere Perspektive gibt, an die niemand zuvor gedacht hatte. Die interessante Figur war nicht Diana, sondern die Queen. Niemand hatte davor einen Film über sie gemacht – es war völlig neu, sie ins Zentrum zu stellen.
Warum war gerade dieser Moment nach Dianas Tod so entscheidend?
Weil die ganze Welt auf die Königin schaute. Es war das erste Mal, dass die Queen wirklich in der Kritik stand, sie verlor innert einer Woche ihre Popularität. Sie blieb in Schottland bei den Kindern, was ja eigentlich richtig ist. Aber die Menschen wollten Mitgefühl sehen – und sie zeigte es nicht. Ich glaube, das war der einzige Fehler, den sie je gemacht hat. Sie hat damals nicht verstanden, was die Öffentlichkeit von ihr erwartete.
Stephen Frears (84) wird am Geneva International Film Festival (GIFF) am 7. November für sein Lebenswerk mit dem Preis «Film & Beyond» geehrt. Frears studierte ursprünglich Jura, arbeitete im Theater und für die BBC, bekannt wurde er mit «Mein wunderbarer Waschsalon» (1985). Seine Literaturverfilmungen wie «High Fidelity» (2000) und gesellschaftskritische Werke wie «Schmutzige kleine Geheimnisse» (2002) und «Die Queen» (2006) prägen das britische Kino. Frears hat zwei erwachsene Kinder und lebt mit seiner Partnerin in London.
Stephen Frears (84) wird am Geneva International Film Festival (GIFF) am 7. November für sein Lebenswerk mit dem Preis «Film & Beyond» geehrt. Frears studierte ursprünglich Jura, arbeitete im Theater und für die BBC, bekannt wurde er mit «Mein wunderbarer Waschsalon» (1985). Seine Literaturverfilmungen wie «High Fidelity» (2000) und gesellschaftskritische Werke wie «Schmutzige kleine Geheimnisse» (2002) und «Die Queen» (2006) prägen das britische Kino. Frears hat zwei erwachsene Kinder und lebt mit seiner Partnerin in London.
Sie selbst sind Republikaner, also gegen die Monarchie – und trotzdem zeigen Sie die Königin mit viel Mitgefühl.
Die Queen war für uns alle wie eine Mutter. Das war ja das Besondere an dem Film – sie nicht als Staatsfrau, sondern als Mensch zu zeigen. Ich respektiere und schätze sie sehr, obwohl ich kein Monarchist bin. Sie war eine bemerkenswerte Persönlichkeit mit Charakter – und das machte sie zu einer guten Königin.
Helen Mirren wurde für ihre Darstellung mit dem Oscar ausgezeichnet. Wie war das für Sie?
Ich war sehr, sehr erfreut – natürlich zuerst für Helen. Interessant ist, wie die Schlüsselszene dazu entstanden ist. Der Film war eigentlich schon fertig abgedreht, wir schauten ihn in New York an und wussten: Da fehlt etwas. Also haben wir eine zusätzliche Szene geschrieben und mit Helen nochmals einen Tag gedreht.
Was war das für eine Szene?
Die Queen hat ja nie über sich selbst gesprochen. Niemand wusste, was sie wirklich fühlte oder dachte. Also musste der Film das für sie übernehmen. Darum bekam sie die Zeile: «Ich war nur ein Mädchen, als ich Königin wurde.» Das fasst im Grunde ihr ganzes Leben zusammen. Sie war jung, völlig unvorbereitet – und trug plötzlich eine ganze Nation auf ihren Schultern. Helen liess bei dem Satz ihre Augen leicht über die Kamera schweifen. In diesem Moment wusste ich: Dafür gibts den Oscar.
Sie selber haben keinen Oscar, dafür wurden Sie kürzlich zum Ritter geschlagen.
Ja, ich schaue mir den Orden aber nie an. Ich weiss gar nicht genau, wo ich ihn habe. (Frears wühlt während des Videocalls in seinen Schubladen und fischt schliesslich den Orden hervor.) Wow, der ist schön. Aber einen besseren Tisch bekommt man damit nicht im Restaurant.
Sie hätten den Orden schon früher bekommen, haben aber abgelehnt. Warum das, Sie hätten der Queen persönlich begegnen können!
Für mich passte das so, es war damals die richtige Entscheidung. Ich fürchtete, dass ich es später bereuen könnte. Und ich hätte nicht damit gerechnet, dass das Angebot ein zweites Mal kommt, da hat es für mich gestimmt.
Haben Sie je königliches Feedback bekommen zum Film über die Queen? Wissen Sie, ob er ihr gefallen hat?
Die Königin sieht einen Film, in dem sie als menschliches Wesen gezeigt wird. Ich meine, wie könnte ihr das nicht gefallen? Es gab ein Treffen mit dem Sekretär der Königin. Er sagte: «Sie haben es falsch, aber dennoch richtig verstanden.» Mit anderen Worten: Viele Details waren natürlich nicht korrekt, aber das, was der Film über die Position der Königin und ihre Rolle zeigte, stimmte.
Seit dem Film sind 20 Jahre vergangen, Zeit für den nächsten Dreh über die Royals?
Nun, das Ganze ist sehr gefärbt durch die Geschichte um Prinz Andrew. Er war nie ein besonders interessanter Mann. Es scheint, als ob die Welt grosses Interesse daran hat, aber für mich persönlich ist das Thema nicht spannend. Ähnlich sehe ich es bei Harry und Meghan. Auch William und Kate finde ich nicht interessant. Und inzwischen gibt es ja die Serie «The Crown», die das alles im Detail darstellt.
Wie sehen Sie die Zukunft der Monarchie?
Die Monarchie hat Grossbritannien über lange Zeit stabil gehalten, und daran wird sich vermutlich nicht viel ändern. Ich glaube nicht, dass sie abgeschafft wird. Ich mag die Monarchie – so wie man sie in den Niederlanden oder Dänemark kennt, als «Fahrradmonarchie», wo die Royals viel normaler leben. In England wirken sie dagegen noch immer halbgöttlich, und das ist für niemanden gut.
Die Devise der britischen Royals heisst: «Beschwere dich nie, erkläre nie.» Was halten Sie davon?
Es gab einen Historiker aus dem 19. Jahrhundert, Walter Bagehot. Er meinte, sobald man den Vorhang lüftet und Geheimnisse über das Königtum bekannt werden, gerät man in Schwierigkeiten. Es ist besser, sich bedeckt zu halten. Daran hat sich nicht viel geändert. Ich erinnere mich, wie Charles einmal im Fernsehen über Ehebruch sprach – das fand ich furchtbar.