Es gibt zwei Versionen davon, was sich am 7. September 2018 in einer Wohnung im Zürcher Langstrassen-Quartier zugetragen haben soll.
Der angeklagte 32-jährige Syrer spricht vor dem Bezirksgericht in Zürich von einem misslungenen Versuch, Sex mit einer Bekannten zu haben. Auf der anderen Seite schildert eine 30-jährige Studentin eine brutale, skrupellose Vergewaltigung.
Zum Oralsex gezwungen
In der Anklageschrift des Prozesses, die der «NZZ» vorliegt, erläutert die Frau den Horror, der sich am frühen Morgen gegen halb 8 Uhr ereignet haben soll: Die Studentin steht gerade nackt vor dem Badspiegel und putzt sich die Zähne, als ein fremder Mann in ihre Wohnung tritt. Er sagt kaum etwas, sondern kommt sofort auf die Frau zu, will sie küssen. Danach drückt er sie in die Badewanne. Es kommt zu einem Handgemenge, bei dem die Frau dem Mann die Zahnbürste ins Gesicht schlägt.
Die Szene geht in der Wohnung weiter, wo der Fremde sein Opfer ein weiteres Mal packen und ins Schlafzimmer zerren kann. Er würgt die Studentin und vergeht sich an ihr. Später zwingt er sie im Badezimmer auch zum Oralsex.
«Sex ging nicht, ich war zu erschöpft»
Der Beschuldigte will hingegen nichts von einer Vergewaltigung wissen. Er gibt an, die Frau schon früher kennengelernt und auch schon mehrmals getroffen zu haben. Die Studentin soll dem Mann am Morgen des 7. Septembers auch angeboten haben, zu ihr in die Wohnung zu kommen.
Was dort im Detail passiert ist, kann der Syrer aber nicht mehr sagen. Er sei müde gewesen und habe zuvor auch Alkohol und Kokain konsumiert. «Ich will nicht sagen, dass sie gelogen hat. Sie könnte auch recht haben, ich bin kein Engel.» Doch sie habe das, was geschehen sei, aufgebauscht. Die beiden hätten versucht, Sex zu haben. «Aber es ging nicht, da ich zu erschöpft war.»
Elf Vorstrafen in zwei Jahren
Dass der Angeklagte kein Engel ist, zeigt auch ein Blick in seine Vergangenheit: Seit zwei Jahren lebt der Mann im Glarner Durchgangszentrum Ennenda. In dieser Zeit brachte er es bereits auf satte elf Vorstrafen – darunter Ladendiebstähle und eine Raserfahrt mit einem geklauten Auto. Zudem attackierte er im Durchgangszentrum einen Mitbewohner mit einem Messer.
So gegensätzlich die Aussagen der Beteiligten sind, so eindeutig erachtet das Zürcher Gericht die Sachlage. Im Gegensatz zur Variante des Angeklagten seien die Schilderungen des Opfers «absolut glaubwürdig und nachvollziehbar». Fazit: «Das Gericht spricht den Beschuldigten daher der Vergewaltigung, sexuellen Nötigung, einfachen Körperverletzung und des Hausfriedensbruchs schuldig.»
Freiheitsstrafe und Landesverweis
Insgesamt verurteilt das Gericht den 32-Jährigen zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren. Zusätzlich wird der Mann nach dieser Strafe für 15 Jahre des Landes verwiesen. Auch für den geforderten Schadenersatz und die Genugtuung sowie die Gerichtskosten muss er aufkommen. (cat)