Eine Angestellte in der IT-Branche verliert zwei Monate nach der Babypause ihren Job. Eine schwangere Kundenberaterin bekommt zu hören, sie müsse das Kind abtreiben oder sich eine neue Stelle suchen. Zwei Beispiele, mitnichten Einzelfälle. Eine neue Studie des Bundes zeigt, was Schlichtungsstellen und Gleichstellungsbehörden seit einiger Zeit mit Sorge beobachten: Schwangere und Mütter werden zunehmend diskriminiert.
Das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Mann und Frau liess 200 kantonale Gerichtsurteile zum Gleichstellungsgesetz analysieren. Ein Drittel der Fälle bezieht sich demnach auf Schwanger- oder Mutterschaft. Bei der letzten vergleichbaren Auswertung vor zehn Jahren war das noch kein Thema.
Die Fälle ähneln sich: Die Frau kehrt aus dem Mutterschaftsurlaub zurück, erhält die Kündigung oder eine weniger anspruchsvolle Tätigkeit.In den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) ist das Problem bekannt. Bruno Graf, Leiter des RAV Suhr im Aargau, sagt: «Wir haben es immer wieder mit jungen Müttern zu tun, die ihren Job verlieren, weil der Arbeitgeber das Pensum nicht reduzieren kann oder will.» Er höre auch von Arbeitgebern, die nur kinderlose Frauen oder Mütter mit bereits selbständigen Kindern anstellen wollen.
Ein IT-Büro stellt keine Frauen im gebährfähigen Alter ein
Auch Christina Hausammann, Projektleiterin Geschlechterpolitik an der Universität Bern, weiss von einem IT-Büro, das generell keine Frauen im gebärfähigen Alter anstellt. Sie plant mit einer Studie herauszufinden, warum Mütter diskriminiert werden. Denn unklar ist, ob die Diskriminierung zunimmt oder sich die Frauen besser zur Wehr setzen. Aktuell kann Hausammann bloss spekulieren: «Die Unternehmen gehen wohl von der stereotypen Vorstellung aus, dass Mütter häufiger fehlen, weniger belastbar sind und weniger flexibel eingesetzt werden können.»
Öffentlich macht kaum ein Arbeitgeber derartige Aussagen, in den Kommentarspalten der Newsportale dafür umso lieber. Einer tippte: «Die Frau kommt nach ein paar Monaten zurück an den Arbeitsplatz, vielfach mit einem reduzierten Pensum. Arzttermine von Baby oder Mutter werden aber meistens auf die zwei bis drei Arbeitstage gelegt. Die Mütter fehlen auch sonst oft, da das Baby einen Schnupfen oder sonst was hat.»
Dass die Flexibilität der Arbeitgeber und nicht der Schnupfen das Problem ist, weiss Vera Beutler. Die zweifache Mutter ist in einer Kaderposition bei Assista TCS tätig und schreibt einen viel beachteten Blog zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie beim Stellenportal jobsfuermama.ch. Viele Frauen erzählen ihr deshalb von Widrigkeiten im Arbeitsmarkt.
Die wenigsten Frauen wehren sich
Der neuste Fall: Einer Teilzeit arbeitenden Mutter wird während der dritten Schwangerschaft mitgeteilt, dass sie nach dem Mutterschaftsurlaub zurückkommen könne, allerdings nur für Vollzeit. Die Begründung: Sie habe den Kopf nicht bei der Sache, wenn sie Teilzeit arbeite.
Werden Mütter bei der Arbeit diskriminiert, können sie sich auf das Gleichstellungsgesetz berufen. Das Problem: Die wenigsten betroffenen Frauen wehren sich. Nationalrätin Regula Rytz (Grüne) hat sich des Themas angenommen. «Wir sehen bloss die Spitze des Eisbergs», glaubt Rytz. Durch die Diskriminierung von Müttern auf dem Arbeitsmarkt würden gut ausgebildete Frauen aus dem Arbeitsmarkt gedrängt und damit der Fachkräftemangel verschärft.
Geringe Ausssichten vor Gericht
Die Studie zeigt auch, wie gering die Erfolgsaussichten der Klagen sind. Über die Hälfte der analysierten Diskriminierungsklagen wurde abgewiesen. Das bedeutet für die Frauen neben Jobverlust oft auch hohe Anwaltskosten. Sylvie Durrer, Direktorin des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann, ist überzeugt: «Gewisse Gerichte und Anwälte sind zu wenig vertraut mit dem Gleichstellungsgesetz.» Die Studienautoren der Uni Genf fordern deshalb Nachhilfe für Richter und Anwälte.
Anders interpretiert Daniella Lützelschwab vom Schweizerischen Arbeitgeberverband die geringe Erfolgsquote bei Diskriminierungsklagen: «Es zeigt, dass die Arbeitgeber für ihren Entscheid objektive Gründe geltend machen können.» Eine Vertragsanpassung nach einer Mutterschaft sei nicht per se diskriminierend.