Jean-Thomas «Tomi» Ungerer (†87) ist in der Nacht auf Samstag im irischen Cork gestorben. Das hat die Nachrichtenagentur AFP aus seinem Umfeld erfahren. Der französische Grafiker machte sich unter anderem mit Kinder-Bilderbüchern einen Namen.
Ungerer lebte abwechselnd in Irland und in Strassburg. Sein Lebenswerk: über 40'000 Zeichnungen und 140 Bücher, die in 28 Sprachen übersetzt wurden. Bekannt wurde er unter anderem durch Stücke wie «Der Mondmann» und «Die drei Räuber». Ausserdem schuf er scharfzüngige Bilderbücher für Erwachsene.
Bekanntheit für soziales Engagement
Der 87-jährige Illustrator zeichnete sich aber vor allem durch sein soziales Engagement aus. Mit Werken wie «Black Power, White Power» kritisierte er die Rassentrennung. Zudem setzte Ungerer sich für Aids-Patienten, die Integration von Einwanderern und die Resozialisierung von jungen Straftätern ein.
Eine Kunstkennerin hat für Tomi Ungerer den Titel «Picasso der Karikatur» geprägt. Mit dem grossen Spanier verband den elsässischen Zeichner, Karikaturisten und Buchautor ein Hang zur Erotik und eine unermüdliche Schaffenskraft.
Museum zu Lebzeiten
Ungerer gehörte zu den wenigen Künstlern in Frankreich, die zu Lebzeiten ein eigenes Museum erhalten haben. Seit 2007 gibt es in Strassburg das Tomi-Ungerer-Museum.
Einen grossen Teil seines Werkes machen denn auch politische Zeichnungen aus. Während seiner Zeit in den USA in den 1950er und 1960er Jahren kritisierte Ungerer mit seinen Karikaturen den Vietnamkrieg.
Förderte deutsch-französische Freundschaft
Zurück in Europa - nach Jahrzehnten in New York und Kanada lebte er seit 1976 mit seiner dritten Frau in Irland - setzte er sich für die deutsch-französische Freundschaft ein und bekam dafür das Bundesverdienstkreuz.
Als Elsässer lernte Ungerer früh neben Französisch auch Deutsch und bald auch den hiesigen Dialekt - mit den "Strassenjungen", wie er selbst sagte. Ein Vaterland habe er nie gehabt. «Das Wort ist mir total unheimlich. Für ein Vaterland muss man schon ein Patriot sein. Aber ich kann nicht Patriot sein für die Franzosen und die Deutschen.» Allein für Europa, das schon.
«Meine erotischen Zeichnungen sind reine Satire»
Ungerers Werk ist geprägt vom Spiel mit der Sprache. Er zitierte, entwickelte weiter. Das Buch über seine Jahre in Kanada trägt, angelehnt an das Lied«Heute hier, morgen dort», den Titel «Heute hier, morgen fort». Aus dem altindischen Lehrbuch der Liebeskunst machte er «Das Kamasutra der Frösche» - in Deutschland sein erfolgreichstes Buch für Erwachsene.
Lange wurden seine Erotik-Zeichnungen als zu provozierend empfunden, als pornografisch und sexistisch. Dazu sagte der Künstler: «Ich bin ein Aufzeichner. Meine erotischen Zeichnungen sind reine Satire. Ich will entlarven, was für eine Hölle es sein kann, wenn sich die Menschen vom Sex abhängig machen.» In seinem Strassburger Museum hängen die erotischen Zeichnungen nach wie vor im Untergeschoss.
Scherze über eigenen Tod
Mit seinen Spässen hat Ungerer auch vor dem Tod nicht halt gemacht. Bei seiner Beerdigung wolle er dabei sein, sagte er in einem Interview kurz vor seinem 85. Geburtstag. Stirnrunzelnd. «Im Sarg!», rief er schliesslich mit einem breiten Grinsen auf den Lippen, als sei damit nun alles klar. «Na, wenn man explodiert, dann hat man keinen Sarg.»
Zum Abschied sagte Ungerer bei einem dpa-Interview: «Wir sehen uns spätestens bei meiner Beerdigung wieder», und lachte, den nächsten Wortwitz schon auf den Lippen. «Wissen Sie, eine Beerdigung ist auch ein Unternehmen - verstehen Sie?» Kunstpause. «Man kommt ‹unter› die Erde.» (szm/SDA)