Für diese Menschen ändert sich 2022 fast alles
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Sie trotzen der Krise:Für diese Menschen ändert sich 2022 fast alles

Schweizerinnen trotzen der Krise
Keine Angst vor 2022!

Seit zwei Jahren gehört die Pandemie zu unserem Alltag. Wie blickt man da in die Zukunft? SonntagsBlick hat mit acht Menschen über ihre Visionen, Pläne und Wünsche gesprochen.
Publiziert: 02.01.2022 um 01:55 Uhr
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Aktualisiert: 02.01.2022 um 09:48 Uhr
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Danny Schlumpf und Dana Liechti

Neues Jahr, neues Glück. Doch die Pandemie hat uns einmal mehr gezeigt: Nicht immer läuft alles nach Plan. Die Zukunft? Ist eine Unbekannte. Was sie bringt, können wir erahnen – aber wir wissen es nicht. Trotzdem machen wir gerne Pläne, haben Wünsche und Träume. Zum Start des neuen Jahres hat SonntagsBlick mit verschiedenen Menschen über ihre ganz persönlichen Zukunftsvisionen gesprochen.

Für René Dahinden etwa bestimmt die Vergangenheit den Blick nach vorn. Er feiert 2022 seinen 90. Geburtstag – die Strecke, die noch vor ihm liegt, ist kürzer als die Geschichte hinter ihm. Seinen Horizont schränkt das aber nicht ein – weil er aus einem vollen Leben schöpft.

Für die ehemalige Radiomoderatorin Regi Sager (63) bedeutet Zukunft Loslassen. Sie hat sich frühpensionieren lassen und startet nun in einen Alltag ohne Radio-Job und mit mehr Raum für Spontaneität.

Für Nathalie Meyer (35) ist die kommende Zeit auch von Unsicherheiten geprägt – sie macht sich 2022 selbständig und ist darauf angewiesen, trotz der Pandemie arbeiten zu können. Von Angst will sie sich nicht leiten lassen – und packt die Zukunft aktiv an.

Obwohl sie unterschiedliche Pläne haben für die kommenden Tage, Monate und Jahre, eines haben René Dahinden, Regi Sager, Nathalie Meyer und die anderen Porträtierten gemeinsam: Sie blicken mit Zuversicht und Gwunder in die Zukunft – trotz allem.

«Ich schmeisse den Haushalt selber»

René Dahinden (89) aus Schönengrund AR

Foto: Nathalie Taiana

«Manchmal, wenn der Wetterbericht Regen ankündigte, setzte ich mich am Morgen in den Garten und wartete mit der Arbeit, bis das Wetter umschlug. Aber Leonie blieb im Haus, machte die Wäsche und bügelte. Dann kam sie raus und ärgerte sich über den einsetzenden Regen.

Vor einem Jahr ist Leonie gestorben. Wir waren über 60 Jahre lang verheiratet. Sie war eine waschechte Appenzellerin, ich hatte mich während dem Militärdienst in sie verliebt. Deshalb kauften wir später das grosse Haus in ihrem Heimatdorf Schönengrund, obwohl wir in Zürich arbeiteten – sie als Anwaltssekretärin und ich als Bauführer eines grossen Unternehmens.

Im Militär war ich Feldwebel. Planen und Ausführen, das hat mich immer schon fasziniert. Da mache ich bei meinem Geburtstag keine Ausnahme. Im Februar werde ich 90 Jahre alt und organisiere Treffen mit über 40 Freunden – aber in Fünfergruppen, eine Feier nach der anderen. Ich habe mein Leben lang Sport getrieben, war im Olympiakader der Velorennfahrer und begeisterter Bergsteiger. Mittendrin sein, das ist mir immer noch wichtig. Ich kümmere mich gerade um die Sanierung unserer Zufahrtsstrasse, fotografiere, gehe wandern und verfolge die Tagespolitik.

