Die Schweizer Modedesignerin Olga Roh arbeitet in Hongkong
«Warum all diese Zerstörung?»

Sie lebt als Modedesignerin ein erfolgreiches Leben in Hongkong. Privat hat sie mit ihrer Familie die Metropole verlassen. Zu unsicher sei die Lage, um mit Kindern sorglos dortzubleiben.
Publiziert: 21.11.2019 um 22:51 Uhr
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Die Schweizer Modedesignerin Olga Roh ist zurzeit in Hongkong.
Foto: zvg
Flavia Schlittler

Olga Roh (48) gehört zu den renommierten Modedesignerinnen. Opernstar Anna Netrebko (48) lässt sich von ihr genauso gerne einkleiden wie James-Bond-Sängerin Shirley Bassey (82). Seit zehn Jahren lässt die Schweizerin Roh ihre Haute-Couture-Kleider in einer eigens auf die Beine gestellten Fabrik mit rund 45 Mitarbeitenden in Hongkong fertigen. Für sie, ihre beiden 12- und 14-jährigen Kinder und Gatte Stephan (51) wurde die ehemalige britische Kolonie im südöstlichen China nebst Domizilen in der Schweiz und England zum Lebensmittelpunkt. Diesen hat sie vor kurzem nach London verlegt, die Ausschreitungen im Rahmen der Demokratiebewegung haben sie zu dem Schritt bewogen.

«Hongkong ist kein Ort mehr für Kinder. Man hat keine Sicherheit mehr, das Transportnetz funktioniert praktisch nicht. Viele sind verunsichert, ob sie die Freizeit überhaupt noch ausserhalb der eigenen vier Wände verbringen können. Selbst der Schulunterricht ist nicht mehr gesichert», sagt Roh, die zurzeit in Hongkong weilt und gestern aktuelle Bilder aufgenommen hat, zu BLICK.

Gescheitertes Experiment

Die Gründe der Demonstrierenden versteht sie. «Hongkong muss man verstehen als ein Unikat, als kapitalistisches Experiment in einer kommunistischen Diktatur. Nach 20 Jahren Experiment steht fest: Die Menschen leiden unter Perspektivlosigkeit und sozialer Not, weil kein Wohnraum vorhanden ist», so Roh. «Viele leben in einer winzigen, oft gemieteten Wohnung zusammengepfercht, mit zuweilen drei Generationen zusammen. Ein menschenwürdiges Leben ist für die Normalbevölkerung kaum möglich.»

Auch kleine Unternehmen würden kaum überleben können wegen der horrenden Immobilienpreise. «Keiner kontrolliert die Mieten, es gibt keinen Mieterschutz.» Es gebe Wohnungen mit 25 Quadratmetern Wohnfläche, die für 20'000 Franken im Monat vermietet würden. «Man stelle sich das mal vor, das ist doch Wahnsinn. Und auch da schiesst dann plötzlich die Miete um 5000 Franken monatlich in die Höhe.» Es gebe eine Immobilien-Clique, die mit der Regierung verbandelt sei und deshalb nicht reagiere.

Raubüberfälle sind in einem Jahr um 75 Prozent gestiegen

Die Gewalt eskaliert. «Die Demonstranten werden gewalttätiger und zerstören die öffentlichen Anlagen wie Metrostationen, Strassen und Gebäude», erzählt Olga Roh. «Im gleichen Atemzug zerstören die wütenden und entfesselten, ziellosen Horden viele private Geschäfte. Alles scheint nicht mehr logisch erklärbar zu sein.» Viele Ausländer und alteingesessene Unternehmen würden nun wegziehen, weil die Stadt und der Flughafen besonders am Wochenende blockiert seien. «Die Strassenkämpfe mit Tränengas und Pfefferspray, die geschlossenen, vandalierten Metrostationen sind tragisch.» Auch die Zahl der Raubüberfälle sei diesen Sommer im Vergleich zum Vorjahr um 75 Prozent gestiegen. «Das ist nun der traurige Alltag der einstigen Perle von Asien geworden.»

Die Wut der Menschen kann sie verstehen. «Ich bin ja selbst von der Entwicklung betroffen und deshalb mit meiner Familie nun weggezogen. Aber warum all diese Zerstörung? Ich kann nicht verstehen, dass man seine eigene Stadt ruinieren kann.»

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