Was soll man vom neuen Angebot von Salt halten?
Grundsätzlich: Kompliment. Salt räumt auf mit dem 10-, 20-, 30-, 50-Megabit-Gedöns der anderen Provider. Das haben wir mit Fiber7 schon vor Jahren gemacht: Gigabit, volle Dröhnung. Es ist ja so, dass die Produktionskosten pro Anschluss gleich hoch sind, unabhängig von der Bandbreite.
Aber Salt ist mit 10 Gigabit zehn Mal schneller. Das setzt die Konkurrenz unter Druck.
Das ist bestimmt so. Salt verwendet die neueste Technologie XGS-PON, diese teilt 10 Gigabit Bandbreite auf mehrere Dutzend Kunden auf. Die Netzwerk-Topologie gleicht dem eines Kabelnetzes. Andere Provider wie Swisscom setzen hingegen auf Gigabit-Ethernet. Als wir 2014 Fiber7 lanciert haben, gab es die Technologie, die Salt verwendet, noch gar nicht. XGS-PON hat zudem den Nachteil, dass man nicht einen beliebigen handelsüblichen Router verwenden kann. Nur das spezielle Gerät des Providers ist kompatibel.
Kommen die 10 Gigabit denn überhaupt beim Kunden an?
Bis zum nächsten Speedtest-Server sicher, vorausgesetzt man hat auch entsprechende Hardware zu Hause, was vermutlich bei den wenigsten der Fall sein wird. So gesehen ist 10 Gigabit vor allem Marketing, und im realen Leben muss man eher von 1 Gigabit-Verbindungen reden. Wie das effektive Nutzer-Erlebnis tatsächlich sein wird, muss Salt erst noch beweisen. Geschwindigkeit hängt von vielen Faktoren ab, nicht zuletzt von der Zahl der Interkonnektionen der Provider-Infrastruktur und der Einhaltung der Netzneutralität. Anders gesagt: Was nützen 10 Gigabit auf der Schachtel, wenn der Netflix-Stream stottert und nur Pixelbrei daher kommt?
Wie kann Salt den Kampfpreis von 49.95 Fr. überhaupt erreichen?
Ich kenne den Business-Plan nicht, habe aber ein bisschen nachgerechnet. Salt hat bereits über 100 Millionen Franken in sogenannte IRUs investiert (langfristige Nutzungsrechte von Glasfaser-Infrastrukturen der Energieversorger). Um diese Summe in den nächsten Jahren zu amortisieren, muss Salt einen Marktanteil von vermutlich gegen 15 Prozent erreichen, damit der Business-Plan aufgeht. Das sind 120'000 bis 150'000 Kunden. Salt ist offensichtlich willens, in den nächsten Jahren mehrere Hundert Millionen Franken Verlust zu schreiben, um diesen Marktanteil zu erzwingen.
Die Konkurrenz wird aber nicht schlafen.
Natürlich nicht. Die Vorleister, also hauptsächlich Swisscom und die Energieversorger werden unter Druck kommen, ihre Preise zu senken, was sich auf die Endkundenpreise bei der Konkurrenz auswirken wird (Update: Wingo hat dies heute bereits getan). Womöglich gibt es auch eine Marktbereinigung bei den Providern.
Das Marketing von Salt verspricht viel.
Ja. Aber das ist erst die halbe Miete. Die grösste Herausforderung für Salt wird die Logistik sein: Verkaufsabwicklung, Kundensupport, technische Verfügbarkeit... das wird kein Spaziergang. Wenn es nicht läuft, dann sind die angeschriebenen 10 Gigabit bald kein Argument mehr. Da nützten selbst die ausgeklügeltsten Prozesse nichts, weil man vorher kaum simulieren kann. Die Salt-Mitarbeiter müssen willens sein, einen riesigen Extra-Effort zu leisten. Sonst gehts schief.
Salt setzt beim TV-Angebot auf Zattoo. Der richtige Weg?
Zattoo ist ein etablierter Player auf dem Markt und macht das gut. Auch der Entscheid, auf die Apple-TV-Box zu setzen, halte ich für smart – wir machen im übrigen dasselbe und wollen demnächst die App für unser TV7 starten. Salt-TV hat jedoch einen Nachteil, der für Sport-Fans wichtig sein kann: als sogenannter OTT-Dienst wird in Unicast gesendet. Gegenüber dem Multicast von TV7, Swisscom-TV oder herkömmlichem Kabel-TV bedeutet das eine Zeitverzögerung von 20, 30 Sekunden. Der Stürmer holt beim Unicast-Penalty erst Anlauf, bei Multicast hingegen zappelt der Ball bereits im Tor. Spätestens im Sommer während der WM wird dies wieder Thema, wenn man die Nachbarn über das Tor der Schweizer Nati jubeln, und man selber noch nichts sieht.
Der grösste Wermutstropfen ist die lausige Verfügbarkeit.
Ja. Salt-Fiber wie unser Fiber7 ist nur für etwa 30 Prozent der Bevölkerung erhältlich. Tolles Internet gibt es nur für jene Menschen, die in einem Open-Access Gebiet leben – das ist meistens in urbanen Gebieten der Fall. Hier wird einem eklatant vor Augen geführt, wie die Swisscom als Ex-Monopolistin versagt und nur für den eigenen Vorteil ausbaut, und die Bevölkerung in die Röhre guckt. Seit Urs Schäppi CEO ist, wurden die Glasfaser-Kooperationen mit Energieversorgern systematisch abgelehnt. Stattdessen setzt Swisscom aufs billigere FTTS (Fiber to the Street), was in Tat und Wahrheit ein gepimptes Kupferkabel ist. Das kann weder Gigabit, geschweige denn 10 Gigabit. Da ist die Politik gefragt, weil es in der Schweizer Internet-Versorgung bereits jetzt eine Zweiklassen-Gesellschaft gibt. Bildlich gesprochen wäre das etwa 4K-Fernsehen in der Stadt, auf dem Land hingegen reicht aus Sicht der Swisscom ein Schwarz-Weiss-Bild wie in den 50er-Jahren. Blöderweise ist das Schwarz-Weiss-Bild auf dem Land teurer als 4K-TV in der Stadt.