Vater Patrik (45) lehnt sich zurück, lässt sich Bratwurst mit Rösti servieren und atmet tief durch. Er, seine Ehefrau Claudia (45) und die Töchter Nina (7) und Kim (4) verbringen ein erholsames Wochenende im Berggasthaus Haldi mitten in den Urner Bergen. Ihre beiden älteren Kinder – zwei Teenager – sind zu Hause geblieben. Dieses Wochenende ist ein Luxus, den die Familie so nicht kennt. Denn ein Aufenthalt im Hotel mit Vollpension können sie sich eigentlich nicht leisten.
Zwar arbeitet Patrik in Vollzeit als Landmaschinen-Mechaniker, doch sein Lohn reicht nicht, um sich und der Familie etwas zu gönnen. Im Gegenteil: «Wir kommen gerade so durch», sagt er zu BLICK. «Am Ende des Monats bleibt nichts übrig.» Leider geht es vielen wie der Familie aus dem Kanton Zürich. Die aktuellsten Zahlen des Bundesamts für Statistik (BFS) zeigen: 7,9 Prozent der Schweizer sind von Einkommensarmut betroffen. Das entspricht rund 660'000 Personen.
Gastgeber wollen Idee langfristig etablieren
Das All-inclusive-Wochenende verdanken sie dem Gastgeberpaar Astrid Schulz (51) und Fridolin Hauser (58). Die beiden haben ein Projekt gestartet, um sozial Schwachen zu helfen, indem sie in ihrer Pension «gratis» Ferien vermitteln. Dazu müssen sie aber zuerst Spenden sammeln. Die allerersten Franken kommen nun der Zürcher Familie zugute. «Wir haben eine soziale Ader», sagt Astrid und lacht. Ihr Partner ergänzt: «Das ist jetzt der erste Versuch. Unser Ziel ist es aber schon, die Idee langfristig zu etablieren.»
Es wäre wünschenswert. Zumindest wenn man sieht, wie glücklich die Familie ist. Nina und Kim streicheln im Hinterhof Hühner, Hasen und Katzen, die hier auf der Pension leben, während ihre Eltern in der warmen Stube einen Kaffee trinken. Mutter Claudia erzählt von ihrem sozialen Abstieg. «Früher hatten wir etwas mehr Geld zur Verfügung.» Doch dann wurde sie unerwartet krank. Unter anderem leidet sie an einer chronischen Atemwegserkrankung, einer Lungensarkoidose. Sie hat täglich Schmerzen, ist erschöpft und muss starke Medikamente nehmen.
Mutter Claudia: «Schwierig, die Realität zu akzeptieren»
Vater Patrik sagt: «Klar zahlt die Krankenkasse. Doch die deckt auch nicht immer alles.» So mussten sie sechs Monate kämpfen, damit ein spezielles Medikament bezahlt wird. Die Invalidenversicherung lehnte ein erstes Rentengesuch ab, obwohl Claudia bereits an der Lunge operiert wurde. Vier Lymphdrüsen wurden entfernt. Sie hat Tränen in den Augen, wenn sie darüber spricht: «Früher war ich eine schlanke Person mit Hummeln im Hintern. Heute nehme ich wegen der Cortison-Therapie zu und bin oft zu müde, um etwas zu machen.» Die Realität zu akzeptieren, sei etwas vom Schwierigsten.
Sie stellen klar: «Wir sind Astrid und Fridolin unglaublich dankbar.» Astrid winkt ab: «Auch ich hatte schwierige Zeiten in meinem Leben.» Die gelernte Pflegefachfrau nennt ihr Projekt «Auszeit für Familien in schwierigen Situationen». Spenden sammelt sie auf der Plattform Gofundme. «Ich wünsche mir, dass wir noch vielen helfen können», sagt sie. Ganz nach dem Motto: Hoffnung auf dem Haldi.