Mit einer dicken Agenda unter dem Arm betritt Tune Berisha (49) das Café in Luzern und lässt sich auf einen Stuhl fallen. «Ich komme gerade aus einem schwierigen Gespräch mit einer Familie aus dem Kosovo», sagt er.
Berisha wohnt in Ruswil im Kanton Luzern und arbeitet seit 14 Jahren als interkultureller Vermittler. «Ich begleite Familien, in denen es kriselt», sagt der gebürtige Kosovare. Die Aufträge bekommt er von der Caritas oder anderen Hilfsorganisationen.
«Im Fall von heute fand der Hausarzt bei einer 13-Jährigen blaue Flecken. Es besteht der Verdacht, dass der Vater sie schlägt. Im Gespräch stritt er alles ab», sagt Berisha. Er ist trotzdem überzeugt, dass die Unterredung genützt hat. «Der Vater weiss nun, dass die Behörden ein Auge darauf haben – und wo er Hilfe holen kann, wenn er überfordert ist.»
Tune Berisha ist selber Vater von vier Kindern. Er sieht sich als Brückenbauer zwischen den Kulturen. «Viele Familien aus dem Kosovo stammen aus armen Dörfern ohne Perspektive. Hier treffen sie auf eine völlig neue Welt.»
Er selber kam als 19-Jähriger in die Schweiz, um auf dem Bau und einem Bauernhof zu arbeiten. «Zuerst verstand ich kein Wort. Ich lernte aber sehr schnell Deutsch», erinnert er sich. «Ich wollte schon früh meinen Landsleuten helfen, sich hier auch so gut zu integrieren.» Mit 31 Jahren lässt er sich bei der Caritas zum Übersetzer ausbilden und später zum interkulturellen Vermittler.
«Migranten reden oft nicht gerne über ihre Probleme. Sie trauen sich nicht», sagt Berisha. Da helfe es schon viel, in der Muttersprache kommunizieren zu können. «Gefühle lassen sich so halt einfacher ausdrücken. Auch gehen wichtige Details nicht verloren.»
Im Vergleich zu früher habe sich einiges getan. Viele Familien seien westlich orientiert. «99 Prozent sind dafür, dass nicht nur die Söhne, sondern auch ihre Töchter eine Ausbildung machen. Vor zehn Jahren war das noch anders», weiss Tune Berisha. «Heute zählen auch kosovarische Familien auf das Einkommen der Frauen. Denn auch die Konsumansprüche sind gestiegen.»
Tune Berisha muss weg, zu seiner eigenen Familie. «Meine Kinder interessieren sich für meine Arbeit, das ist toll. Mein 21-jähriger Sohn hat mir heute Morgen ein SMS geschickt, darin stand: «Papa, ich bin stolz auf dich!»