Es ist ein frühlingshafter April-Abend in Winterthur. Josef Wartenweiler (34) ist auf dem Heimweg, als es auf einem schmalen Fussweg hinter dem Bahnhof passiert: Zwei Unbekannte stellen sich dem Mann in den Weg.
Die Angreifer schlagen ihn nieder, rauben ihn aus, das Opfer hat keine Chance. Die Beute beträgt gerade mal 43 Franken. Während die Täter zunächst unerkannt fliehen können, schleppt sich Wartenweiler zum nächsten Polizeiposten. Er steht erkennbar unter Schock. Erst als er schliesslich zwei Polizisten antrifft, wird klar, wie knapp Wartenweiler dem Tod entkommen ist.
Den beiden Beamten fällt sofort ein grosses Loch in Wartenweilers T-Shirt auf. Als er sein Leibchen hochzieht, klafft eine grosse, blutende Stichwunde auf seiner Brust.
«Es hat mich zufällig getroffen»
Die brutale Attacke ereignete sich 2017. Im neuesten DOK-Film, der am kommenden Donnerstag auf SRF ausgestrahlt wird, spricht Josef Wartenweiler zum ersten Mal offen über den fatalen Abend in Winterthur. Er sagt: «Die Täter warteten einfach auf eine männliche Person, die alleine unterwegs war. Mich hat es dann zufällig getroffen.»
Es sind Szenen wie diese, die der DOK aufgreift. «Bedrängt. Bedroht. Geschlagen – Alltägliche Gewalt auf der Strasse» lautet der Titel. Umgerechnet fast 85 Straftaten pro Tag wurden demnach vergangenes Jahr im Bereich minderschwere Gewalt registriert. Also zum Beispiel Tätlichkeiten oder einfache Körperverletzungen. Statistisch gesehen nimmt die Gewalt in der Schweiz wieder zu.
Brutaler Überfall, um etwas essen zu können
Im Bericht steht auch einer der Angreifer von Josef Wartenweiler Red und Antwort. Nur sein Vorname, David, wird genannt. Er sitzt seit mittlerweile bald zwei Jahren in der St. Galler Strafanstalt Saxerriet. Auf Bildern einer Überwachungskamera war zu sehen, wie er nach dem Überfall davonrannte. Die Aufzeichnungen halfen, den heute 22-jährigen Schweizer zu überführen.
Die Aussagen von David zeigen, wie sinnlos die Attacke auf Wartenweiler war. Der zur Tatzeit 19-Jährige habe damals viel getrunken und Drogen genommen. «Es war kalt und ich hatte an jenem Tag wieder zu viel konsumiert», sagt David. Dann sei ihm die Idee gekommen, jemanden mit dem Messer zu bedrohen und dadurch an Geld für Essen zu kommen.
Erst als er vor Gericht die Aussagen von Josef Wartenweiler anhören musste, seien ihm die Konsequenzen seines Handelns «voll eingefahren». Unmittelbar nach dem Angriff im April 2017 hatte David bei seinen Kollegen noch geprahlt mit dem Angriff. «Ich habe gerade jemanden abgestochen», verkündete er damals per Sprachnachricht. Das Gericht verurteilte David zu insgesamt fünf Jahren und drei Monaten Knast.
«Ich würde alles komplett anders machen»
Das Opfer, Josef Wartenweiler, überlebte den Messer-Überfall mit einer einseitigen Lungenembolie. Die Erinnerungen an die Tat und die Narben auf der Brust werden bleiben.
Und David kann seine Tat nicht mehr rückgängig machen. Auch wenn er sich das wünschen würde, wie er zum Schluss des DOK-Beitrags sagt. «Ich würde gerne nochmals in meine Kindheit zurück und dann alles komplett anders machen.» (cat)