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Frust nach Versicherungswechsel – Nervengift half Patientin gegen Migräne
Neue Krankenkasse lehnt Botox-Behandlung ab

Mira B. hat jahrelang unter starker Migräne gelitten. Bis ihr ein Arzt Botox verschrieben hat. Das Nervengift wirkte Wunder gegen die Schmerzen. Doch ein Krankenkassenwechsel bereitet der Migränepatientin Kopfzerbrechen – und bringt die Schmerzen zurück.
Publiziert: 16.03.2019 um 17:03 Uhr
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Aktualisiert: 13.05.2019 um 16:54 Uhr
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Eine Migränepatientin in der Schweiz hat mit Botox ein effizientes Mittel gegen ihre Kopfschmerzen gefunden. Die Krankenkasse hat die Off-Label-Therapie bezahlt.
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Rebekka Häfeli («Beobachter»)

Eine Migränepatientin wird mit Botox behandelt. Die Grundversicherung bezahlt. Dann wechselt die Frau die Kasse – und muss jetzt selber für die Kosten aufkommen.

Manchmal sind die Kopfschmerzen so schlimm, dass es Mira B.* morgens kaum aus dem Bett schafft. Sie hat Sehstörungen, ans Arbeiten ist tagelang nicht zu denken. Die 42-Jährige hat vieles ausprobiert. Physiotherapie und Entspannungstechniken, Schmerzmittel aller Art. Nichts hat geholfen.

Im Oktober 2017 schlug ihr der Arzt vor, einen Versuch mit Botox zu wagen. Sie erhielt 36 Injektionen über den Augen, in die Stirn und in den Nacken. «Danach war ich drei Monate schmerzfrei. Es war ein neues Lebensgefühl.»

Botox ist eigentlich kein Migränemedikament

Die rund 1000 Franken für die Botox-Behandlung übernahm Mira B. Grundversicherung. Der Arzt hatte bei der Groupe Mutuel einen entsprechenden Antrag gestellt. Die Krankenkasse erklärte sich bereit, die Behandlung als sogenannte Off-Label-Therapie zu bezahlen. Off Label deshalb, weil Botox nicht als Migränemedikament zugelassen ist.

Doch Ende 2017 wechselte Mira B. die Grundversicherung. Denn die Groupe Mutuel hatte eine Prämienerhöhung angekündigt. B. unterschrieb bei der günstigeren ÖKK – im Glauben, diese würde weitere Botox-Behandlungen übernehmen. Sie sagt: «Ich ging davon aus, dass in der Grundversicherung einheitliche Regeln gelten.»

Off-Label-Therapien unterschiedlich geregelt

Die ÖKK beurteilte den Fall jedoch anders. Sie lehnte einen Antrag von Mira B. Arzt für die Kostenübernahme ab. Die Versicherung berief sich auf die gesetzlichen Rahmenbestimmungen. Die erforderlichen Bedingungen für eine Off-Label-Behandlung mit Botoxseien nicht gegeben.

Mira B. ist enttäuscht über diesen Entscheid. «Ich war mir nicht bewusst, dass es Unterschiede gibt. Sonst hätte ich die Kasse sicher nicht gewechselt.» Auf Nachfrage teilt die Groupe Mutuel mit, jeder Einzelfall werde eingehend geprüft. Ob eine Off-Label-Therapie einmalig übernommen werde, hänge von vielen Faktoren ab. Für jede weitere Behandlung hätte der Arzt einen neuen Antrag stellen müssen. Eine Garantie für künftige Kostenübernahmen hätte es auch hier nicht gegeben.

Krankenkassen behandeln Versicherte ungleich

Mira B. sei kein Einzelfall, sagt Barbara Züst, Geschäftsführerin der Schweizerischen Stiftung SPO Patientenschutz. «Ähnlich gelagerte Fälle kommen immer wieder vor. Bei Off-Label-Therapien besteht für die Krankenkassen ein erheblicher Spielraum.»

Der Ball liege bei den Vertrauensärzten. Sie prüfen für die Krankenkassen die Anträge für Off-Label-Therapien. Ihre Empfehlung geben sie an die Leistungsabteilungen weiter, die am Ende entscheiden. Die Schweizerische Gesellschaft der Vertrauens- und Versicherungsärzte (SGV) hat Leitlinien aufgestellt, um den Nutzen von Off-Label-Behandlungen zu beurteilen. Die Absicht dahinter: «Mit den Leitlinien wollen wir die Gleichbehandlung der Versicherten fördern», sagt SGV-Präsident Jürg Zollikofer.

Vertrauensärzte haben grossen Einfluss

Fälle wie jenen von Mira B. könne man nicht nach einem Schwarz-Weiss-Schema bewerten. Die Prüfung von Off-Label-Behandlungen sei vielschichtig, sagt Zollikofer. «Der Nutzen einer Therapie ist nicht immer klar. Bei der Beurteilung spielen das Wissen und die Persönlichkeit des Vertrauensarztes eine Rolle. Wir sind ja auch nur Menschen.» Strittig seien in der Praxis aber nur wenige Fälle.

Patientenschützerin Barbara Züst rät Versicherten, bei Unstimmigkeiten nachzuhaken und vom Vertrauensarzt eine Begründung zu verlangen. Migränepatientin Mira B. behilft sich vorläufig wieder mit Schmerzmitteln. Mehr schlecht als recht, sagt sie. «So effizient wie Botox hat bis jetzt nichts geholfen.»

*Name geändert

Artikel aus dem «Beobachter»

Dieser Artikel wurde aus dem Magazin «Beobachter» übernommen. Weitere spannende Artikel finden Sie unter www.beobachter.ch.

Dieser Artikel wurde aus dem Magazin «Beobachter» übernommen. Weitere spannende Artikel finden Sie unter www.beobachter.ch.

Das musst du über Migräne wissen

Eine Million Menschen in der Schweiz hatten schon mindestens fünfmal eine Migräne. Eine Migräne ist mehr als schweres Kopfweh, sie ist eine genetisch bedingte Krankheit. Typischerweise ist der Schmerz stark, pulsierend einseitig links oder rechts und nimmt zu, wenn man sich bewegt. Und Migräne geht einher mit Begleiterscheinungen: Übelkeit und Erbrechen, Licht- und Lärmempfindlichkeit.

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Der Gründ für Migräne kann auch die falsche Ernährung sein.
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Thinkstock

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