Grosse Bilder, tief empfundene Menschlichkeit, aber auch Kritik am Verhalten der Schweiz nach 1945: Ab Sonntag zeigt SRF 1 an drei Abenden zur Primetime die Nachkriegs-Dramaserie «Frieden» in Doppelfolgen. BLICK hat das packende Epos schon gesehen. Mit 8,4 Millionen Franken Budget ist es das teuerste Serienprojekt, das je in der Schweiz realisiert wurde. Einschalten lohnt sich.
Worum geht es?
«Frieden» blickt zurück ins Jahr 1945, als die Schweiz Flüchtlingskinder beherbergte, aber auch Nazis Zuflucht gewährte. Im Zentrum stehen drei junge Menschen, die sich nach Kriegsende neu orientieren müssen, aber von den Kriegswirren und ihren Folgen immer wieder eingeholt werden. Diese Protagonisten treiben die Geschichte in drei Handlungssträngen voran:
Da ist die idealistische Fabrikantentochter Klara, die in einem Flüchtlingsheim als Lehrerin arbeitet, in welchem jugendliche Überlebende aus dem KZ Buchenwald eintreffen. Annina Walt (24, «Amateur Teens», «Tatort») spielt mit viel Kraft und Sensibilität die junge Frau, die aus einem engen Familienkorsett ausbricht.
Eine zentrale Figur ist auch Klaras Ehemann Johann Leutenegger, der als Jungpatron die Spinnerei, die er von seinem Schwiegervater übernimmt, wieder auf Trab bringen soll. Um sie zu retten, stellt er einen deutschen Chemiker mit trüber Nazi-Vergangenheit ein. Max Hubacher («Der Läufer») verkörpert als Leutenegger Aufbruchstimmung, aber auch innere Zweifel darüber, ob sein Handeln richtig ist. Eine Idealbesetzung.
Und schliesslich werden wir uns nach dieser Serie ein Gesicht merken müssen: jenes des Oltners Dimitri Stapfer (32), welcher Egon Leutenegger spielt, den Bruder von Jung-Patron Johann. Vom Aktivdienst an der Grenze im Tessin gezeichnet, jagt er für die Bundesanwaltschaft Nazis, die sich in die Schweiz abgesetzt haben. Stapfer spielt die Zerrissenheit des vom Krieg geprägten Ermittlers mit grosser Intensität.
Wie viel historische Wahrheit steckt dahinter?
Autorin Petra Volpe («Die göttliche Ordnung») hat die Fluchtrouten («Rat Lines») führender Vertreter des NS-Regimes und Angehörigen der SS recherchiert. Eine dieser Linien führte durch die Schweiz. Gleichzeitig stiess sie auf die Buchenwaldaktion. Die Schweiz hatte sich bereit erklärt, Flüchtlinge aus dem KZ Buchenwald aufzunehmen. Man habe sich aus politischem Kalkül mit den Alliierten gut stellen wollen.
Die Jugendlichen waren traumatisiert und wurden nicht nur gut behandelt. Einen Sommer gewährte man ihnen Zuflucht, aber eigentlich wollte man sie nach Palästina loswerden. In Zeichnungen, die sie in der Schweiz malten, brachten sie ihre erlittenen Qualen auf Papier. Die Werke beinhalten Deportationen und Hinrichtungen. «Frieden» zeigt, dass den Buben nicht nur Wohlwollen entgegengebracht wurde. Auch nach dem Krieg herrschte vielerorts in Europa noch Antisemitismus.
Wo wurde gedreht?
Die Dreharbeiten fanden von Mai bis August 2019 statt, unter anderem in den Kantonen Glarus, Zürich, Bern, Luzern und Freiburg. Für den Dreh waren 70 Schauspieler, 1400 Statisten und eine Crew von über 100 Leuten hinter der Kamera im Einsatz. SRF hat enorm viel investiert, um Menschen und Orte wie im Jahr 1945 darzustellen. Regisseur Michael Schaerer («Die kleine Hexe») sagt: «Für mich persönlich am anspruchsvollsten waren die Szenen mit den jugendlichen KZ-Überlebenden. Obwohl wir fachkundige Beratung hatten und ich viele Bücher und Berichte von Überlebenden gelesen habe – hier die richtige Tonalität zu finden und diese unvorstellbaren Schicksale angemessen in Bilder zu fassen, war eine Herausforderung.»
Hält die Serie, was sie verspricht?
Auf jeden Fall. «Frieden» ist eine spannende und bildgewaltige Aufarbeitung eines bisher wenig beachteten Stücks Schweizer Geschichte. Erzählt wird die Serie am Beispiel einer Familie und ihres Umfelds, was bisweilen etwas stark verdichtet wirkt. Aber sie ist hoch emotional, man bleibt bis zum Schluss dran. Die neue SRF-Kulturchefin Susanne Wille (46) formuliert es so: «Europa liegt in Schutt und Asche, die Schweiz blieb weitgehend verschont, aber Seelennarben, Schuldfragen und Unsicherheit prägen auch hierzulande die Nachkriegszeit.»