In den Achtzigerjahren war es ein Riesenhit: «Ja, jetzt wird wieder in die Hände gespuckt. Wir steigern das Bruttosozialprodukt!» Doch die Band Geier Sturzflug, von der das Lied stammte, vergass damals einen Aspekt, über den man bis heute nicht gern spricht: die Schattenwirtschaft!
Sie generiert Milliarden, auch in der Schweiz. Und viele von uns tragen dazu bei. Der österreichische Wirtschaftsprofessor Friedrich Schneider hat ausgerechnet, wie viel Geld 2019 in der Schweiz «schwarz» erwirtschaftet werden dürfte: 5,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP). Und er erklärt gegenüber SonntagsBlick, was Schattenwirtschaft eigentlich ist: «Alle Güter und Dienstleistungen, die legal produziert und verkauft werden können, bei denen aber keine Steuern oder Sozialversicherungsbeiträge entrichtet werden und die Arbeitsregulierungen nicht greifen.»
Schwarzarbeit, Barauszahlungen, Steuerhinterziehung
Illegale Tätigkeiten, bei denen Geld verdient wird, zum Beispiel Drogenhandel, sind also nach dieser Definition nicht inbegriffen. Typisch für Schattenwirtschaft hingegen sind Schwarzarbeit, Barauszahlungen und Steuerhinterziehung. Das kann harmlose Formen haben, etwa wenn man eine Nachhilfestunde für die Kinder bar bezahlt. Schattenwirtschaft kann aber auch, wenn etwa systematisch Lohndumping betrieben wird, ganze Branchen aushöhlen.
Im Hochlohnland Schweiz ist das besonders ärgerlich. Immer wieder – wenn etwa Arbeiter zu einem Hungerlohn in der Gastronomie oder auf dem Bau schuften – werden spektakuläre Fälle publik.
Das geht nicht nur auf Kosten der Büezer, sondern auch des Gewerbes. «Entlang des Genfersees gibt es so viele Baustellen, dass die Schweizer Baufirmen das gar nicht alles selbst bewältigen könnten», sagt Georges Zünd, Direktor der Bauunternehmer des Kantons Waadt. «Das ist an sich gut. Doch nun kommen Firmen aus dem Ausland. Und viele halten sich nicht an unsere Bestimmungen.» Die Lage werde zunehmend angespannter, ärgert sich Zünd. «In der Schweiz weiss die eine Hand nicht, was die andere tut. Der politische Wille fehlt, um Schwarzarbeit wirklich zu bekämpfen.»
Schattenwirtschaft nur sehr schwer fassbar
Laut Bundesamt für Statistik betrug das Bruttoinlandprodukt im Jahr 2017 stolze 668,5 Milliarden Franken! Der Österreicher Schneider aber, der auf dem Gebiet der Schwarzarbeit als Koryphäe gilt, schätzt die Schweizer Wirtschaftsleistung als deutlich grösser ein. Also hat die Schattenwirtschaft auch gute Seiten? «Natürlich! Durch die Schattenwirtschaft entsteht zusätzliche Wertschöpfung», erklärt der Professor. Trotzdem bekämpft der Staat die Schattenwirtschaft, wo er kann. Denn er ist der grösste Verlierer: Ihm entgehen Steuern und Sozialabgaben.
Das Problem liegt auf der Hand: Schattenwirtschaft ist nur sehr schwer fassbar. 2017 veröffentlichte der Bund einen Bericht zum Thema Schwarz-arbeit – auch der stützt sich auf Zahlen von Friedrich Schneider. Daraus geht hervor, dass die Kantone bis zu 39'000 Kontrollen pro Jahr durchführen.
Immerhin steht die Schweiz im internationalen Vergleich gut da. In Italien beträgt der Anteil der Schattenwirtschaft, gemessen am BIP, fast 20 Prozent, in Deutschland sind es neun. Zusätzlich ist der Wert in der Schweiz gemäss Professor Schneiders Berechnungen in den letzten Jahren gesunken. «Sie wird noch weiter abnehmen», prognostiziert er, «aber ein bis zwei Prozent Schattenwirtschaft wird es auch in der Schweiz immer geben.»