Vor drei Wochen hatte Skilegende Bernhard Russi seinen letzten Auftritt als Sportkommentator beim Schweizer Fernsehen. Die letzten dreissig Jahre sass er jeden Winter vor dem Mikrofon, hatte kaum Zeit für seine Familie. Nun wird Russi sogar Zeit finden, am nächsten Wochenende Andermatt Live! zu geniessen – das Musikfestival, das seine Tochter Jenny organisiert. Höchste Zeit für ein Vater-Tochter-Gespräch.
BLICK: Haben Sie eigentlich Kosenamen füreinander?
Bernhard Russi: Ich sage ihr Stinkbohne. Ich war ein aktiver Vater, habe Jenny als Baby oft gewickelt. So ist der Name eben geblieben.
Jenny Russi: Na, ja, ein wenig ist auch mein Bruder daran schuld. Er benutzte diesen Namen, weil er oft das Gefühl hatte, dass ich bevorzugt werde, weil ich immer das kleine Mädchen war. Ich sage ihm übrigens Daddy.
Waren Sie ein strenger Vater?
Bernhard Russi: Mein Credo war immer, du musst mit den Kindern in den Sandkasten sitzen und später auch ans Backstreet-Boys-Konzert begleiten. Wenn Jenny etwas gefällt, kann ich mich schnell dafür begeistern. Aber natürlich muss man Grenzen aufzeigen – den Kindern die volle Verantwortung übergeben. So im Sinne, macht was ihr richtig findet, total antiautoritär ist meiner Meinung nach der falsche Weg.
Jenny Russi: Als streng habe ich meine Eltern nicht empfunden. Aber Regeln waren da. Ausgang bis um 23 Uhr hiess bis um 23 Uhr. Mit Daddy zu händele lag nicht drin.
Hatten Sie Berufswünsche für Jenny?
Bernhard Russi: Nein, ich wusste immer, dass sie ihren eigenen Weg finden wird.
Jenny Russi: Daddy hat mir viele Wege aufgezeigt, aber mich nie in eine Richtung gedrückt. Nach der Matura wollte ich unbedingt Schauspielerin werden, habe in Berlin die Schauspielschule besucht. Schnell habe ich jedoch gemerkt, dass das nicht mein Weg ist. Ich bin zurückgekommen und begann die Ausbildung an der Pädagogischen Hochschule.
Was bewundern Sie aneinander?
Jenny Russi: Vor allem seine Disziplin, sein Verständnis und die Offenheit. Ich habe von ihm gelernt, dass es immer zwei Seiten gibt, die man berücksichtigen muss.
Bernhard Russi: Ich bewundere ihre Zielstrebigkeit. Sie weiss sehr genau, was sie will, und vor allem, was sie nicht will. Sie liess sich auch schon in der Pubertät bezüglich Rauchen, Trinken, Drogen nicht wirklich beeinflussen. Aber einen Heiligenschein hat sie natürlich nicht, dafür eine sehr starke Persönlichkeit. Ich bin sehr stolz auf sie.
Wie würden Sie sich gegenseitig charakterisieren?
Jenny Russi: Er ist sehr respektvoll und gesund ehrgeizig, aber nicht verbissen. Er kann durchaus auch sagen, okay, lassen wir das, gehen wir weiter. Und er ist ein sehr liebevoller Daddy.
Bernhard Russi: Sie ist selbstbewusst und doch zurückhaltend. Sie muss nicht in der ersten Reihe stehen, hat Mitgefühl für die Menschen rund um sie.
Das tönt alles so harmonisch. Gibt es auch Konflikte?
Jenny Russi: Früher, in der Pubertät, gab es schon Diskussionen, aber eher harmlose. Heute nicht mehr.
Bernhard: Ich war nie der 9-to-5-Vater, war oft weg. Habe dadurch auch nicht alles mitbekommen. Konflikte wurden eher mit der Mutter ausgetragen. Heimzukommen war für mich immer ein freudiges Happening. Zum Streiten blieb gar keine Zeit!
Wie gehen Sie mit der Berühmtheit Ihres Vaters um?
Jenny Russi: Ich habe mich daran gewöhnt. Oft muss ich mich verteidigen gegen Vorurteile wie – ah, du bist die verwöhnte, eingebildete Tochter von ... Aber in meinem engsten Freundeskreis war und ist das nie ein Thema
Zum Musikgeschmack – nichts trennt Eltern und Kinder mehr. Wer hört was?
Jenny Russi: Ich liebe Elektromusik, auch Rock. Und stille Songwriter mit Gitarre. Hühnerhaut bekomme ich auch, wenn jemand Mundharmonika spielt.
Bernhard Russi: Ich lerne durch Jenny ganz neue Musikstile kennen, die mir durchaus gefallen. Aber Blues, Jazz-Blues, Ray Charles ... das ist meine Richtung. Meine absolute Traumkombination ist Piano und Saxophon.
Bernhard Russi, Sie haben kürzlich Ihre Moderationstätigkeit beim SRF aufgegeben. Wie gehen Sie mit dem Alter um?
Bernhard Russi: Ich habe eine Riesenerfahrung mit Älterwerden, es dauert nun schon 68 Jahre. Meine Philosophie ist, nie aufzuhören, Grenzen zu erforschen, immer das eigene Limit suchen. Das muss nicht nur im Sport sein. Ich will einfach nicht sagen: Hey, ich bin jetzt 68, ich baue jetzt kein neues Haus mehr, fahre mit dem Velo auch nicht mehr über drei Pässe. Klar, vielleicht schaffe ich heute nur noch zwei Pässe. Aber Grenzen zu erforschen, das muss immer das Ziel sein.
Jenny Russi: Das hat sich gerade heute gezeigt, wir waren zusammen im Klettergarten. Er beisst um jeden Zentimeter, Alter hin oder her. Noch hat er einen Vorsprung, aber ich arbeite hart daran, ihn einzuholen.