Warum musste das passieren? Fragen quälen Marie-Madlen Henzen-Tannast (38) Tag und Nacht. Vor acht Tagen wurde auf dem Friedhof in Blatten im Lötschental VS ihr Mann Otto (†41) beerdigt.
Der Lokführer kam in der Nacht zum 17. Mai in einem ungebremsten Bauzug vor Thun ums Leben. Mit ihm starben sein Walliser Kollege Niklaus Winter (†55) und der Maschinist Lutz Hanath (†45) aus dem ostdeutschen Zürchel.
Noch immer steht Marie-Madlen Henzen unter Schock. Doch die Mutter von Damian (14) und Jennifer (10) weiss: «Das Leben muss weitergehen.» Nun überlegt sie, die 22 Kilometer lange Todesfahrt ihres Mannes zwischen Frutigen und Thun in einem Schienentraktor abzufahren. Hofft sie, so das Unglück bewältigen zu können? «Das ist allein meine Sache», sagt sie.
Morgen Montag werden die Untersuchungsbehörden informieren. Fest steht: Die Lokführer haben den Hahn der Druckluftbremse vor der Abfahrt nicht geöffnet und die elektrische Widerstandsbremse nicht benutzt. Mit dieser hätte das Tempo auf 15km/h gedrosselt werden können, wie die NZZ am Mittwoch meldete.
Die Aktivierung der elektrischen Bremse – vorausgesetzt, sie funktionierte – wäre allerdings für die Lokführer kein einfacher Vorgang gewesen. Vermutlich haben sie im ersten Schreck die Notbremse betätigt. Die wirkt jedoch nur auf die Druckluftbremse und schaltet die elektrische Bremse aus, damit die Räder nicht blockieren.
Die Lokführer hätten also zuerst die Druckluftbremse wieder lösen und die elektrische Bremse einschalten müssen. Ein Vorgang, der Nerven braucht, etwa eine halbe Minute dauert und nie geübt wird.
BLS-Chef Mathias Tromp (60) reagierte unwirsch auf die NZZ-Berechnung. Er verhängte einen Informationsstopp und sagte der Zeitung «Bund»: «Ich bin leicht erbost, wenn uns jetzt Experten, die tagelang nachdenken konnten, Vorschläge machen, wie das Unglück möglicherweise hätte verhindert werden können.»