Soziale Medien können Jugendliche krank machen – das ist ein bekanntes Phänomen. Neu ist, dass junge Menschen oft nicht freiwillig mit verstörenden Inhalten in Kontakt kommen.
In einer neuen Studie der Universität Wien gaben 20 Prozent der im Abstand von einem Monat zwei Mal befragten 729 jungen Erwachsenen aus den USA an, gezielt nach Suizid- oder Selbstverletzungsinhalten auf Instagram gesucht zu haben. Insgesamt aber gaben 43 Prozent zu, damit schon persönlich in Berührung gekommen zu sein. Der Grossteil sei also unbeabsichtigt und zufällig auf diese Inhalte gestossen, heisst es in einer Mitteilung der Universität.
Die mitunter recht expliziten Darstellungen von selbstverletzendem Verhalten gingen an vielen Teilnehmern der Untersuchung nicht spurlos vorbei: 64 Prozent der Befragten mit einschlägigen Erfahrungen gaben an, durch das Gesehene «emotionale Verstörung» empfunden zu haben.
Kein Beweis für «Werther-Effekt»
Die Wissenschaftler fanden im Rahmen ihrer Untersuchung Zusammenhänge zwischen dem Konsumieren solcher Inhalte und deprimierenden Gedanken. Das Betrachten von Fotos, die beispielsweise Menschen beim Ritzen zeigen, oder Videoclips mit Suiziddarstellungen führten mit der Zeit häufiger zu Suizidgedanken, stärkeren Gefühlen von Hoffnungslosigkeit und mehr selbstverletzendem Verhalten.
Den aus der Literatur bekannten «Werther-Effekt», wonach besonders genaue Schilderungen etwa der Suizidmethode Nachahmungseffekte hat, fand das Team im Rahmen der Instagram-Untersuchung aber nicht. Es zeigten sich keine Auswirkungen auf konkrete Suizidpläne, so die Forscher.
Dass sich derart explizite Inhalte auf Instagram mitunter häufen, habe in jüngerer Vergangenheit bereits Kommunikationswissenschaftler, Suizidexperten, aber auch Eltern auf den Plan gerufen. «Unsere Ergebnisse liefern Evidenz dafür, dass diese Besorgnis gerechtfertigt ist», so Arendt. «Darstellungen von Suizid- und selbstverletzendem Verhalten auf Social Media wie Instagram gehören stärker in den Fokus unserer Aufmerksamkeit», so der Erstautor der Studie.
Instagram versucht, Balance zu finden
Die Ankündigung der Plattform, das Thema stärker zu verfolgen und Darstellungen von Suizid und Selbstverletzung zu verbannen, wertet Arendt als «guten und wichtigen Schritt». Inhalte die «Nachahmungseffekte begünstigen – wie etwa detaillierte, grafische, explizite Darstellungen – sollten nicht öffentlich und derart leicht zugänglich sein. Vor allem auch, wenn man an die Jüngsten unserer Gesellschaft denkt».
Gleichzeitig müsse man aufpassen, dass es nicht zur Tabuisierung komme. Stattdessen sollten Instagram und Co anfälligen Nutzern Informationen zu Hilfsangeboten zukommen lassen, so die Studienautoren. (SDA)