Die Debatte über die Zukunft des Schweizer Vorsorgesystems ist mir allerdings egal: Als ich in Rente ging, liess ich mir das gesamte Pensionskassenguthaben auszahlen und gab es meinem Sohn. Der gründete damit ein eigenes Unternehmen. Natürlich war das ein Risiko. Die Zukunft lässt sich planen, aber nicht kontrollieren. Doch mein Sohn hatte Erfolg. Ich kriege seither jeden Monat einen fixen Zins von ihm – und der liegt definitiv über dem Umwandlungssatz.

Ich weiss, dass das Leben nicht ewig dauert. Die Frage ist, wie es endet. Vor ihrem Tod wurde meine Frau mehrere Monate lang palliativ gepflegt. Diese Agonie – davor habe ich Angst. Ich bin seit 20 Jahren Mitglied bei der Sterbehilfeorganisation Exit und habe eine Patientenverfügung. Wenn ich nicht mehr selbständig sein kann und keine Freude mehr am Leben habe, will ich selber sagen können: Jetzt ist es vorbei. Da ist der Rahmen in der Schweiz noch immer zu eng gesteckt. Mehr Selbstbestimmung in dieser Frage würde uns gut anstehen.

Aber bis es so weit ist, will ich leben – bewusst und aktiv. Ich fahre Auto, habe vor zwei Monaten den ärztlichen Attest bestanden. Den Haushalt mache ich selber, nur das Essen lasse ich mir liefern. Ich bestelle es online, das ist ja nicht so kompliziert. Auch den Booster habe ich im Internet gebucht. Es stimmt schon: Im Appenzellerland herrscht Skepsis gegenüber der Corona-Impfung. Aber ich bin halt kein Appenzeller. Ich bin Zürcher!»

«Wir kriegen Zwillinge!»

Jasmin Kehrli mit Mann Reto (beide 34) aus Frutigen BE

Foto: STEFAN BOHRER

«In der Nacht zuvor hatte meine Mutter einen Traum. Sie war sich sicher: Es werden Zwillinge! Reto und ich lachten, dann gingen wir zum Ultraschall. Die Ärztin zog das Gerät über meinen Bauch und stutzte. Dann sagte sie: «Hoppla, es sind zwei!» Im März kommen sie auf die Welt. Für mich ist es das Ende einer Sehnsucht, die schon in der Schulzeit aufkeimte – und während allen Höhen und Tiefen unseres Lebens in Frutigen nie abbrach.

Es hätte auch früher einschlagen können, denn wir sind schon bald zehn Jahre zusammen. Und doch meinte Reto immer wieder, dass wir alles Schritt für Schritt machen sollten. Jetzt stehen wir mit beiden Füssen im Leben. Im November haben wir geheiratet, wir haben gute Jobs und können die Kinder auch finanziell tragen. Und wir haben schon zünftig investiert: Ein grösseres Auto, ein Kinderwagen und Kleider im Doppelpack stehen bereit.

Jasmin und Reto Kehrli werden Eltern von Zwillingen
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«Wir sind zehn Jahre zusammen»:Jasmin und Reto Kehrli werden Eltern von Zwillingen

Natürlich sind wir unsicher – aber wir haben eine grosse Familie und Freunde, die uns unterstützen. An Weihnachten sind wir jeweils bis zu 50 Verwandte und Bekannte, die zusammen feiern. Dieses Jahr war allerdings anders: Wir haben mit meinen Eltern zu Abend gegessen. Mehr liegt derzeit nicht drin. Wir sind beide genesen, geimpft und geboostert. Aber wir halten uns stark zurück und passen auf.

Wir wissen, ob es Buben oder Mädchen werden. Doch das verraten wir nicht. Wenn wir in die Zukunft schauen, gibt es im Moment einfach diese beiden Kinder. Und dann? Schritt für Schritt, wir lassen es auf uns zukommen. Der Horizont ist weit. Und das ist gut so.»

Foto: STEFAN BOHRER

«Ich mache mich selbständig»

Nathalie Meyer (35) aus Seegräben ZH

Foto: Nathalie Taiana

«2022 wird für mich ein spezielles Jahr. Ich mache mich selbständig als Atemtherapeutin und Personal Trainerin. Bisher habe ich das nur Teilzeit gemacht und hatte zusätzlich einen Job, der mich abgesichert hat. Die finanzielle Situation könnte also eine Herausforderung werden.

