Es gibt ja Klischees, die halten sich einfach unbeirrt – egal, wie gemein, haarsträubend, bekloppt sie sind. Hierzulande bedient man sich besonders gerne gewisser Kantonsstereotypen, jeder kennt die Evergreens: Aargauer haben weisse Socken, Berner ein Problem mit dem Tempo, Zürcher eine «Zürischnurre». So weit, so unlustig.
Und nun das – ausgerechnet die humorloseste Instanz im Land liefert fantastischen Klischee-Nachschub: die Polizei. Diese Woche nämlich veröffentlichte sie ihre Kriminalstatistik. Und die Zahlen darin haben es in sich. Weniger auf dem Gebiet von Mord und Totschlag, mehr punkto Macken, Spleens und Besonderheiten. Hier nun eine kleine, amtliche Tour de Cliché:
Die Walliser und der Alkohol
Die Walliser sind Süffel! Schon von Kindesbeinen an werden sie an Dôle, Fendant und Petite Arvine herangeführt. Denn in keinem anderen Kanton wurden 2018 mehr Personen beschuldigt, Kindern gesundheitsgefährdende Stoffe verabreicht zu haben – gemeint ist der Verkauf von Alkohol an Kinder. Die letzten drei Jahre führen die Walliser die Liste an, früher wurden sie noch vereinzelt von Bern oder Zürich getoppt. Sogar die Kantonspolizei rätselt: «Die Gründe, weshalb das Wallis mit seiner geringeren Bevölkerungszahl vergleichbare Zahlen wie Bern und Zürich aufweist, sind uns nicht bekannt.» Na dann, prost!
Aargauer haben ulkigen Humor
Die Aargauer sind ein verschrobenes Völkchen mit einem ulkigen Humor. Offenbar besonders lustig: falschen Alarm auslösen. Darin waren sie 2018 Spitze. Fast immer in den letzten zehn Jahren führten sie die betreffende Liste an. Sie missbrauchen den Feuerwehrnotruf, hebeln zum Spass am Alarmknopf oder halten die Polizei mit Scherzanrufen auf Trab. Die wiederum steht auch hier vor einem Mysterium: «Worin der deutliche Unterschied zu den anderen Polizeikorps begründet liegt, können wir nicht erkennen!»
Die Zürcher, diese Schwätzer
Die Zürcher sind, wie gesagt, «Schnuris». Und die Zahlen belegen dies: In keinem anderen Kanton werden mehr Leute beschuldigt, üble Nachrede, Verleumdungen oder falsche Anschuldigungen in Umlauf gebracht zu haben. Seit Jahren geht das schon so. Klar, Zürich ist auch der bevölkerungsreichste Kanton, hat ergo die meisten Straftaten. Festzuhalten bleibt an dieser Stelle: Der Volksmund wusste es schon immer!
Im Tessin wird gepfuscht
Die Tessiner sind Pfuscher! Es gibt diese spektakulär ulkige Straftat namens «Gefährdung durch Verletzung der Regeln der Baukunde». Man könnte auch sagen: Pfusch am Bau. Darin macht den Tessinern so schnell keiner etwas vor. Über die vergangenen neun Jahre – mit einem kleinen Ausrutscher 2011– waren sie die stolzen Sieger in dieser Disziplin. Zur ihrer Verteidigung sei gesagt: Die Pfuscher sind zur Hälfte Ausländer ohne Wohnsitz in der Schweiz. Aber Vorsicht! Wer nun an Italiener denkt, tappt selber in die Klischeefalle. Woher die ausländischen Pfuscher genau stammen, verraten die Daten nämlich nicht.
Wucherer-Nest Genf
Jesus war bekanntlich gegen Zins. Johannes Calvin sah das eher leger. Er hat fünf Prozent Zinsen erlaubt. Geld muss arbeiten, war seine Meinung. In Genf genügt das aber manchen Halsabschneidern offenbar noch nicht. Die Calvin-Stadt ist ein Epizentrum der Wucherer. Seit zehn Jahren führt sie mit Abstand die Hitparade einschlägiger Delikte an. Der typische Vertreter dieser Spezies ist übrigens männlich und zwischen 40 und 50 Jahre alt.
Die störrischen Thurgauer
Die Thurgauer sind prototypische Beamtenschrecks! Wenn es darum geht, sich mit möglichst störrischem «Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen» zu sperren, mischen sie stets vorne mit. Betreibungs- und Strassenverkehrsamt – also die, die solche Verfügungen aussprechen – könnten ein Liedchen davon singen. Die Appenzell Innerrhoder indes seien an dieser Stelle ein für alle Mal von jeglichem Verdacht freigesprochen (nur 14 Beschuldigte im Jahr 2018).
Berner begehen am meisten Landfriedensbruch
Gemach, gemach, auch die Berner schaffen es zu guter Letzt auf die Klischee-und-Besonderheiten-Liste. Sie sind «Animaux politiques». Niemanden treiben die Irrungen und Wirrungen der Politik öfter auf die Strasse. Über 200 Leute, meist um die 20 Jahre jung, beschuldigte die Polizei 2018 des Landfriedensbruchs. Dies ist die Demo-Straftat schlechthin, kultiviert und gelebt vor allem in der Hauptstadt.
Und noch ein Trost für alle Genannten: Nur wenn über einen gar keine Klischees kursieren, ist man richtig arm dran.