Das macht erkältet sein noch einfacher. Kranke Schweizer müssen sich jetzt nicht mehr zum Arzt schleppen, um ein sogenanntes Arbeitsunfähigkeitszeugnis AU zu bekommen. Schon gar nicht zu einem Schweizer Arzt, wie ein deutsches Unternehmen nun verspricht.
Das Telemedizin-Startup AU-Schein.de lanciert hierzulande das AU per Whatsapp. Wie das gehen soll? Auf der Webseite des Startups müssen die kranken Kunden einen Fragebogen zu ihren Symptomen ausfüllen und persönliche Daten eingeben. Verschickt wird das Ganze verschlüsselt per Whatsapp an einen Vertragsarzt in Deutschland, der dann die Erkältung diagnostiziert.
Das Arztzeugnis kommt wieder via Whatsapp zurück. Zusätzlich auch noch per Post in Papierform. Für den Service zahlen die Patienten per Kreditkarte oder Paypal 9 Euro, umgerechnet 10.30 Franken. Ist so etwas rechtlich überhaupt in der Schweiz bindend?
Bald auch, wenn der Rücken schmerzt
Hinter dem Angebot steckt ein Doktor, allerdings kein medizinischer. Die Idee zum Schnell-Arztzeugnis hatte der Hamburger Rechtsanwalt Can Ansay. Schon seit Ende Dezember 2018 gibts sein Angebot in Deutschland. Seither hätten laut seinen Angaben rund 5000 Personen ein Arztzeugnis über seine Firma bestellt.
Noch können sich einzig Erkältete per Whatsapp eine Diagnose holen. Doch wie das Startup in seiner Schweizer Medienmitteilung schreibt, soll das Angebot zum Beispiel auf Magen-Darm-Grippe und Rückenschmerzen ausgeweitet werden.
Missbrauch befürchtet Ansay nicht. Dafür sorge, dass eine Person maximal lediglich zweimal pro Jahr ein Whatsapp-Arztzeugnis anfordern darf und sich auch nur jeweils für drei Tage krankschreiben lassen kann. Zudem nutzten die meisten den Schnellservice etwa nicht am Montag, sondern am Dienstag, sagt er. Ein «verlängertes Wochenende» dank dem deutschen Startup? Fehlanzeige!
Bisher nur nach Telefon-Konsultation
Das Angebot von AU-Schein.de ist für die Schweiz eine Premiere. Wie reagieren Arbeitgeber darauf? Zumindest für die SBB spricht nichts dagegen. «Rein formell würden die SBB ein solches Arztzeugnis akzeptieren», erklärt ein Sprecher auf BLICK-Anfrage. Zeugnisse von ausländischen Ärzten seien erlaubt.
«Die Ausstellung eines Arbeitsunfähigkeitszeugnisses ist eine ärztliche Tätigkeit», hält Michael Kohlbacher, Generalsekretär der Ärztegesellschaft des Kantons Zürich fest. Ohne Bewilligung dürfe der Anbieter keine digitalen Arztzeugnisse ausstellen. Ansay kontert: Bei AU-Schein.de sei das in Deutschland durch die Zusammenarbeit mit einem zugelassenen Arzt der Fall.
In der Schweiz muss man telefonieren
Grundsätzlich steht die Ärztegesellschaft des Kantons Zürich telemedizinischen Leistungen wie Ferndiagnosen positiv gegenüber. Wenn möglich sollten Patienten aber persönlich begutachtet werden, bevor ein Arzt ein Zeugnis ausstelle, so Kohlbacher. Unter Umständen, wenn etwa der Patient und seine Krankheitsgeschichte bekannt sind, sei es auch nach einer Telefon-Konsultation möglich.
Ähnliches wie das deutsche Startup bietet hierzulande etwa Medgate. Dort gibts das Arztzeugnis schon seit 2014 auf Anruf. Der Arzt am anderen Ende der Leitung entscheidet dann, ob der Patient krank ist und schickt das Zeugnis per E-Mail.
Ebenfalls Arbeitsunfähigkeitszeugnisse kann das telemedizinische Zentrum santé24 der Versicherung Swica ausstellen.