Mehr als 600 Menschen füllten die Engelberger Klosterkirche bis auf den letzten Platz, als am Donnerstagmorgen die kleine Jill (6) zu Grabe getragen wurde. Nur einer fehlte, und vielen Einheimischen ist es aufgefallen: Jills Onkel Daniel K. (40), der ihr Ski-Trainer und JO- (Jugendorganisations-) Leiter war. Er ist der Bruder von Jills Vater Ronald K.
Es war am Samstag vor einer Woche, als Daniel K. mit seiner Trainingsgruppe den Unglückshang im Titlis-Skigebiet befuhr und die kleine Jill auf dem eisigen Untergrund in den Tod rutschte. Auch Daniel K.’s eigenes Kind gehörte zur Ski-Gruppe. Es überlebte. Im Dorf ist man tief bestürzt. «Es ist, als ob das Leben angehalten habe», sagt ein Mann. «Jill war so ein Sonnenschein.»
Seither wird der ausgebildete Skilehrer – «einer unserer besten», wie Skiclubpräsident Beat Gisin (49) sagt – vom Care-Team der Region betreut und von der Öffentlichkeit abgeschirmt. Von seiner Tätigkeit im Skiclub ist er vorläufig dispensiert. «Das alles hat er nicht verdient», sagt eine Engelbergerin ein paar Tage später zu SonntagsBlick. Sie will anonym bleiben, «hier kennen sich doch alle».
Im 4000-Einwohner-Dorf vermutet man, dass der tragische Tod der kleinen Jill eine tiefe Kluft zwischen den Brüdern aufgerissen habe. Die Befürchtung kommt nicht von ungefähr. «Im ganzen Dorf», so oder ähnlich sagen es viele, sei aufgefallen, dass auf der Todesanzeige der Name von Daniel K. gefehlt habe. Dabei gehöre er doch gewiss zu den engsten Verwandten der Trauerfamilie.
In Engelberg hofft man inständig, dass sich die Brüder wieder finden. Ihre Familie gehört zu den Alteingesessenen; schon Vater und Grossvater waren Skilehrer.
Eine Verkettung von unglücklichen Umständen habe zu der «fürchterlichen Geschichte» geführt, sagt Albert X. Wyler (59), Direktor der auch für den tödlichen Pistenabschnitt verantwortlichen Titlisbahnen. Nach wärmeren Tagen habe am Freitag vor dem Unglückssamstag ein bissiger Sturm den aufgeweichten Schnee stellenweise zum spiegelglatten Untergrund gefrieren lassen. Der Unglückshang, betonte Wyler, sei nicht etwa gesperrte Zone, sondern als ausserhalb der markierten Piste signalisiert und so von der Schweizerischen Kommission für Unfallverhütung auf Schneesportabfahrten (SKUS) abgenommen.
Da Engelberg zwar im Kanton Obwalden liegt, das Skigebiet aber mehrheitlich auf Nidwaldner Boden, ermitteln die Nidwaldner Behörden. Verhörrichter Alois Bissig (50) bestätigt gegenüber SonntagsBlick, dass eine Strafuntersuchung eröffnet sei. Im Vordergrund stehe die Frage, ob sie zu einer Anklage wegen fahrlässiger Tötung führen könnte. Gegen das Bahnunternehmen zu ermitteln, dafür liege hingegen kein Grund vor.
Drei Tage nach der Beerdigung der kleinen Jill bedeckt frisch gefallener Schnee ihr Grab auf dem Friedhof bei der Klosterkirche Engelberg. «Wir gehen unseren Weg mit dir, Jill, weiter» – so hatten die Eltern zum Abschied in der Todesanzeige geschrieben.
Herr Gisin, gegen einen Ihrer langjährigen Skileiter läuft ein Strafverfahren – wird das Risiko mit Kindern zu trainieren nicht zu gross?
Beat Gisin: Natürlich diskutieren wir solche Fragen. Aber aufhören ist kein Thema – sonst müsste man nicht nur Skitrainings, sondern gleich jede Art von Schullager bleiben lassen. Ob Lehrer, Skilehrer oder Bergführer – ein Restrisiko bleibt immer, da hilft die beste Ausbildung nicht.
Wie ist die Stimmung im Skiclub nach dieser unsagbar traurigen Woche?
Es ist ein schwerer Schicksalsschlag, der uns alle nachdenklich macht. Aber wir versuchen, nach vorne zu schauen – wir können ja leider nichts mehr ändern. Wir haben unsere Trainingspläne hinterfragt und sind zum Schluss gekommen: Wir müssen sie nicht ändern.
Und die Kinder Ihres Skiclubs?
Die reagieren absolut erstaunlich. Sie möchten am liebsten schon heute wieder trainieren – auch mit jenem Trainer, obwohl wir für ihn aus verständlichen Gründen vorläufig eine Ersatzlösung suchen. Kinder verarbeiten viel schneller als wir Erwachsenen, das ist ihr Glück.
Werden Sie den Unglückshang für Skiclub-Trainings sperren?
Wir fahren grundsätzlich nicht ausserhalb der markierten Pisten. Wir machen unsere Slalom- oder Riesenslalomtrainings und Technik-Schulung für jede Trainingsgruppe genau nach Plan und Piste. Jener Hang gehört nicht dazu. So gesehen bleibt auch uns die Frage: Warum ist der Trainer in diesen Hang? Aber das muss der Richter klären.
INTERVIEW: FREDY GASSER
Herr Gisin, gegen einen Ihrer langjährigen Skileiter läuft ein Strafverfahren – wird das Risiko mit Kindern zu trainieren nicht zu gross?
Beat Gisin: Natürlich diskutieren wir solche Fragen. Aber aufhören ist kein Thema – sonst müsste man nicht nur Skitrainings, sondern gleich jede Art von Schullager bleiben lassen. Ob Lehrer, Skilehrer oder Bergführer – ein Restrisiko bleibt immer, da hilft die beste Ausbildung nicht.
Wie ist die Stimmung im Skiclub nach dieser unsagbar traurigen Woche?
Es ist ein schwerer Schicksalsschlag, der uns alle nachdenklich macht. Aber wir versuchen, nach vorne zu schauen – wir können ja leider nichts mehr ändern. Wir haben unsere Trainingspläne hinterfragt und sind zum Schluss gekommen: Wir müssen sie nicht ändern.
Und die Kinder Ihres Skiclubs?
Die reagieren absolut erstaunlich. Sie möchten am liebsten schon heute wieder trainieren – auch mit jenem Trainer, obwohl wir für ihn aus verständlichen Gründen vorläufig eine Ersatzlösung suchen. Kinder verarbeiten viel schneller als wir Erwachsenen, das ist ihr Glück.
Werden Sie den Unglückshang für Skiclub-Trainings sperren?
Wir fahren grundsätzlich nicht ausserhalb der markierten Pisten. Wir machen unsere Slalom- oder Riesenslalomtrainings und Technik-Schulung für jede Trainingsgruppe genau nach Plan und Piste. Jener Hang gehört nicht dazu. So gesehen bleibt auch uns die Frage: Warum ist der Trainer in diesen Hang? Aber das muss der Richter klären.
INTERVIEW: FREDY GASSER