Natürlich könnte mir auch Corona einen Strich durch die Rechnung machen, zum Beispiel, wenn es wieder zu Schliessungen kommen sollte. Aber gleichzeitig denke ich mir, dass man nicht immer in dieser Angst leben kann. Das Leben muss weitergehen.

Langfristige Zukunftspläne mache ich trotzdem nicht – die Pandemie hat gezeigt, dass sich schnell alles ändern kann. Darum versuche ich, das Beste aus dem zu machen, was kommt.

Dieses Jahr werde ich auch der freiwilligen Feuerwehr in meinem Ort beitreten. Bisher hatte ich nichts damit am Hut. Aber ich denke mir, das könnte spannend werden. Dass ich dort eine von wenigen Frauen sein werde, stört mich nicht. Ich bin es durch meinen früheren Job gewohnt, von Männern umgeben zu sein. Und ich bin überzeugt, dass ich bei der Feuerwehr genauso gut anpacken werde wie ein Mann.»

Fitnesstrainerin wird 2022 auch noch Feuerwehrfrau
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Nathalie Meyer startet durch:Fitnesstrainerin wird 2022 auch noch Feuerwehrfrau

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«Der Ironman ist die harte Tour»

Jana (27) und Paul Sailer (31) aus Kilchberg ZH

Foto: Thomas Meier

«Wir lernten uns während dem Studium in St. Gallen kennen und trieben gemeinsam Sport: Velofahren, Laufen, Schwimmen – es lief fast automatisch darauf hinaus, einmal einen Triathlon zu wagen. 2019 war es so weit: Wir absolvierten die Mitteldistanz. Das Gefühl beim Zieleinlauf lässt sich nur schwer beschreiben. Es ist einfach etwas Wunderbares. Es geht uns nicht um den Wettbewerb. Sport ist vor allem eine Herausforderung an uns selbst.

Wir arbeiten viel und gerne – aber wir schaffen uns Freiräume für das Training, wann immer es geht. Absolvieren ein Team-Meeting auch mal beim Joggen oder auf dem Hometrainer. So sind wir mindestens zehn Stunden pro Woche in Bewegung. In der Wettkampfvorbereitung sind es 20 Stunden. Auch die Ferien nutzen wir als Trainingslager. Jeden Tag zusammen auf dem Velo – das tut auch unserer Beziehung gut. Da können wir uns nämlich nicht ausweichen, selbst wenn wir es wollten.

«Der Ironman ist genau die richtige Herausforderung»
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Grosse Ziele für 2022:«Der Ironman ist genau die richtige Herausforderung»

Die Mitteldistanz ist gut – der Ironman ist besser. Das ist die harte Tour: Vier Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer auf dem Velo, 42 Kilometer Laufen. Eigentlich wollten wir im Sommer 2020 den grossen Schritt wagen. Wir waren schon mitten im Training, doch dann kam die Pandemie.

2021 war es so weit: Wir machten unseren ersten Ironman in Deutschland. 2022 legen wir nach – und zwar doppelt: An Pfingsten absolvieren wir den zweiten Ironman im grossen Kanton, im Herbst einen weiteren in Portugal. Dort ist dann auch ein Dutzend guter Freunde dabei, mit denen wir es uns anschliessend gut gehen lassen. Wir haben keine Zeit zu verlieren, weil wir neben der Arbeit und dem Sport noch eine andere Zukunft planen – die Gründung einer Familie.»

Foto: Thomas Meier

«Das Loslassen vom Job fällt mir leicht»

Regi Sager (63) aus Zürich

Foto: Philippe Rossier

«25 Jahre lang habe ich beim Radio gearbeitet. Nun starte ich zum ersten Mal als Pensionierte in ein neues Jahr. Ende November 2021 hatte ich meinen letzten Arbeitstag. Ich werde meine Kolleginnen und Kollegen vermissen, wir waren ein tolles Team. Trotzdem: Das Loslassen vom Job fällt mir zum Glück leicht. Es ist, wie wenn ich ein gutes Essen genossen habe, jetzt aber satt bin. Nun darf etwas Neues kommen.

