Sommer, Severovic, Shaq & Co.
Diese Sternstunde gehört den jungen Helden

Sie haben Historisches erreicht – was eine tränenreiche Szene über Vladimir Petkovic und seine Mannschaft verrät.
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Im Tal der Tränen: Ruben Vargas (l.) und Vladimir Petkovic.
Foto: keystone-sda.ch
Reza Rafi

Ruben Vargas’ Tränen versickerten in Vla­dimir Petkovics Sakko. Der Mittelfeldspieler der schweizerischen Nationalmannschaft war nach dem Schlusspfiff am Freitag zusammengebrochen – eben hatte der 22-Jährige einen Penalty gegen Spanien verschossen, die Nati schied aus.

Der Trainer nahm seinen schluchzenden Schützling in die Arme und war in ­diesem hoch­emotionalen ­Moment der Fels in der Brandung. Die Worte, mit denen der Coach den ­Jungen tröstete, blieben dem Zuschauer verborgen. Der ­Unglückliche lehnte sich an Petkovic wie ein Sohn an seinen Vater.

Diese Szene vor Millionen ­Zuschauern gab die Sicht frei auf die tiefe Vertrautheit ­zwischen den beiden – hier muss die Chemie stimmen.

Der Ausnahmetrainer beweist mit dieser Geste auch grosse menschliche Qualitäten. Sie hebt sich wohltuend ab von der Reaktion des SRF-Kommentators, der dem gescheiterten Elfmeterschützen Ricardo Rodriguez am Montag während des Frankreich-Spiels säuerlich einen unruhigen Schlaf prophezeit hatte. Obwohl ein Spieler in dieser Situation weder Zorn noch Häme braucht, sondern un­sere Unterstützung.

Es ist wohl Petkovics stoische Ruhe in Turbulenzen, seine Fähigkeit, ­cool zu bleiben, die ihn all die Widerstände und Nörgeleien der Vergangenheit aushalten liess – all das Geschnöde über die «Söldner» und protzigen Migrantenkids, die in Tat und Wahrheit «gegen die Schweiz» gespielt hätten, wie ein helvetischer Publizist in ­einer grossen deutschen Zeitung allen Erns­tes analysierte.

Die Giftpfeile ­kamen aus dem Köcher bequem eingemitteter Meinungs­macher, die plötzlich etwas gegen hohe ­Einkommen haben, wenn es um Fussball geht. Ihre Namen sollen hier unerwähnt bleiben, weil die sporthistorische Sternstunde, die wir gerade erlebt haben, nicht irgend­welchen Charakterzwergen oder Hobby-Chauvinisten ­gehören soll, sondern den ­jungen Helden, die auf dem Rasen bis zum letzten Schweiss­tropfen gekämpft und Geschichte geschrieben haben.

Sie heissen Sommer, Seferovic, Shaqiri, Zuber, Embolo, Gavranovic, Xhaka, Freuler, Widmer, Schär, Mbabu, Elvedi, um nur einige von ihnen zu nennen – und nicht zuletzt Vladimir Petkovic, der Architekt dieses Erfolgs.

Wer am Montag und ­Freitag auf der Strasse war, sah Schweizer Fans mit ­Wurzeln auf dem Balkan, mit ostschweizerischem, westschweizerischem, asiatischem, baslerischem, mediterranem, bündnerischem, deutschem oder ­lateinamerikanischem Hintergrund die Nati anfeuern.

War da nicht was mit der Hymne? Mit gefärbtem Haar? Manchmal ist die Bevölkerung weiter als ihre Eliten.

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