Die Situation ist dramatisch: In den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl von Kindern und Jugendlichen, die notfallmässig psychiatrische Hilfe brauchten, verzehnfacht. Vielen von ihnen kann aber geholfen werden – zum Beispiel dem 15-jährigen Emil, der heute im Dokfilm «Jugendliche unter Druck» (SRF 1, 20.05 Uhr) eindrücklich schildert, wie er sich an verschiedenen Stellen des Körpers zu ritzen begann.
In der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychologie Zürich (KJPP) fand er schliesslich Hilfe, nachdem sich seine Eltern Sorgen gemacht hatten, er könne sich etwas antun. «Ich konnte immer weniger zur Schule gehen und habe begonnen, mich selber zu verletzen. Ich habe gemerkt, dass ich mich jemandem anvertrauen muss», sagte er zu BLICK. «Zuerst ist das in der Familie geschehen. Dann haben wir professionelle Hilfe gesucht.»
Erlösung durch den Schmerz
Was SRF uns heute zeigt, ist traurig – macht aber auch Hoffnung. Zahlreiche Kinder erzählen vor laufender Kamera von ihren Selbstverletzungen, schildern sogar suizidale Absichten. Emil hat sich einmal so verletzt, dass er notfallmässig im Spital landete.
«Ich wollte Erlösung von diesem stressigen Gefühl in meinem Herzen, darum habe ich mich verletzt. Und danach dachte ich immer: Warum habe ich das gemacht?» Er habe alles hinterfragt – sogar dass die Eltern ihn auf die Welt gestellt hätten.
Stress in sozialen Medien
Dagmar Pauli, stellvertretende Klinikdirektorin, ist zwar beunruhigt, dass die Notfallzahlen stark gestiegen sind. «Positiv daran ist aber, dass immer mehr Jugendliche Hilfe bei uns suchen.» Die Zahl der vollzogenen Suizide habe in den letzten Jahren deswegen auch nicht zugenommen.
Leistungsdruck in der Schule und im Alltag seien oft der Auslöser. «Durch das Vergleichen in den sozialen Medien gefährden sich immer mehr junge Menschen durch Ritzen oder Suizidalität», erklärt Pauli. Ein Mädchen erzählt im Film, dass es in der Klasse eine «Schönheitsliste» der Mädchen gegeben habe, welche die Buben erstellt hätten. Darauf sei sie Letzte gewesen – und habe begonnen, sich zu ritzen.
Endlich über dem Berg
Am gefährlichsten ist die Zeit, wenn die Jugendlichen am Wochenende die Klinik verlassen und nach Hause gehen – dann passieren oft Rückfälle. Das erlebte auch Emil. «Doch heute geht es mir besser als je in meinem Leben, weil ich die Krise überwunden habe», sagt er. Er will Chemielaborant werden. Für die Narben am Körper schämt er sich nicht. «Sie sind Überbleibsel eines Kampfes, den ich gewonnen habe.»
Mutig ist, dass Emil sein Gesicht im Film zeigt. Mutig auch, wie er das begründet: «Ich möchte anderen Jugendlichen Zuversicht geben, dass sie aus der Krise herausfinden können. Und wenn ich nur schon einem einzigen Menschen mit dem Film helfen kann, hat es sich für mich gelohnt.»