Trotz Pensionierung: Nicht zu arbeiten, kommt für mich nicht in Frage. Das Gefühl, etwas Nützliches zu tun, macht mich glücklich. Ich werde darum auch weiterhin Stadtführungen durch Zürich machen, an Anlässen moderieren und als Sängerin auftreten. Ausserdem habe ich bereits bei der Nachbarschaftshilfe in meinem Quartier angeklopft, um zu fragen, ob man mich dort brauchen kann.

Radio-Moderatorin Regi Sager (63) geniesst neue Freiheit
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Nach 25 Jahren beim SRF:Radio-Moderatorin Regi Sager (63) geniesst neue Freiheit

Durch die Pandemie habe ich schon mal einen Vorgeschmack bekommen, wie die Pensionierung sein könnte. Vor dem Lockdown war ich nach meinen Schichten beim Radio oft noch beschäftigt mit Vorbereitungen für Moderationen, Konzerte oder meine Stadtführungen. Das war manchmal recht streng. Wegen der Pandemie fiel das alles weg. Ich kam nach der Arbeit nach Hause und merkte: Ich muss nichts mehr machen und kann meinen Abend auch einfach mal vor dem Fernseher verbringen. Zuerst hatte ich fast ein schlechtes Gewissen. Aber dann merkte ich, dass es auch ganz schön sein kann, ein bisschen mehr Zeit zu haben. Jetzt freue ich mich darauf, dass ich weniger Stress haben werde und mir meine Zeit besser selbst einteilen kann. Auch auf häufigere und ausgedehnte Städtereisen, die liebe ich nämlich. Und natürlich auf die Zeit mit Freunden und Familie und darauf, auch mal spontan etwas abzumachen.

Natürlich kommt mit der Pensionierung schon auch der Gedanke auf, dass nun der letzte Lebensabschnitt beginnt. Es wird einem noch deutlicher, dass man immer älter wird. Ich merke auch, dass ich plötzlich mehr über den Tod nachdenke oder darüber, wie lange es mir wohl gesundheitlich noch so gut geht wie jetzt. Angst machen mir diese Dinge aber nicht, sie gehören zu einem natürlichen Prozess. Und es macht auch keinen Sinn, sich den Kopf darüber zu zerbrechen und damit das Leben schwer zu machen. Also sage ich mir: Geniess die Zeit, die kommt, und hol alles aus ihr heraus, was möglich ist. Und wer weiss: Vielleicht kommt auch noch eine neue Aufgabe auch mich zu? Offen dafür wäre ich.»

Foto: Keystone

«Ich ziehe für die Familie in die Schweiz zurück»

Urs Dettwiler (70) aus Kenia

Foto: zVg

«Dieses Jahr werde ich den Indischen Ozean gegen die Berge eintauschen. Meine Frau und ich ziehen nämlich nach zwölf Jahren in Kenia wieder in die Schweiz zurück – vom Diani Beach an der kenianischen Südküste in die hügelige Landschaft von Grabs SG.

Als wir auswanderten, waren unsere drei Kinder alle unverheiratet. Mittlerweile haben wir sieben Grosskinder. Sie sind der Grund für unsere Rückkehr in die alte Heimat. Ich möchte die restliche Zeit, die mir bleibt, mit meiner Frau, meinen Kindern und Grosskindern verbringen und hoffe, wir erleben zusammen noch viel Schönes. Darauf freue ich mich sehr.

Foto: zVg

Weniger Lust habe ich auf den Winter in der Schweiz. In Kenia ist es das ganze Jahr über zwischen 23 und 35 Grad warm – das Schweizer Klima wird sicher eine Herausforderung für mich.

Auch die Kulturen in den beiden Ländern sind sehr verschieden. Ich hoffe, dass ich mir auch in der Schweiz wieder ein gutes Umfeld aufbauen kann und ein abwechslungsreiches Leben führen werde.»

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